68 Jahre nach Einführung der Verfassungsbeschwerde zum BVerfG führt NRW zum 1. Januar 2019 die Individualverfassungsbeschwerde zum VerfGH NRW ein. Organisatorisch ist das Gericht für die neue Aufgabe nicht gewappnet, meint Robert Hotstegs.
Der Landtag in Düsseldorf hatte verschiedene Anläufe in mehreren Legislaturperioden benötigt, im Sommer 2018 war die Zeit dann reif. Durch Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen (VGHG NW) ergänzte das Parlament die Art der Verfahren um die Individualverfassungsbeschwerde. Gleichzeitig eröffnete es auch den elektronischen Rechtsverkehr zu dem Gericht, das bis dahin für Bürger weitestgehend unerreichbar war und dementsprechend eher unbekannt ist. „NRW eröffnet Rechtsweg für Landesverfassungsbeschwerde: „Komm mit, komm mit mir ins Abenteuerland“, lto.de v. 31.12.2018“ weiterlesen
Die Besprechung von Stuttmann endet mit dem Ausblick, dass auch „ein bewusstes und dauerhaftes dienstrechtswidriges Verhalten des Dienstherrn“ betroffene Beamte nicht davon entbinde, regelmäßig Anträge zu stellen oder Widersprüche einzulegen. Man kann diesem Ergebnis aus den genannten rechtssystematischen Gründen zustimmen. Das bedeutet aber
auch hinzunehmen, dass Dienstherrn ihre strukturelle Überlegenheit gegenüber dem Einzelnen ausnutzen.
Sie tun dies durchaus mit erheblichem wirtschaftlichen Erfolg. Denn nicht jede Beamtin/jeder Beamter erhebt den notwendigen Widerspruch gegen verfassungswidrig niedrige Besoldung. Nicht jede Beamtin/jeder Beamte sucht den Eilrechtsschutz im Konkurrentenstreit ohne Konkurrentenmitteilung. Und selbst wenn Rechtsfragen scheinbar geklärt sind und dem Dienstherrn bereits wiederholt sein rechtswidriges Verhalten gerichtlich attestiert wurde, gibt es Behörden, die jedes Kalenderjahr aufs Neue Recht und Rechtsprechung ignorieren.
Das VG Düsseldorf, dem Herr Dr. Stuttmann angehört, kennt derartiges Verhalten etwa namentlich von der Bundesagentur für Arbeit. Der Beamte, der gleichwohl alljährlich zu Antrag und Widerspruch greift, setzt sich durchaus größeren Risiken aus als die Behörde: er trägt nämlich zunächst die Kosten anwaltlicher Beratung, den Vorschuss auf Gerichtskosten und ihm wird die Rechtsschutzversicherung gekündigt oder ihm verweigert die Gewerkschaft Rechtsschutz, weil sich die Schadensfälle (unverschuldet) häufen. Insofern fehlt es allzu häufig doch an einem Instrument die jeweilige Behörde an die Bindung an Recht und Gesetz zu erinnern.
Die Rechtsprechung des OVG Münster in der zweiten Instanz bot einen Ansatzpunkt, dem durch deutlich abgesenkte Anforderungen an den Beamten Rechnung zu tragen. Solche Ansätze sind auch weiterhin in der Praxis von Nöten.
Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Düsseldorf
Disziplinarverfahren gegen Beamte sind zügig zu führen und auch zügig einzuleiten. Das hat das BVerwG am Donnerstag noch einmal bekräftigt. Die Rechtsprechung erhöht die Anforderungen an Dienstherren, erläutert Robert Hotstegs.
Die beklagte ehemalige Dezernentin eines nordrhein-westfälischen Kreises war gerade zwei Wochen zuvor wegen dauerhafter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten, als nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in dritter Instanz über die angemessene Sanktion im gegen sie gerichteten Disziplinarverfahren zu entscheiden hatte (Urt. v. 15.11.2018, Az. 2 C 60.17). Nachdem noch Verwaltungsgericht (VG) Münster und Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW noch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis für angemessen erachtet hatten, kürzte das BVerwG nun lediglich das Ruhegehalt für drei Jahre um fünf Prozent. Die verspätete Einleitung des Disziplinarverfahrens und der Umstand, dass man die Frau zuvor nicht für einzelne Dienstpflichtenverstöße sanktioniert hatte, kamen ihr dabei in der Revisionsinstanz zugute.
Damit ist die Beamtin gerade noch einmal glimpflich davongekommen, ebenso aber auch der Dienstherr, dem Verfahrensfehler unterlaufen waren.
Mit am 9. November 2018 verkündetem Urteil hat die 7. Kammer die Klage eines in der Städteregion Aachen wohnhaften Polizisten abgewiesen, der sich gegen die Rückforderung von Beihilfen in den Jahren 2008 bis 2010 an seinen Vater zu Unrecht gezahlten Beihilfen wegen stationärer Krankenhausaufenthalte gewendet hat. Im April 2017 war der Kläger wegen Betrugs vom Amtsgericht Düsseldorf zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, seine Ehefrau zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr auf Bewährung; das Berufungsverfahren läuft jeweils noch.
Zur Begründung hat der Vorsitzende Richter Frank Schafranek ausgeführt:
Jüngst hat das OVG Münster die Besetzung der Präsidentenstelle des LSG Nordrhein-Westfalen mit dem ausgewählten Bewerber untersagt. Dieser Beschluss wirft mit Blick auf Entscheidungen aus Hessen und Berlin Fragen auf.
Katharina Voigt ist Fachanwältin für Verwaltungsrecht in Düsseldorf
Erleidet ein Beamter einen Dienstunfall, muss es schnell gehen. Denn nur wer ihn rechtzeitig meldet, hat später Anspruch auf Versorgung, wie nun das BVerwG bestätigt. Damit ist auch der Dienstherr in der Pflicht, meint Sarah Nußbaum.
Der Fall hätte kaum dramatischer geschrieben werden können: Bei einem Einsatz im Jahr 1996 rettet ein Feuerwehrmann ein Kind aus einem brennenden Gebäude. Die Drehleiter stürzt mit Mann und Kind um. Dem Kind geht es gut und der Beamte rettet weiter. Jahre später wird der Feuerwehrmann wegen des Vorfalls dienstunfähig, er leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Unfallfürsorgeansprüche kann er bei seinem Dienstvorgesetzten nun aber nicht mehr geltend machen, meint das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem aktuellen Urteil. Dafür sei es jetzt zu spät (Urteil v. 30.08.3018, Az. 2 C 18.17).
Der Vorfall war dem Dienstherrn zwar bekannt. Doch auch dann ist ein Beamter verpflichtet, einen Dienstunfall noch formal zu melden. Das Gesetz, § 45 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG, je nach Bundesland können im Wortlaut deckungsgleiche landesgesetzliche Regelungen gelten), gibt ihm dazu zwei Jahre Zeit. Der Feuerwehrmann beantragte die Anerkennung seines Dienstunfalls hier aber erst nach 17 Jahren. Er war dienstunfähig geworden und die Ärzte führten die Erkrankung eindeutig auf den Vorfall aus dem Jahr 1996 zurück. Erst im Rahmen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wurde klar, dass der Leitersturz mit dem Kind in den Armen eine Posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst hatte.
Der Dienstherr lehnte Unfallfürsorgeansprüche und die Zahlung eines Unfallruhegehalts ab und berief sich auf die gesetzliche Ausschlussfrist. In allen drei Instanzen wurde dies nach dem Wortlaut der Norm bestätigt. Auch das BVerwG sah nun keine Möglichkeit, die Ausschlussfrist anders auszulegen, selbst wenn eindeutig ein Dienstunfall zur Erkrankung des Beamten führte.
Wenn Beamte ihren Dienst in Deutschland – egal ob beim Bund oder in den Bundesländern oder Gemeinden – quittierten und in den öffentlichen Dienst eines anderen EU-Mitgliedstaates eintraten, wurden sie dafür bestraft. Nicht im Sinne eines Strafgesetzes, aber bislang finanziell. Denn die allermeisten von Ihnen hatten erhebliche Renten- und Versorgungsnachteile hinzunehmen. (siehe auch Beamtenversorgungsrecht auf dem Prüfstand vor dem EuGH, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 16.04.2015, Az. 23 K 6871/13)
Die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb kurzer Zeit Folge zu leisten, ist als „Arbeitszeit“ anzusehen. Das hat der Europäische Gerichtshof heute entschieden. Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Vorgabe, sich innerhalb kurzer Zeit am Arbeitsplatz einzufinden, schränken die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers erheblich ein, sich anderen Tätigkeiten zu widmen.
Folgen hat dies vor allem für Fragen des Arbeitsschutzes (Arbeitszeitregelungen, u.ä.), nicht aber unmittelbar für die Frage des Arbeitsentgelts. Denn der Gerichtshof weist ausdrücklich daraufhin, dass die EU-Richtlinie hierzu keine Vorgaben trifft und auch keine europäische Gesetzgebungszuständigkeit besteht. Der nationale Gesetzgeber kann daher ein niedrigeres Arbeitsentgelt vorsehen, möglicherweise sogar die Nicht-Bezahlung.
Da die EU einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff verwendet, der auch Beamtinnen und Beamte umfasst, ist die Entscheidung auch für Beamte in Deutschland übertragbar.
Für amtsärztliche Untersuchungen – etwa im Rahmen einer Überprüfung der Dienstfähigkeit – ist das Gesundheitsamt am Wohnort des Beamten zuständig.
Das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt in seinem Beschluss, dass der Dienstherr auch dann nicht das Gesundheitsamt am Dienstort als zuständig auswählen darf, wenn er Zweifel an der Arbeit des Gesundheitsamtes am Wohnort des Beamten hat. Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Arztes, an der unparteiischen Amtsausübung oder an der Tatsachengrundlage sind keine Erwägungen, die den Dienstherrn zu der Annahme einer Ausnahmesituation im Sinne des § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW berechtigen.
Düsseldorfer Institut für Dienstrecht
Düsseldorf, den 12.09.2017
::: Pressemitteilung 2/2017 :::
„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“
Tagung informiert ein Jahr nach der Dienstrechtsmodernisierung NRW 2016
Düsseldorf. Prof. Dr. Michael Koop (Kommunale Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen) und Rechtsanwalt Dr. Eberhard Baden referieren am 19.10.2017 über „Gesundheitsmanagement & Dienstunfähigkeit in Behörden“ vor Behördenvertretern, Personalräten und Rechtsanwälten. Es verspricht spannend zu werden, meint Tagungsleiterin Sarah Nußbaum. „„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“ | difdi | Pressemitteilung 2017-02“ weiterlesen