Schadensersatz wegen verzögerter Reaktivierung eines vorzeitig pensionierten Beamten, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 15.11.2022, Az. 2 C 4.21

Wird ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzter Beamter wieder dienstfähig und beantragt er seine Reaktivierung (erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis), hat der Dienstherr dem Antrag zu entsprechen, sofern dem nicht ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. In diesem Rahmen hat der Dienstherr nur zu prüfen, ob es an jeglicher zumutbaren Verwendungsmöglichkeit fehlt. Dagegen darf er die Reaktivierung nicht solange hinausschieben, bis er tatsächlich einen dem Statusamt des Beamten entsprechenden Dienstposten gefunden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger, ein Studiendirektor, wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im darauffolgenden Jahr stellte der Dienstherr im Anschluss an eine amtsärztliche Untersuchung die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fest. Knapp sieben Monate später – nachdem für ihn eine Einsatzschule gefunden war – wurde der Kläger reaktiviert.

Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und der Besoldung für den Zeitraum zwischen der Feststellung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und der Reaktivierung. Sein Begehren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwar verletzt das Berufungsurteil revisibles Recht, die Ablehnung des Anspruchs auf Schadensersatz erweist sich aber aus anderen als den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen als im Ergebnis richtig. Die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten nach § 29 Abs. 1 BeamtStG setzt einen – nicht notwendig schriftlichen – Antrag des Beamten sowie die auf einem ärztlichen Gutachten basierende Feststellung voraus, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. In diesem Verfahren ist ferner nur noch zu prüfen, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellen wird, für den zu reaktivierenden Beamten durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen. Dagegen hängt die Reaktivierung nicht davon ab, dass für den Beamten auch ein seinem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird.

Dass im vorliegenden Fall das beklagte Land hiervon nicht ausgegangen ist, kann ihm im Rahmen eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs nicht als schuldhaft angelastet werden. Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur überhaupt Ausführungen zum Prüfprogramm in derartigen Fällen gemacht worden waren, ergaben sich hieraus keine eindeutigen und zugleich dem dargestellten Maßstab entsprechende Anforderungen.

Pressemitteilung Nr. 68/2022 vom 15.11.2022

Menschen aus Düsseldorf: Das verschwundene Gericht, Rheinische Post v. 25.10.2022

Pempelfort. Der Anwalt Robert Hotstegs ist auf der Suche nach der ehemaligen Bundesdisziplinarkammer, die bis 1967 in Düsseldorf saß. Von der gibt es kaum Spuren – wohl auch, weil die Richter mithalfen, NS-Verbrechen zu vertuschen. 

von Marc Ingel

Robert Hotstegs kennt sich aus mit Beamtenrecht, seine Kanzlei an der Mozartstraße ist darauf spezialisiert. Das Disziplinarverfahren gegen einen Feuerwehrmann, die längst verdiente, aber nicht gewährte Beförderung im öffentlichen Dienst, der Lehrer, dem Nähe zum Reichsbürgertum vorgeworfen wird – bei solchen Verfahren ist die Hotstegs-Rechtsanwaltsgesellschaft Ansprechpartner. „Klingt etwas spröde, muss es aber nicht sein“, sagt Hotstegs.

Alles andere als öde ist jedenfalls auch das, womit sich Hotstegs seit ein paar Monaten quasi so nebenbei in seiner Freizeit beschäftigt. Er sucht ein verloren gegangenes Gericht, das rein thematisch eng verbunden ist mit seiner tagtäglichen Arbeit: Disziplinarrecht im weitesten Sinne. Es geht dabei um die Bundesdisziplinarkammer X (für römisch zehn), die von 1953 bis 1967 ein eigenständiges Bundesgericht in Düsseldorf war und zuerst in der Oberpostdirektion (heute GAP 15) und später in der Oberfinanzdirektion (inzwischen Bau- und Heimatministerium) ihren Sitz hatte. Nur: „Keiner weiß, was daraus geworden ist, es gibt keine Zeitzeugen, kaum Akten, erst recht keine Fotos“, sagt Hotstegs. 

INFO Verteidiger und Richter, Aktenzeichen und Akten

Hinweise Robert Hotstegs ist für alle Hinweise, die ihm bei der Suche nach der verschwundenen Bundesdisziplinarkammer X helfen, dankbar: „Ich weiß, dass Zeitzeugen rar werden. Aber vielleicht gibt es noch Erinnerungen und Spuren? Mich interessieren Verteidiger und Richter, Aktenzeichen und Akten.“ Kontakt: kanzlei@hotstegs-recht.de.

Das hat in solchen Fällen meist nur einen Grund: „Hier soll etwas unter den Teppich gekehrt werden“, vermutet der Jurist, der bislang zwar überall auf freundliches Interesse stieß, nur Antworten, die konnte ihm keiner liefern – was ihn natürlich nur noch mehr angestachelt hat, nachzubohren. Denn die obskure Disziplinarkammer hatte eben nicht nur über Fälle wie den Postbeamten, der im Dienst betrunken angetroffen wurde, oder den Bundesbahnangestellten, der falsch gekoppelt hat, zu entscheiden, sondern war auch mit der Aufarbeitung der NS-Zeit beschäftigt. Und hat sich, so weit lehnt sich Hotstegs jetzt schon aus dem Fenster, dabei nicht mit Ruhm bekleckert. „Das Gericht hat offensichtlich dazu beigetragen, Nazi-Kriegsverbrechern die Weste wieder schön rein zu waschen.“ Kein Wunder also, dass die Recherche des Anwalts so schwierig ist.

Für die Betroffenen hing viel ab von dem Urteil der Bundesdisziplinarkammer: „Nach einer Rehabilitation wurden sie wieder besoldet, blieben Rentenansprüche gültig“, so Hotstegs. Wer bei der Gestapo war, durfte nach Kriegsende nie wieder im öffentlichen Dienst arbeiten, „bei Tausenden anderen Beschäftigten sah das anders aus“. Ein Paradebeispiel für die These des Rechtsanwalts ist der Fall Gerhard Rose. Der war während des NS-Regimes Chef der Abteilung für tropische Medizin. Wegen seiner nachweislichen Beteiligung an Menschenversuchen im Konzentrationslager Buchenwald wurde er im Nürnberger Ärzteprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch siehe da: Nach der Haftentlassung 1955 wurde Rose von eben diesem Düsseldorfer Gericht plötzlich freigesprochen, auch seine Pensionsansprüche als Beamter erhielt er zurück. „Das steht in völligem Widerspruch zu dem, was über Rose bekannt war“, wundert sich Hotstegs, der in diesem Fall zumindest auf ein bisschen Literatur zurückgreifen kann. „Aber war Rose wirklich ein Einzelfall? Wohl eher nicht“, gibt sich der Hobby-Historiker selbst die Antwort.

Robert Hotstegs hat versucht, viele Quellen anzuzapfen, vom Stadtarchiv bis zur Mahn- und Gedenkstätte, vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bis zum Bundesarchiv in Koblenz. „Bis jetzt habe ich nur ganz wenig, und das ist schon erstaunlich in einer Zeit, in der die Vergangenheitsbewältigung doch so eine große Rolle spielt.“ Bis Januar wollte Hotstegs eigentlich eine Art Zwischenergebnis vorlegen, inzwischen hat er Zweifel, ob es ihm gelingt, das Mosaik bis dahin ausreichend zusammenzusetzen. „Ich stochere ein wenig im Nebel und habe ja auch noch einen richtigen Job. Aber aufgeben, das werde ich so schnell bestimmt nicht“, sagt Hotstegs.

Darf man das noch sagen? Beharrliche Gehorsamsverweigerung bei Corona-Bekämpfung führt zur Dienstentfernung einer JVA-Beamtin, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 21.06.2022, Az. 3 K 802/22.TR

Porta Nigra, Trier

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier lenkt einerseits den Blick darauf, dass die Gehorsamspflicht der Beamt:innen auch bedeutet Corona-Schutzmaßnahmen zu kommunizieren, ggf. mit umzusetzen und nicht aber zu unterlaufen. Gerade bei Behörden, die von ihrer grundsätzlichen Aufgabenstellung zur Durchsetzung von Recht und Ordnung berufen sind (etwa Polizei, Justizvollzug, Zoll, Gerichte), ist hier ein strengerer Maßstab anzulegen als etwa bei Hochschulen, die den wissenschaftlichen Diskurs über die Wirksamkeit und Unwirksamkeit von Maßnahmen führen.

Andererseits führt die Entscheidung aber auch noch einmal die Geschwindigkeit von manchen Disziplinarklageverfahren vor Augen. Während das behördliche Disziplinarverfahren sich oftmals schon von Gesetzes wegen über mindestens ein halbes Jahr erstreckt, bestehen im gerichtlichen Verfahren über die Disziplinarklage nur wenige Fristen. Die vorliegende Entscheidung ist nach knapp drei Monaten ergangen.

Über die Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Eine Revision und auch eine Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist vom Gesetzgeber in § 53 S. 4 LDG RLP ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Da die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis weitreichende wirtschaftliche (Verlust der Besoldung und Behilfe), rentenrechtliche (Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung) und sozialrechtliche (kein Arbeitslosengeld, Anspruch auf Arbeitslosengeld II) Folgen hat, beraten wir parallel zu der Disziplinarverteidigung in derartigen Verfahren auch immer zugleich über Alternativen und Auswege. Unter anderem informieren wir mit unserer „roten Karte„.

Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts lautet im Volltext:

Die landesweit für das Disziplinarrecht zuständige 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier hat eine Justizvollzugsbeamtin, die sich u.a. geweigert hat, dienstliche Anordnungen in Bezug auf die Corona-Pandemie umzusetzen, aus dem Dienst entfernt.

Der Beamtin wurde im Rahmen des gegen sie eingeleiteten Disziplinarverfahrens zur Last gelegt, beharrlich kundgetan zu haben, sich nicht an eine Hausverfügung zur Umsetzung der 26. Corona-Bekämpfungsverordnung RLP in Bezug auf die Corona-Testpflicht nach längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz halten zu wollen. Sie werde sich auch vor dem anstehenden Einsatztraining und Dienstsport nicht testen lassen. Ihre Verweigerungshaltung äußerte sie in einer an den Leiter der JVA adressierten E-Mail, unmittelbar gegenüber ihrem Vorgesetzten sowie in einem anlassbezogenen Personalgespräch. Außerdem äußerte sie sich gegenüber Kollegen, dem unmittelbaren Vorgesetzten und dem Leiter der JVA wiederholt in hohem Maße kritisch gegen die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, indem sie die Corona-Pandemie u.a. als „Propagandazirkus, gezielte Angst- und Panikmache sowie gezielte Täuschung des Staates“ bezeichnete. Ferner riet sie Gefangenen mit der Begründung, dass der Impfstoff noch in einer experimentellen Phase stecke und ein Versuch am Menschen sei, von einer Impfung ab. Im März 2022 hat das Land beim erkennenden Gericht Klage mit dem Ziel der Entfernung der Beamtin aus dem Dienst erhoben.

Die Richter der 3. Kammer des Gerichts werteten die beharrliche Verweigerungshaltung der Beamtin sowie ihre wiederholten innerdienstlichen Äußerungen in Bezug auf die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sowie zur Impfung als einheitliches schweres Dienstvergehen, mit dem die Beamtin das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Ein Beamter müsse auch und gerade durch sein Verhalten innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordere. Dabei könne eine ernsthaft gemeinte Ankündigung eines Beamten, einer Weisung zukünftig nicht Folge leisten zu wollen – ebenso wie ein Gehorsamsverstoß selbst – bereits eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben. Die Gehorsamspflicht gehöre zum Kernbereich der einem Beamten obliegenden Dienstpflichten. Eine ernst gemeinte Verweigerungshaltung berühre im hochsicherheitsrelevanten Bereich einer JVA grundsätzlich den Kernbereich des beamtenrechtlichen Dienst– und Treueverhältnisses. Die Beamtin habe die Coronatests erkennbar nicht wegen eines damit verbundenen Eingriffs in ihre psychische oder physische Integrität oder aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt, sondern alleine, weil sie deren Sinnhaftigkeit in Zweifel gezogen habe. Es stehe ihr jedoch nicht zu, mit Überlegungen, dass das Testen oder Impfen nicht zielführend sei, da es mutmaßlich keine Corona-Pandemie gebe, die wissenschaftliche Rechtfertigung von Schutzmaßnahmen in Frage zu stellen, zu deren Umsetzung eine JVA nach der geltenden Rechtsordnung verpflichtet sei. Mit ihren Äußerungen habe die Beamtin auch eindeutig die Grenze der grundgesetzlich gewährleisteten Meinungsfreiheit überschritten, da sie den Rahmen sachlicher Kritik an Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung weit verlassen habe. Ein Beamter sei an Recht und Gesetz gebunden; ihm stehe es gerade nicht frei, diesen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zählenden Grundsatz nur bei Vereinbarkeit mit seiner eigenen Überzeugung zu berücksichtigen und anderenfalls durch sein Verhalten zu unterwandern. Außerdem habe die Beamtin ihr Vertrauensverhältnis zu den von ihr zu betreuenden Gefangenen dazu ausgenutzt, diese im Rahmen einer Abfrage der Impfbereitschaft durch gezielte einseitige, manipulative Informationen von einer Impfung abzuhalten, womit sie gegen ihre Pflicht zur gewissenhaften Pflichterfüllung im Strafvollzug verstoßen habe. Mit ihrem Verhalten habe die Beamtin klar zu erkennen gegeben, dass sie sich aus allein eigennützigen Motiven an die aus Fürsorgegesichtspunkten erlassenen Schutzmaßnahmen für Leib und Leben nicht gebunden fühle und sich dieser Gemeinwohlverpflichtung nicht unterwerfen wolle. Hierdurch habe sie sich im hohen Maße treuwidrig verhalten. Angesichts des im Laufe des Verfahrens zutage getretenen unbelehrbaren Persönlichkeitsbildes der Beamtin stehe auch zukünftig ein pflichtgemäßes Verhalten nicht zu erwarten, sodass eine Entfernung aus dem Dienst geboten sei. 

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb eines Monats die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Pressemitteilung 18/2022
Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 21.06.2022, Az. 3 K 802/22.TR

Keine Beteiligung des Integrationsamtes bei der Versetzung schwerbehinderter Lebenszeitbeamter in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 07.07.2022, Az. 2 A 4.21

Die Zurruhesetzung eines schwerbehinderten Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit bedarf nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A7 BBesO) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Aufgrund eines Autounfalls mit anschließender durchgehender „Arbeitsunfähigkeit“ veranlasste der Bundesnachrichtendienst die amts- sowie fachärztliche Untersuchung des Klägers. Bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens war er als Schwerbehinderter im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Die Zurruhesetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit erfolgte ohne vorangehende Beteiligung des Integrationsamtes.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat bezogen auf die Notwendigkeit der Beteiligung des Integrationsamtes zur Begründung insbesondere ausgeführt: Das innerstaatliche Recht schreibt die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes vor der Versetzung eines Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht vor. Nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 9. März 2017, C- 406/15, Milkova) zwingt aber auch das Unionsrecht nicht dazu, Arbeitnehmer und Lebenszeitbeamte im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes bei der Beendigung der aktiven Berufstätigkeit gleich zu behandeln. Das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte begründete Schutzniveau bleibt jedenfalls nicht hinter dem durch §§ 168 ff. SGB IX für Arbeitnehmer begründeten zurück. Bei Arbeitnehmern dient das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes dazu, die Ausübung des Kündigungsrechts durch den privaten Arbeitgeber einer vorherigen staatlichen Überprüfung zu unterziehen. Ziel ist der Ausgleich der regelmäßig geringeren Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen auf dem privaten Arbeitsmarkt. Dieser Aspekt ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten wegen Dienstunfähigkeit nicht von Bedeutung. Denn besteht ein Restleistungsvermögen, verbleibt der Beamte typischerweise im aktiven Beamtenverhältnis und wird nicht zur Ruhe gesetzt. Zudem wird durch die Zurruhesetzung ein Ruhestandsbeamtenverhältnis begründet, aufgrund dessen der Dienstherr dem Beamten in vielfältiger Hinsicht verpflichtet ist, insbesondere durch die Möglichkeit der Reaktivierung im Falle der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit.

(Pressemitteilung v. 07.07.2022)

Verwaltungsgericht: „Lehrer haben in den Ferien immer Urlaub“ | Dienstrecht | Pressemitteilung 2022-01

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 07.07.2022

::: Pressemitteilung 01/2022 :::

Verwaltungsgericht: „Lehrer haben in den Ferien immer Urlaub“
aktuelle Entscheidung aus Gelsenkirchen zeigt für Experten eklatante Mängel im Urlaubsrecht


Düsseldorf. Jede:r Arbeitnehmer:in hat einen Anspruch auf Erholungsurlaub, auch bei Lehrer:innen, unabhängig davon ob sie beim Land NRW angestellt sind oder in einem Beamtenverhältnis stehen. Wenn der Volksmund formuliert, Lehrer:innen hätten im Sommer sechs Wochen Urlaub und damit die unterrichtsfreie Zeit dem Urlaub gleichstellt, dann tut er nichts anderes als ein aktuelles Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Az. 1 K 4290/20). „Das ist ein Skandal. Denn das Gericht macht deutlich, dass Lehrer:innen nie vorab wissen, wann sie Urlaub und wann unterrichtsfrei haben.“, erläutert Fachanwalt Robert Hotstegs. Das Gegenteil sei aber erforderlich.

Im konkreten Fall war eine Lehrerin seit März 2017 dienstunfähig erkrankt. Im August 2019 musste sie daher auch in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Vor Gericht machte sie nun geltend, dass sie den Urlaub der Jahre 2017 bis 2019 nicht in Anspruch nehmen konnte. „Tatsächlich spricht der Wortlaut der Rechtsgrundlagen dafür, dass die Urlaubstage aus der Krankheitszeit ausbezahlt werden müssen“, erklärt Hotstegs. Etwas anderes gelte nach einer Verordnung des Landes NRW nur, wenn die betroffene Lehrerin von der Bezirksregierung vorab konkret auf den Verfall alter Urlaubsansprüche hingewiesen worden wäre. Dies geschehe bei Lehrer:innen nie.

„Europarecht bricht Landesrecht“

„Das Gericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass Lehrer:innen-Urlaub automatisch in den Ferien stattfinde. Sozusagen unsichtbar.“ Was auf den ersten Blick selbstverständlich und logisch erscheine, unterlaufe aber den Gesundheits- und Arbeitsschutz. „Da Lehrer:innen in NRW keinen Urlaubsantrag stellen können, weiß etwa die Schulleitung oder das Kollegium nicht, wann jemand sich berechtigt erholt und wann jemand arbeitet. Die EU hält den Schutz der Einzelnen aber hoch. Sie sollen im Urlaub grundsätzlich Ruhe haben und sich erholen können. Nichts spricht dagegen, dies auch durch Urlaubsanträge für Ferienzeiten konkret zu organisieren.“ Dies würde, so Fachanwalt Robert Hotstegs, vielfach auch den Druck nehmen als Lehrer:in stets „allzeit bereit“ zu sein.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht NRW zugelassen. Hotstegs, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, würde sich freuen, wenn das Verfahren weiterbetrieben würde. Es würde helfen wichtige Rechtsfragen zu klären.


::: Kontakt :::

Rechtsanwalt Robert Hotstegs
T: 0211 / 497657-16
E: hotstegs@hotstegs-recht.de
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::: die Kanzlei :::

Seit 1985 berät die Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in Spezialgebieten. Der öffentliche Dienst für Beamt:innen und Angestellte, die Verteidigung in Disziplinarverfahren und daneben die Verfahren der Bürgerbeteiligung sind ihre Schwerpunkte. Die Kanzlei vertritt Mandant:innen bundesweit.

Terminsgebühr im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren: „es reicht, wenn einer den anderen anruft“, Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD, Beschluss v. 13.04.2022, Az. RVG 1/2021

In einem kirchengerichtlichen Verfahren hatte die beklagte Landeskirche Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte sie eine Erledigungserklärung abgegeben, die allerdings zunächst nur bei Gericht vorlag und noch nicht der Klägerseite zugegangen war. In diesem Zeitraum fand ein Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Landeskirche statt. Nachdem das Verfahren abgeschlossen und die Kosten der Landeskirche auferlegt worden waren, stellte sich im Rahmen der Kostenfestsetzung die Frage, ob und ggf. welche Gebühren für das Telefonat anzusetzen waren.

Der Senat hat dies mit Beschluss vom 13.04.2022 bejaht und den vorangegangenen Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und eine eigene Kostenentscheidung getroffen. Der Beschluss lautet im Volltext:

  1. Der Beschluss der Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der VELKD vom 15. November 2021 über die Kostenfestsetzung im Verfahren RVG 6/2020 wird aufgehoben.
  2. Die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf insgesamt EUR 1.033,40 (eintausenddreiunddreißig 40/100) festgesetzt.
  3. Diese Kosten hat nach dem Beschluss des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 14. Juli 2021 die Beklagte zu tragen.
  4. Der zu erstattende Betrag ist ab dem 27. Juli 2021 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes für das Kostenfestsetzungsverfahren wird auf 454,50 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf gerichtliche Entscheidung über den Kostenfestsetzungsbeschluss der Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts vom 15. Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt EUR 600,71 festgesetzt worden sind, ist gemäß § 22 Abs. 4 Satz 2 der Rechtsverordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Errichtung eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands vom 17. November 2006 (ABI. VELKD Bd. VII S. 340) in der Fassung vom 16. September 2010 (ABl. VELKD Bd. VII S. 450) – VerfO – zulässig.

Der erkennende Senat hat im Beschluss vom 14. Juli 2021 der Beklagten gemäß § 20 Abs. 1 VerfO die Kosten des von ihr anhängig gemachten Beschwerdeverfahrens RVG 6/2020 auferlegt.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 30. August 2021 beantragt, die ihm zu erstattenden Kosten auf der Grundlage des festgesetzten Gegenstandswerts von EUR 5.000,00 wie folgt festzu-
setzen:

  • eine 1,6 Verfahrensgebühr Revision nach § 13 RVG, Nr. 3206 VV RVG 484,80 EUR
  • eine 1,5 Terminsgebühr Revision nach § 13 RVG, Nr. 3210 VV RVG 454,50 EUR
  • eine Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
    Zwischensumme netto 959,30 EUR
  • 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 182,27 EUR
    Gesamtsumme 1.141,57 EUR

Durch Beschluss vom 15. November 2021 hat die Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt EUR 600,71 festgesetzt.

Die Festsetzung erfolgte – mit Ausnahme der Terminsgebühr – antragsgemäß. Die Festsetzung einer 1,6 Verfahrensgebühr wurde auf § 13 RVG Nr. 3506 VV RVG gestützt. Eine Terminsgebühr wurde nicht festgesetzt. Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Terminsgebühr sei nicht § 13 RVG Nr. 3210 RVG, sondern § 13 RVG Nr. 3516 VV RVG. Eine Terminsgebühr entstehe jedoch nicht bereits, wenn die Parteien sich ohne Mitwirkung des Gerichts besprechen, sondern nur dann, wenn ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung über die Nichtzulassungsbeschwerde stattfinde.

Dagegen wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und beantragt mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021 gerichtliche Kostenfestsetzung. Die beantragte Terminsgebühr sei nach Ziff. 3210 VV RVG anzusetzen. Die Besprechung zwischen den Parteien am 27. Mai 2020 sei unstreitig. Ebenso sei aktenkundig, dass die Landeskirche mit ihrem Schriftsatz vom 23. März 2020 – der beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 2. Juni 2020 zugegangen und somit am 27. Mai 2020 noch nicht bekannt gewesen sei – einseitig die Erledigung des Verfahrens und nicht (bloß) die Rücknahme des eigenen Rechtsmittels erklärt habe. Aus Sicht des am Telefonat teilnehmenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin wie auch aus Sicht des Vertreters der Landeskirche sei es somit in der telefonischen Besprechung zwischen den Parteien um die Beilegung des gesamten Verfahrens gegangen. Es handele sich damit um einen Termin im Sinne der Vorb. 3, Abs. 3 Nr. 2, weil die Besprechung auf die Vermeidung oder Erledigung des gesamten Verfahrens gerichtet gewesen sei. Somit sei für die Terminsgebühr Ziff. 3210 VV RVG einschlägig. Dies sei auch nicht für die Dauer des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gesperrt. Sonst könnten allein aus Kostengründen Verhandlungen zwischen den Parteien des Verfahrens verzögert werden.

Hilfsweise sei aber die Terminsgebühr in gleicher Höhe gemäß Ziff. 3516 VV RVG anzusetzen. Die frühere Auffassung des BGH sei durch eine Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes überholt. Durch die Neufassung der VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 sei jetzt klargestellt, dass bei dieser Variante eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sein müsse. Darauf verweise die Literatur (Schneider in AnwaltKommentar RVG, Schneider/Wolf, VV 3516, Rn. 5).

Die Beklagte verteidigt die im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. November 2021 erfolgte Festsetzung der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu erstattenden Kosten. Die Gebühren bei der Nichtzulassungsbeschwerde richten sich nach Auffassung der Beklagten allein nach Teil 3, Abschnitt 5 VV RVG. Das obligatorische schriftliche Verfahren (§ 64 Abs. 5 KVwGG) spreche dabei gegen die Gewährung einer Terminsgebühr (unter Verweis auf Gerold/Schmidt, RVG 25. Auflage 2021, VV 3516, VV 3502 Rn. 11, VV 3500 Rn. 19).

In jedem Fall lege Nr. 3516 VV RVG für eine Terminsgebühr einen Satz von 1,2 fest. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei weder tatbestandlich noch inhaltlich mit einem Revisionsverfahren gleichzusetzen.

Hilfsweise werde bestritten, dass es sich bei dem Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Vertreter der Beklagten am 27. Mai 2020 um eine Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG gehandelt habe.

Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch teilweise begründet, weil der Beschluss der Geschäftsstelle des Verfassungs- und Verwaltungsgerichts vom 15. November 2021 über die Kostenfestsetzung in Höhe von insgesamt nur 600,71 EUR fehlerhaft ist, soweit eine Terminsgebühr überhaupt nicht berücksichtigt wurde.

Die Kosten des Verfahrens richten sich nach § 22 Abs. 4 der Rechtsverordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Errichtung eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Verfahrensordnung) i. V. m. §§ 2 und 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) i. V. m. der Anlage 1 Vergütungsverzeichnis (VV).

Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin steht neben der 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV RVG in Höhe von 484,80 EUR auch eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3516 VV RVG in Höhe von 363,60 EUR zu. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin richten sich die Gebühren bei der Nichtzulassungsbeschwerde allein nach dieser Vorschrift. Nr. 3210 VV RVG regelt die Terminsgebühr für das Revisionsverfahren und ist deshalb nicht einschlägig.

Zwar war der BGH (BGH, NJW 2007, 1461) zur früheren Gesetzesfassung der Auffassung, die Terminsgebühr nach Nr. 3516 VV entstehe in den Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht schon, wenn die Rechtsanwälte der Parteien sich ohne Mitwirkung des Gerichts darüber besprechen (VV Vorb. 3 Abs. 3, 3. Var. a. F.), sondern nur dann, wenn ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung über die Nichtzulassungsbeschwerde stattfinde. Jedenfalls nach der Neufassung der VV Vorb. 3 Abs. 3 ist diese Auffassung nicht mehr haltbar. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Das 2. KostRMoG will durch diese Umformulierung in VV Vorb. 3 Abs. 3 RVG ausdrücklich „klarstellen“, dass es für die Alt. 3 von Satz 1 nicht nötig ist, dass sich die außergerichtliche Besprechung auf ein Verfahren bezieht, in dem an sich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 141 ff.; Schneider in Schneider/Volpert Anwaltkommentar RVG, 9. Aufl., 2021, W Nr. 3516, Rn. 10). Der primäre Grund für die Alt. 3 ist, dass der Rechtsanwalt gleich nach seiner Bestellung zum Verfahrensbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen Beendigung des Verfahrens beitragen soll, mit dem Ziel, ein langwieriges und kostspieliges Verfahren zu vermeiden (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 151).

Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen für die Entstehung einer Terminsgebühr gegeben. Zwar löst nicht jede Besprechung eine Terminsgebühr aus. Es muss sich um eine solche handeln, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet ist. Die Erledigung bezieht sich auf Ansprüche, die bereits rechtshängig sind. Nicht nötig ist, dass die Streitigkeit zwischen den Parteien auch inhaltlich befriedet wird; das heißt, es ist unerheblich, wie das Verfahren nach dem Gespräch weitergeht (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 167 und Rn. 185). Es muss mündlich oder fernmündlich gesprochen worden sein, wobei das Gespräch dabei von kurzer Dauer gewesen sein kann (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG, 25. Aufl. 2021, Vorb. 3 VV, Rn. 180). Es ist auch nicht nötig, dass vorher ein Besprechungstermin vereinbart wurde; es reicht, wenn einer den anderen anruft und Gespräche über die Erledigung stattfinden. Zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und einem Vertreter der Beklagten fand unstreitig am 27. Mai 2020 ein Telefonat statt, in dem es auch um die Beilegung des gesamten Verfahrens ging. Dabei war dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch nicht bekannt, dass die Beklagte bereits Erledigung des Verfahrens erklärt hatte, weil der Schriftsatz erst am 2. Juni 2020 beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin einging. Darüber wurde u. a. gesprochen.

Die Kosten werden daher auf der Grundlage des Gegenstandswerts von EUR 5.000,00 wie folgt festgesetzt:

  • eine 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV RVG in Höhe von 484,80 EUR (wie beantragt)
  • eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3516 VV RVG in Höhe von 363,60 EUR
  • eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen nach Nr. 7002 W RVG in Höhe von 20,00 EUR

Der sich daraus ergebende Betrag beläuft sich auf 868,40 EUR. Diesem Betrag ist nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. Nr. 7008 VV RVG die Umsatzsteuer von 19 % hinzuzurechnen (=165,00 EUR).

Somit ergibt sich die Festsetzung eines Gesamtbetrages in Höhe von EUR 1.033,40.

Die Verzinsung war gemäß § 23 Rechtsverordnung zur Ausführung des Kirchengesetzes über die Errichtung eines Verfassungs- und Verwaltungsgerichtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (Verfahrensordnung), § 173 VwGO, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 247 BGB auszusprechen.

Grundlegende Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen müssen in Rechtsnormen geregelt sein, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 07.07.2021, Az. 2 C 2.21

Kommentar zur Entscheidung:

Dienstliche Beurteilungen sind elementar für das gesamte Beamtenrecht. Sie sind ausschlaggebend für Ernennungen, Beförderungen, insbesondere für die Auswahl bei Konkurrentenstreitigkeiten. § 25 Abs. 1 Nr. 8 LBG RLP überlässt es aber trotz dieser großen Bedeutung der Landesregierung in der Laufbahnverordnung die Details zu dienstlichen Beurteilungen festzulegen. Der Gesetzgeber hat lediglich entschieden, dass diese Beurteilungen – wenn sie auf Grundlage einer dem Landtag ja noch unbekannten Laufbahnverordnung erlassen wurden – nicht aus der Personalakte entfernt werden dürfen.

Die Entscheidung hat Auswirkungen auf alle Beamtenverhältnisse in Rheinland-Pfalz und möglicherweise auch für die Bereinigung von Personalakten. Ob auch Beamtenverhältnisse anderer Bundesländer von der Rechtsprechung profitieren können, muss noch abgewartet werden bis der Volltext der Entscheidung veröffentlich ist.

„Grundlegende Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen müssen in Rechtsnormen geregelt sein, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 07.07.2021, Az. 2 C 2.21“ weiterlesen

Leserforum, NJW-aktuell 26/2021, 10

Foto des Leserbriefs

Zu Rixen/Schüller/Wagner, NJW 2021, 1702. Vielen Dank den drei Autoren für die Aufarbeitung der Aufarbeitung. Die äußerungsrechtlichen Fragen rund um Veröffentlichungen von Abschluss- und Zwischenberichten beleuchten die eine Seite. Der Absatz zum Archivrecht die andere. Dazwischen liegt nicht nur in tatsächlicher Hinsicht, sondern auch in juristischer Hinsicht viel Schatten und Dunkel. Denn es gab und gibt ja auch kircheninterne Wege und Verfahren Ansprüche und Fehlverhalten aufzuklären. Insbesondere die kirchlichen Disziplinargerichte nehmen für sich in Anspruch, dass sie den staatlichen Rechtsweg verdrängen. Aus staatlicher Sicht sind sie ihm jedenfalls aber vorgelagert, weil der kirchliche Instanzenzug auszuschöpfen ist.

Ob und welche Verfahren aber vor kirchlichen Gerichten geführt werden, ist kaum dokumentiert.

Die schon bei staatlichen Gerichten vernachlässigte Veröffentlichungspraxis versagt bei kirchlichen Gerichten nahezu vollständig. Weder interne noch externe Stellen dokumentieren das gesprochene Recht vollständig.

Es ist an der Zeit auch dort anzusetzen und für Licht zu sorgen: lassen Sie uns von Innen und von Außen auf die Veröffentlichung hinwirken. Geheime kirchengerichtliche Entscheidungen gehören nicht in unsere Zeit. Sie schwächen den Rechtsschutz und zugleich Vertrauen und Aufarbeitungsbemühungen. Es braucht ein aggiornamento – eine Öffnung der Kirchen – auch in der Veröffentlichungspraxis der kirchlichen Justiz.

Fachanwalt für Verwaltungsrecht Robert Hotstegs, Düsseldorf,
ehemaliges stellvertretendes Mitglied der Synode der EKD

„Leserforum, NJW-aktuell 26/2021, 10“ weiterlesen

erste online-Verhandlung

Diese Zusammenfassung basiert auf einem Twitter-Thread vom 31.05.2021.


Hosianna!

Am 31.05.2021 hatten wir die erste mündliche Verhandlung als Videokonferenz.

Interessanterweise vor einem Kirchengericht. Bis heute haben alle staatlichen Gerichte unsere Anträge abgelehnt.

Ein Praxiseinblick von Rechtsanwalt Robert Hotstegs:

zum Prozessrecht:

Das Kirchliche Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens hat die mündliche Verhandlung gem. § 75 KVwGG i.V.m. § 102a VwGO als Videoverhandlung anberaumt.

Die „Gestattung“ erfolgte auf Antrag von unserer Seite. Sie erfolgte nicht innerhalb der Ladung oder durch Beschluss, sondern konkludent durch Übermittlung einer Zoom-Einladung. Eine Woche nach der Verhandlung ist die schriftliche Verfügung des Gerichts eingegangen. Die Verzögerung war wohl dem Postlauf geschuldet.

zur Technik:

Es wurde die Zoom-Standardeinladung verwendet. Dort ist auch der Hinweis auf die Einwahl per Telefon enthalten. Würde man dies nutzen, wäre der Übertragung „in Bild und Ton […] in das Sitzungszimmer“ nicht genügen.

Das Gericht hat 2 Rechner mit 2 Kameras und ein Saalmikrofon verwendet. Kamera 1 hat alle Personen im Saal abgebildet, Kamera 2 den Vorsitzenden.

Hier wurde ein Desktop mit Webcam und Headset verwendet. Die Gegenseite war im Saal anwesend.

zum Ablauf:

Als Konferenzteilnehmer:innen waren in Zoom von Dresden aus die IT-Abteilung, die Geschäftsstelle, das Gericht (2x) und von Düsseldorf aus Rechtsanwalt Robert Hotstegs eingewählt.

Ursprünglich war die IT der Host, nach Tische- & Mikrofonrücken und dem Beginn der Verhandlung hat sie sich ausgeklinkt und dem Vorsitzenden die Host-Funktion übertragen.

Die gesamte Videokonferenz dauerte ca. 1:45 h, ca. 15 Min. Einrichtung und Technik im Saal, 1:30 Verhandlung.

Es fand keine Zeugenvernehmung oder Beweiserhebung statt, im Mittelpunkt stand die Erörterung der Sach- und Rechtslage. Die Verhandlung ist noch nicht abgeschlossen. Die Parteien haben Zeit für eine gütliche Einigung erhalten, für den Fall, dass eine Einigung nicht zustande kommt aber bereits auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet (§ 45 Abs. 2 KVwGG).

erstes Fazit:

Es ist großartig, dass ein kirchliches Verwaltungsgericht von der online-Verhandlung Gebrauch macht. Überraschend, dass es in unseren Mandaten das allererste Gericht ist.

Auch wenn Dresden immer eine Reise wert ist, stehen Fahrt- und Reiseaufwand selten in einer sinnvollen Relation. Bild- und Tonübertragung waren für eine konstruktive Verhandlung gegeben, mehr Mikrofone im Saal würden die Qualität noch deutlich verbessern können.

Kurzum: Test gelungen!

Keine Kettenabordnungen im Beamtenrecht, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 27.04.2021, Az. 7 K 6/21.TR

Porta Nigra, Trier

Eine Beamtin oder ein Beamter hat eine Dienststelle. An diesem Ort ist der tägliche Dienst zu verrichten. Bei Lehrer:innen ist dies die jeweilige Schule. Der der Dienstherr – üblicherweise das jeweilige Bundesland – groß ist und viele Schulen unterhält, sind auch Wechsel der Dienststellen möglich. Je nach Art und Weise der Entscheidung handelt es sich dabei um Versetzungen oder um Abordnungen. In einem Verfahren, das nun das Verwaltungsgericht Trier zu entscheiden hatte, hatte die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) einen rheinland-pfälzischen Lehrer bereits über eine Dauer von mehr als fünf Jahren von seiner Stammschule aus an zwei andere Schulen abgeordnet. Schließlich sollte er an eine dieser beiden Schulen versetzt und dann an die andere Schule teilabgeordnet werden. Der Widerspruch des Lehrers war erfolglos, die Klage gegen Versetzung und Teilabordnung hatte vollumfänglich Erfolg.

Das Verwaltungsgericht Trier hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass eine Abordnung aus dienstlichen Gründen zwar grundsätzlich möglich ist und dem Dienstherrn auch ein weites Ermessen zusteht. Aber einerseits seit mit nun über fünf Jahren die zeitliche Grenze des § 29 LBG RLP überschritten, andererseits sei auch – bezogen auf die Versetzung – der dienstliche Grund nicht ersichtlich, wenn an einer Schule gerade kein Bedarf für einen „vollen“ Lehrer bestehe und dieser daher sogleich wieder an eine andere Schule teilabgeordnet werde.

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