Kein Lebensarbeitszeitkonto für Richter, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 12.01.2023, Az. 2 C 22.21

Richter haben keinen Anspruch auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos und auf Gutschrift von Zeitguthaben. Deshalb ist nach Eintritt in den Ruhestand auch für einen finanziellen Ausgleichsanspruch gegen den Dienstherrn kein Raum. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Justizdienst des beklagten Landes Hessen, zuletzt als Richter am Landgericht. Noch während seines aktiven Richterdienstes stellte er einen Antrag auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos sowie auf Gutschrift eines Zeitguthabens entsprechend den Regelungen für Hessische Landesbeamte. Antrag, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Ein finanzieller Ausgleichsanspruch wegen unterbliebener Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos besteht nicht. Die einschlägigen Vorschriften für hessische Beamte sind auf den Kläger als Richter nicht anwendbar. Richter müssen sich ebenso wie Beamte mit ihrer ganzen Kraft dem Amt widmen. Der Umfang des geschuldeten richterlichen Einsatzes wird aber nach Arbeitspensen bemessen und richtet sich – anders als bei Beamten – nicht nach konkret vorgegebenen Arbeits- bzw. Dienstzeiten. Ein Lebensarbeitszeitkonto setzt jedoch die normative Festlegung einer Wochenarbeitszeit voraus.

Pressemitteilung Nr. 3/2023

Schadensersatz wegen verzögerter Reaktivierung eines vorzeitig pensionierten Beamten, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 15.11.2022, Az. 2 C 4.21

Wird ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzter Beamter wieder dienstfähig und beantragt er seine Reaktivierung (erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis), hat der Dienstherr dem Antrag zu entsprechen, sofern dem nicht ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. In diesem Rahmen hat der Dienstherr nur zu prüfen, ob es an jeglicher zumutbaren Verwendungsmöglichkeit fehlt. Dagegen darf er die Reaktivierung nicht solange hinausschieben, bis er tatsächlich einen dem Statusamt des Beamten entsprechenden Dienstposten gefunden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger, ein Studiendirektor, wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im darauffolgenden Jahr stellte der Dienstherr im Anschluss an eine amtsärztliche Untersuchung die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fest. Knapp sieben Monate später – nachdem für ihn eine Einsatzschule gefunden war – wurde der Kläger reaktiviert.

Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und der Besoldung für den Zeitraum zwischen der Feststellung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und der Reaktivierung. Sein Begehren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwar verletzt das Berufungsurteil revisibles Recht, die Ablehnung des Anspruchs auf Schadensersatz erweist sich aber aus anderen als den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen als im Ergebnis richtig. Die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten nach § 29 Abs. 1 BeamtStG setzt einen – nicht notwendig schriftlichen – Antrag des Beamten sowie die auf einem ärztlichen Gutachten basierende Feststellung voraus, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. In diesem Verfahren ist ferner nur noch zu prüfen, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellen wird, für den zu reaktivierenden Beamten durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen. Dagegen hängt die Reaktivierung nicht davon ab, dass für den Beamten auch ein seinem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird.

Dass im vorliegenden Fall das beklagte Land hiervon nicht ausgegangen ist, kann ihm im Rahmen eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs nicht als schuldhaft angelastet werden. Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur überhaupt Ausführungen zum Prüfprogramm in derartigen Fällen gemacht worden waren, ergaben sich hieraus keine eindeutigen und zugleich dem dargestellten Maßstab entsprechende Anforderungen.

Pressemitteilung Nr. 68/2022 vom 15.11.2022

Menschen aus Düsseldorf: Das verschwundene Gericht, Rheinische Post v. 25.10.2022

Pempelfort. Der Anwalt Robert Hotstegs ist auf der Suche nach der ehemaligen Bundesdisziplinarkammer, die bis 1967 in Düsseldorf saß. Von der gibt es kaum Spuren – wohl auch, weil die Richter mithalfen, NS-Verbrechen zu vertuschen. 

von Marc Ingel

Robert Hotstegs kennt sich aus mit Beamtenrecht, seine Kanzlei an der Mozartstraße ist darauf spezialisiert. Das Disziplinarverfahren gegen einen Feuerwehrmann, die längst verdiente, aber nicht gewährte Beförderung im öffentlichen Dienst, der Lehrer, dem Nähe zum Reichsbürgertum vorgeworfen wird – bei solchen Verfahren ist die Hotstegs-Rechtsanwaltsgesellschaft Ansprechpartner. „Klingt etwas spröde, muss es aber nicht sein“, sagt Hotstegs.

Alles andere als öde ist jedenfalls auch das, womit sich Hotstegs seit ein paar Monaten quasi so nebenbei in seiner Freizeit beschäftigt. Er sucht ein verloren gegangenes Gericht, das rein thematisch eng verbunden ist mit seiner tagtäglichen Arbeit: Disziplinarrecht im weitesten Sinne. Es geht dabei um die Bundesdisziplinarkammer X (für römisch zehn), die von 1953 bis 1967 ein eigenständiges Bundesgericht in Düsseldorf war und zuerst in der Oberpostdirektion (heute GAP 15) und später in der Oberfinanzdirektion (inzwischen Bau- und Heimatministerium) ihren Sitz hatte. Nur: „Keiner weiß, was daraus geworden ist, es gibt keine Zeitzeugen, kaum Akten, erst recht keine Fotos“, sagt Hotstegs. 

INFO Verteidiger und Richter, Aktenzeichen und Akten

Hinweise Robert Hotstegs ist für alle Hinweise, die ihm bei der Suche nach der verschwundenen Bundesdisziplinarkammer X helfen, dankbar: „Ich weiß, dass Zeitzeugen rar werden. Aber vielleicht gibt es noch Erinnerungen und Spuren? Mich interessieren Verteidiger und Richter, Aktenzeichen und Akten.“ Kontakt: kanzlei@hotstegs-recht.de.

Das hat in solchen Fällen meist nur einen Grund: „Hier soll etwas unter den Teppich gekehrt werden“, vermutet der Jurist, der bislang zwar überall auf freundliches Interesse stieß, nur Antworten, die konnte ihm keiner liefern – was ihn natürlich nur noch mehr angestachelt hat, nachzubohren. Denn die obskure Disziplinarkammer hatte eben nicht nur über Fälle wie den Postbeamten, der im Dienst betrunken angetroffen wurde, oder den Bundesbahnangestellten, der falsch gekoppelt hat, zu entscheiden, sondern war auch mit der Aufarbeitung der NS-Zeit beschäftigt. Und hat sich, so weit lehnt sich Hotstegs jetzt schon aus dem Fenster, dabei nicht mit Ruhm bekleckert. „Das Gericht hat offensichtlich dazu beigetragen, Nazi-Kriegsverbrechern die Weste wieder schön rein zu waschen.“ Kein Wunder also, dass die Recherche des Anwalts so schwierig ist.

Für die Betroffenen hing viel ab von dem Urteil der Bundesdisziplinarkammer: „Nach einer Rehabilitation wurden sie wieder besoldet, blieben Rentenansprüche gültig“, so Hotstegs. Wer bei der Gestapo war, durfte nach Kriegsende nie wieder im öffentlichen Dienst arbeiten, „bei Tausenden anderen Beschäftigten sah das anders aus“. Ein Paradebeispiel für die These des Rechtsanwalts ist der Fall Gerhard Rose. Der war während des NS-Regimes Chef der Abteilung für tropische Medizin. Wegen seiner nachweislichen Beteiligung an Menschenversuchen im Konzentrationslager Buchenwald wurde er im Nürnberger Ärzteprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch siehe da: Nach der Haftentlassung 1955 wurde Rose von eben diesem Düsseldorfer Gericht plötzlich freigesprochen, auch seine Pensionsansprüche als Beamter erhielt er zurück. „Das steht in völligem Widerspruch zu dem, was über Rose bekannt war“, wundert sich Hotstegs, der in diesem Fall zumindest auf ein bisschen Literatur zurückgreifen kann. „Aber war Rose wirklich ein Einzelfall? Wohl eher nicht“, gibt sich der Hobby-Historiker selbst die Antwort.

Robert Hotstegs hat versucht, viele Quellen anzuzapfen, vom Stadtarchiv bis zur Mahn- und Gedenkstätte, vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bis zum Bundesarchiv in Koblenz. „Bis jetzt habe ich nur ganz wenig, und das ist schon erstaunlich in einer Zeit, in der die Vergangenheitsbewältigung doch so eine große Rolle spielt.“ Bis Januar wollte Hotstegs eigentlich eine Art Zwischenergebnis vorlegen, inzwischen hat er Zweifel, ob es ihm gelingt, das Mosaik bis dahin ausreichend zusammenzusetzen. „Ich stochere ein wenig im Nebel und habe ja auch noch einen richtigen Job. Aber aufgeben, das werde ich so schnell bestimmt nicht“, sagt Hotstegs.

Redebeitrag 73. Deutscher Juristentag in Bonn, Abteilung Justiz, 22.09.2022

73. Deutscher Juristentag in Bonn

Im Rahmen des 73. Deutschen Juristentages in Bonn hat die Abteilung Justiz den Themenkomplex „Empfehlen sich Regelungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz bei der Besetzung von Richterpositionen?“ bearbeitet. Hierzu lag der Abteilung ein Beschlussvorschlag vor, der u.a. folgende Aspekte beinhaltete:

IV. Konkurrentenstreit

18. Um in Konkurrentenstreitverfahren zu bundeseinheitlichen Auslegungsmaßstäben zu gelangen, sollte das Verfahren instanziell neu geordnet werden. Der Eilrechtsschutz für Konkurrentenstreitverfahren um Richterstellen in den Ländern sollte bei den Oberverwaltungsgerichten bzw. den Verwaltungsgerichtshöfen beginnen. Gegen diese Entscheidung sollte den Beteiligten die Beschwerde zum BVerwG offenstehen.

19. In Verfahren um Bundesrichterstellen sollte Rechtsschutz einschließlich des Eilrechtsschutzes nur vor dem BVerwG verortet werden.

Beschlussvorschlag der Abteilung Justiz

Hierzu hat Rechtsanwalt Robert Hotstegs folgenden Redebeitrag gehalten:

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren, mein Name ist Robert Hotstegs, ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Ich leite in Düsseldorf das Düsseldorfer Institut für Dienstrecht, ich bin ständiger Beisitzer am Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf.

Ich bin eben bei dem Beitrag zuvor ein wenig zusammengezuckt, als es ganz am Anfang hieß, dass wir eigentlich weniger Konkurrentenstreitigkeiten brauchen. Denn mein Auftakt sollte genau das Gegenteil sein: Wir brauchen mehr Konkurrentenstreitigkeiten, aber mit der Betonung darauf, dass wir mehr gute Konkurrentenstreitigkeiten brauchen. Am Ende, habe ich gemerkt, liegen wir gar nicht so weit auseinander, denn Sie wollen ja nicht den Streit als solchen verhindern, sondern Sie wollen diese, wenn ich das etwas verkürzt sagen darf, obsolet machen. Dadurch, dass eben die Qualität der Auswahlverfahren verbessert wird, da sind wir relativ nah beieinander.

Also ich möchte bei Ihnen werben für ein guten Konkurrentenstreit. Das bedeutet aus meiner Sicht – und deswegen möchte ich auch einen Änderungsantrag am Ende zu Protokoll reichen – auch, dass wir im Blick haben müssen, dass wir für das richterliche Dienstrecht nicht zusätzliche Insellösungen schaffen dürfen. Wir haben die Situation, dass wir bei Konkurrentenstreitigkeiten im Kern auch immer um die Auswahlentscheidung und die dienstliche Beurteilung streiten.

Wie sieht das aus, wenn Sie in unserer Kanzlei ein Konkurrentenstreit als Richterin oder Richter beauftragen? Dann streiten wir über Ihre dienstliche Beurteilung, womöglich vor dem Dienstgericht, weil ihre richterliche Unabhängigkeit tangiert ist. Wir streiten vor dem Verwaltungsgericht, weil die dienstliche Beurteilung im Übrigen angegriffen werden soll. Nach dem neuen Vorschlag in dem Beschlussvorschlag sollen wir dann vor dem Oberverwaltungsgericht oder dem Verwaltungsgerichtshof den Konkurrentenstreit im Eilverfahren einleiten, den Streit der Bundesrichterin und dem Bundesrichter dann bei dem Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich und letztinstanzlich. Damit entkoppeln wir aber das Richterdienstrecht ein Stückchen weiter vom Beamtenrecht.

Jetzt sagen die anwesenden Richterinnen und Richter: „Das ist ja auch richtig, wir sind keine Beamtinnen und Beamten.“ Das stimmt. Aber wir benutzen ähnliche Instrumente und wir führen aus meiner Sicht nicht den Weg dahin eine einheitliche Rechtsprechung herbeizuführen, sondern wir haben noch mehr divergierende Entscheidungen zwischen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten aus dem Beamtenrecht und dann womöglich einem erstinstanzlichen und letztinstanzlichen Bundesverwaltungsgericht bei den Bundesrichterstellen.

Das kann man machen, verkürzt aus meiner Sicht aber eben die Diskussion und das halte ich für falsch. Ich freue mich zwar, dass am Ende eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwältinnen und Anwälte herauskommt, weil sie den Anwaltszwang im Konkurrentenstreit einführen. Das begrüße ich aus egoistischen Gründen. Trotzdem werbe ich aber dafür: verzichten Sie bitte auf die Ziffer 19! Die Ziffer 19 ist, das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich für Bundesrichterstellen zuständig zu machen. Davon halte ich überhaupt nichts. Ich habe an anderer Stelle schon einmal gesagt, bei allem Respekt vor anwesenden und nicht anwesenden Bundesverwaltungsrichterinnen und Bundesverwaltungsrichtern: ich halte das Bundesverwaltungsgericht nicht für eine gute erste Instanz, dafür ist es nicht in erster Linie gemacht. Es soll aus ganz anderen Rechtsgebieten noch weitere erstinstanzliche Zuständigkeiten erhalten.

Das ist Murks, wenn wir das im Richterdienstrecht auch noch einführen würden. Denn wenn wir beklagen, dass Eilverfahren die Hauptsache ersetzten – das ist gestern ja schon angeklungen – und zugleich zu lange dauern und Sie alle darunter leiden, egal, ob als Ausgewählter, als unterlegener Konkurrent oder als Behördenleitung, als Präsident oder Direktorin/Direktor. Wenn wir das beklagten, dann ist ja nicht die Verkürzung des Instanzenzuges automatisch Garant dafür, dass die Qualität besser wird. Dann gehen wir nach dem Bundesverwaltungsgericht nochmal vor das Bundesverfassungsgericht und schaffen uns da womöglich eine faktisch weitere Instanz.

Ich meine die Stellschrauben sollten andere sein, und dann schließt der Bogen zu dem Redebeitrag vorher. Wir können die Qualität verbessern, wenn wir Rechtsnormen schaffen. Ich werbe für gesetzliche Regelungen, für den Rahmen von Beurteilungsverfahren, für den Rahmen von Ausschreibungs- und Anforderungsprofilen, wir können aber auch den gesetzlichen Rahmen schaffen für die Beschleunigung von gerichtlichen Verfahren. Out of the box ist gestern schon ein paar Mal gedacht worden. Warum kann man die Konkurrentenstreitigkeiten nicht schneller führen? Zum Beispiel als Anleihe aus dem arbeitsgerichtlichen Prozess? Ich halte einen Gütetermin innerhalb von drei Wochen durchaus für denkbar. Da kann man Anleihen nehmen und das Verfahren beschleunigen und sich sogar zwei Instanzen gönnen.

Wir haben gute Richterinnen und Richter. Und ich glaube wir tun gut daran, wenn wir auch mehrere Instanzen auf Auswahlentscheidungen schauen lassen. Mein Änderungsantrag soll deswegen lauten, in der Ziffer 18 die Textstelle, dass „um Richterstellen in den Ländern vor OVG/VGH und Bundesverwaltungsgericht“ gestritten werden soll, zu ersetzen mit „um Richterstellen im Bund und in den Ländern“. Und siehe da, die Ziffer 19 kann entfallen. Wir entlasten das Bundesverwaltungsgericht von einer weiteren ersten Instanz. Danke sehr!

Die Abteilung ist dem Änderungsantrag nicht gefolgt und hat mit Mehrheit beschlossen, die Verlagerung des Instanzenzuges für Landesrichter:innen-Stellen auf Oberverwaltungsgericht/Verwaltungsgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht zu empfehlen, für Bundesrichter:innen-Stellen aber das streitige Verfahren ausschließlich erst- und letztinstanzlich auf das Bundesverwaltungsgericht zu verlagern.

Anspruch auf Generalsdienstposten nach förderlicher Auswahlentscheidung, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 06.09.2022, Az. 1 WB 29.21

Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag in einer interessanten Konstellation darüber entschieden, dass die letzte Versetzung eines Soldaten vor seiner Versetzung in den Ruhestand rechtswidrig war. Häufig besteht in derartigen Konstellationen schon kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der frühere Soldat / die frühere Soldatin nicht (mehr) in ihren Rechten verletzt ist und ein sogenanntes Fortsetzungsfeststellungsinteresse häufig nicht zur Überzeugung der Gerichte dargelegt werden kann. Auch ist es häufig schwierig die hier festgestellte „Anwartschaft auf eine Beförderung“ darzulegen.

Im vorliegenden Fall eröffnet aber die Beweisaufnahme und die nun getroffene Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts sogar die Möglichkeit für den Betroffenen vor den ordentlichen Verwaltungsgerichten eine nachträgliche Beförderung bzw. Schadensersatz hierfür zu erstreiten.

Weil derartige Fragestellungen grundsätzliche Bedeutung haben, ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit womöglich durch alle Instanzen geführt wird. Dann könnte er auch am Ende erneut beim Bundesverwaltungsgericht landen, zuständig wäre dann dort aber der Beamtenrechtssenat.

Die Pressemitteilung Nr. 55/2022 vom 06.09.2022 lautet im Volltext:

Der 1. Wehrdienstsenat hat heute dem Antrag eines Generalleutnants a.D. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner letzten dienstlichen Versetzung stattgegeben. Der Generalleutnant a.D. ist vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber eines NATO-Kommandos in Europa auf einem Generalsdienstposten (B 10) eingesetzt worden und hat in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt (sog. „temporary rank“). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant („Drei-Sterne-General“) zum General („Vier-Sterne-General“) befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 vom Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) nach Berlin auf eine mit B 9 dotierte Position zurückversetzt und später als Generalleutnant in den Ruhestand verabschiedet worden.

Diese Versetzung war rechtswidrig. Der 1. Wehrdienstsenat hat durch Vernehmung mehrerer hochrangiger Zeugen – insbesondere des früheren und gegenwärtigen Generalinspekteurs der Bundeswehr und des ehemaligen Staatssekretärs – die Umstände aufgeklärt, die zur Auswahl des Antragstellers zum Befehlshaber des NATO-Hauptquartiers in Brunssum geführt haben. Danach ist er im Frühjahr 2018 in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. Vielmehr muss er die Auswahlentscheidung gegen sich gelten lassen und kann den ausgewählten Bewerber, der eine Anwartschaft auf eine Beförderung erworben hat, nicht ohne Weiteres wieder auf einen Dienstposten mit geringerer Dotierungshöhe versetzen.

Die Versetzung vom März 2020 war auch nicht ausnahmsweise deswegen zulässig, weil die ursprüngliche förderliche Auswahlentscheidung im April 2019 einvernehmlich in eine reine Querversetzung abgeändert worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damals zwar bei einem Gespräch mit der Verteidigungsministerin die Dauer der Verwendung im NATO-Hauptquartier einvernehmlich von drei Jahren auf elf Monate verkürzt worden. Hingegen ist ein Ausbleiben der Beförderung nicht besprochen worden. Eine Umwandlung der förderlichen Auswahlentscheidung in eine vorübergehende höherwertige Verwendung wurde auch nicht verfügt. Lediglich soweit der Antragsteller die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer in seiner Versetzung nach Brunssum angegriffen hat, blieb sein Antrag ohne Erfolg.

Über die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die von ihm beantragte Beförderung hatte, hatte der 1. Wehrdienstsenat nicht zu entscheiden. Diese Frage ist Gegenstand eines beim Verwaltungsgericht Berlin anhängigen Rechtsstreits. Die dem zugrundeliegende Aufteilung des Rechtswegs ergibt sich aus § 17 Abs. 1 WBO und § 82 Abs. 1 SG.

Wann ist eine Lehrerin eine Lehrkraft?, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 16.08.2022, Az. 7 K 1500/22.TR

Porta Nigra, Trier

Sind alle Lehrerinnen und Lehrer Lehrkräfte? Die Frage ließe sich bei einer Umfrage in der Öffentlichkeit wohl schnell und eindeutig mit „Ja“ beantworten. Tatsächlich kommt das Verwaltungsgericht Trier in einer aktuellen Entscheidung zum gegensätzlichen Ergebnis. Denn Lehrkräfte seien nur diejenigen, die auch in Schulen im Unterricht eingebunden seien, sozusagen „Dienst an der Tafel“ tun (auch wenn der Unterricht heute typischerweise anders aussieht). Für diese halte das Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz eine vorgezogene Altersgrenze für den Ruhestand bereit. Nicht begünstigt würden aber diejenigen, die nicht mehr im Schulbetrieb tätig sind.

Die Rückfrage stellt sich daher: welche Lehrer:innen gäbe es denn sonst und kann das Ergebnis richtig sein?

Im konkreten Fall war eine Lehrerin dienstunfähig erkrankt. Die Erkrankung war von langer Dauer und es ist auch davon auszugehen, dass sie nicht heilbar ist. Aus diesem Grund hatte das Land schon in den Vorjahren zu prüfen, ob die betroffene Lehrerin in den Ruhestand versetzt werden müsse. An dieser Stelle sieht das Beamtenrecht vor, dass eine anderweitige Verwendung zu prüfen ist („Verwendung vor Versorgung“). Die Lehrerin war dienstfähig etwa für Verwaltungsaufgaben. Daher wurde sie an eine Verwaltungsbehörde des Landes versetzt und versieht dort seit über zehn Jahren ihren Dienst.

Das Land hatte entschieden, sie in der Laufbahn der Lehrerin zu belassen, sie wurde nicht etwa in die allgemeine Verwaltungslaufbahn versetzt. Somit sitzt nun in der Landesbehörde eine Lehrerin, die aber gerade keinen „Dienst an der Tafel“ erbringt.

Weil aber der Gesetzgeber eine vorgezogene Altersgrenze für „Lehrkräfte“ vorgesehen hat und die Behörde die Anwendung der vorgezogenen Altersgrenze ablehnte, kam es zum Streit.

Das Verwaltungsgericht Trier hat in seiner Entscheidung nun ebenfalls die Anwendung abgelehnt.

Vor allem aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Ruhestand von „Lehrkräften“ an Schuljahreszeiten orientiert habe, lasse sich ableiten, dass noch ein aktiver Schuldienst erforderlich sei.

Diese Auslegung ist sicherlich möglich, auch wenn sie von uns nicht geteilt wird. Aber das Ergebnis überrascht dann doch:

Im Fall der Klägerin soll diese nun, obwohl sie im Schuldienst erkrankte und schuldienstunfähig wurde, nicht von der besonderen Altersgrenze profitieren, sondern über die Lehrkraft-Altersgrenze hinaus beschäftigt werden.

Ein ebenfalls schuldienstunfähig erkrankter Lehrer unmittelbar vor Erreichen der Lehrkraft-Altersgrenze wird aber gerade nicht in den Verwaltungsdienst versetzt, sodass seine Arbeitskraft dem Land noch erhalten bliebe, er wird in den Ruhestand versetzt.

Dass also gerade eine Person aus dem Anwendungsbereich herausfallen soll, bei der sich das gesundheitliche Risiko des Lehrer:innenberufs nachweislich realisiert hat, erscheint widersprüchlich.

Hätte der Gesetzgeber die Anwendung der besonderen Lehrkraft-Altersgrenze nur für gesunde Lehrer:innen regeln wollen, wäre die entsprechende Norm wohl nicht im Landesbeamtengesetz, sondern im Rahmen der „Verwendung vor Versorgung“-Prüfung im Landesbeamtenversorgungsgesetz zu verorten gewesen. Dann wären nämlich alle erkrankten Lehrer:innen in die Verwaltung zu versetzen und die besondere Lehrkraft-Altersgrenze wäre zwingend zu umgehen.

Der Begriff der „Lehrkraft“ im Sinne des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes ist nun erstmalig gerichtlich ausgelegt worden. Dennoch hat das Verwaltungsgericht Trier die Berufung zum Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.

Wir haben daher wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit empfohlen, den Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Die wesentlichen Ausführungen des Urteils lauten im Volltext:

Die … Klägerin begehrt die Feststellung, dass für sie die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft gilt und sie mit Ablauf des 31. Juli 2025 in den Ruhestand tritt.

Sie wurde nach erfolgreich abgeschlossenem Hochschulstudium und anschließendem Vorbereitungsdienst … 1986 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Realschullehrerin zur Anstellung ernannt und in der [A-Realschule] eingesetzt. Mit Wirkung vom 1. Februar 1989 erfolgte die Ernennung zur Realschullehrerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. In der Zeit vom … und … war die Klägerin zum Zwecke der Kinderbetreuung/Elternzeit vom Schuldienst beurlaubt. Ab dem 2. September 2009 war sie arbeitsunfähig erkrankt und wurde nach einem kurzzeitigen zwischenzeitlichen Dienstantritt für schuldienstunfähig befunden, weshalb sie zunächst im Zeitraum vom 29. August 2011 bis zum 28. Februar 2013 mit je 20 Wochenstunden an die [Landesbehörde 1] mit Dienstsitz in Bad Kreuznach und [Landesbehörde 2] mit Dienstsitz in Mainz abgeordnet wurde. In der Zeit vom 28. Februar 2013 bis zum 30. April 2015 wurde sie sodann in Vollzeit an die [Landesbehörde 1] abgeordnet. Mit Wirkung vom 1. Mai 2015 erfolgte die Versetzung unter Beibehaltung der Amtsbezeichnung an die [Landesbehörde 3]. Nach Auflösung der Stabsstelle … wurde die Klägerin in das Referat … umgesetzt. Mit Schreiben vom 5. September 2016 wurde ihr der Status einer Referentin übertragen.

Mit E-Mail-Schreiben vom 16. August 2019 ersuchte die Klägerin den Beklagten um Auskunft über das korrekte Datum ihres Ruhestandseintritts, welches sie unter Anwendung der besonderen Altersgrenze für Lehrkräfte auf den Ablauf des 31. Juli 2025 datierte. Mit E-Mail-Schreiben vom 19. August 2019 und vom 27. Januar 2022 wies der Beklagte darauf hin, dass für die Klägerin angesichts ihrer Tätigkeit als Verwaltungsbeamtin auf die für den Verwaltungsdienst geltenden Altersgrenzen abzustellen sei, weshalb sie erst mit Ablauf des Monats Oktober 2026 in den Ruhestand treten werde. Daraufhin bat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 28. Januar 2022 um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides unter Angabe der Rechtsgrundlage.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2022 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin durch ihre Versetzung in den Verwaltungsdienst zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand wegen Schuldienstunfähigkeit aus dem Schulbereich dauerhaft aus- und in die Verwaltung eingegliedert worden sei. Die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte stehe als Ausgleich zu den besonderen Belastungen der ausgeübten Tätigkeit. Bei einer ehemaligen Lehrkraft, die zur Vermeidung einer Frühpensionierung dauerhaft nicht mehr im Schuldienst tätig sei, seien die lehramtsspezifischen Belastungen nicht mehr gegeben und die Voraussetzungen für die besondere Altersgrenze nicht mehr erfüllt. Dass sich diese auf Lehrkräfte im originären Schuldienst beziehe, ergebe sich allein schon daraus, dass mit dem gesetzlichen Ruhestandseintritt zum Schuljahresende ein klarer Bezug zum unterrichtlichen Einsatz hergestellt werde. Unter Zugrundelegung der für Mitarbeiter im allgemeinen Verwaltungsdienst geltenden Altersgrenze werde diese im Fall der Klägerin mit Ablauf des Monats Oktober 2026 erreicht.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. März 2022 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass sie trotz ihrer Versetzung nach wie vor das Statusamt einer Realschullehrerin innehabe und ein Laufbahnwechsel nicht erfolgt sei, weshalb für sie die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte Anwendung finden müsse. Auch wenn sie seit ihrer Versetzung mit laufbahnfremden Aufgaben betraut sei, gelte sie weiterhin als Lehrkraft im Sinne der beamtenrechtlichen Vorschriften. Eine tatsächliche oder gar aktive Beschäftigung sei hierfür keine Voraussetzung.

Mit am 26. April 2022 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 14. April 2022, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, wonach innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Mainz erhoben werden könne, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er in Ergänzung der im Bescheid vom 8. Februar 2022 genannten Gründe im Wesentlichen aus, dass zwischen dem Statusamt und der konkreten Beschäftigung zu unterscheiden sei. Die Klägerin führe weiterhin die Amtsbezeichnung „Realschullehrerin“ und sei weiter der Laufbahn der Fachrichtung Bildung und Wissenschaft zugeordnet, allerdings aus dem Schulbereich ausgegliedert und im Verwaltungsdienst eingesetzt. Da sie nicht mehr als aktive Lehrerin arbeite, könne die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte auf sie keine Anwendung finden, was bereits aus dem Wortlaut folge und sich auch aus Sinn und Zweck der Regelung ergebe. Die Regelung knüpfe nicht an die Amtsbezeichnung an, sondern an die konkrete Tätigkeit im Schuldienst.

Am 9. Mai 2022 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Mainz erhoben, welches sich durch Beschluss vom 23. Mai 2022 – 4 K 280/22.MZ – für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen hat, bei dem die Akten am 27. Mai 2022 eingegangen sind.
Zur Begründung ihrer Klage verweist die Klägerin auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren und trägt darüber hinaus im Wesentlichen vor, dass der Gesetzeswortlaut entgegen der Auffassung des Beklagten eine aktive Tätigkeit als Lehrerin für die Anwendbarkeit der besonderen Altersgrenze nicht zur Voraussetzung mache. Folgte man der Rechtsauffassung des Beklagten, könnten sich auch erkrankte oder beurlaubte Lehrer nicht auf die Altersgrenze für Lehrkräfte berufen, da sie sich nicht im aktiven Dienst befänden. Aufgrund der wiederholt geäußerten Rechtsauffassung des Beklagten, die ihr derzeit die Möglichkeit einer persönlichen und wirtschaftlichen Ruhestandsplanung nehme, bestehe auch ein Feststellungsbedürfnis. Demgegenüber sei es ihr nicht zumutbar, erst bei Erreichen der aus ihrer Sicht für sie geltenden Altersgrenze einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zu stellen, dessen Ablehnung abzuwarten und sodann um Rechtsschutz nachzusuchen.


Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 8. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2022 festzustellen, dass für sie die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft gilt.


Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und trägt darüber hinaus vor, dass – anders als die Klägerin – erkrankte oder beurlaubte Lehrer nicht dauerhaft aus dem Schuldienst ausgegliedert seien. Erst im Falle der Dienstunfähigkeit als Lehrkraft würden dauerhaft erkrankte Lehrer – wie es bei der Klägerin der Fall gewesen sei – auf Dauer aus dem Schuldienst ausgegliedert. Unbeschadet dessen sei die erhobene Feststellungsklage bereits nicht statthaft und scheitere am Grundsatz der Subsidiarität. Schließlich könne die Klägerin – bezogen auf die Regelungen für den allgemeinen Verwaltungsdienst – ihre wirtschaftlichen Verhältnisse durchaus planen und auch Prognoseberechnungen anfordern.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten verwiesen. Ferner wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (hierzu I.), aber unbegründet (hierzu II.).


I. Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (Gesetz in der vom 1. August 2022 bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung (BGBl. I S. 4650) – VwGO –) statthaft. Bei der Frage, ob für die Klägerin die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft i.S.v. § 37 Abs. 1 S. 4 des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes (Gesetz vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2021 (GVBl. S. 637) – LBG –) gilt und sie infolgedessen bereits zum 31. Juli 2025 das nach dem Gesetz maßgebliche Alter zum Eintritt in den Ruhestand erreicht, handelt es sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (vgl. VG Bremen, Urteil vom 11. April 2017 – 6 K 1692/15 –, juris Rn. 18).

Die Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO subsidiär, da sich der Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze unmittelbar kraft Gesetzes vollzieht, ohne dass es eines Antrags des Beamten oder eines auf die Zurruhesetzung gerichteten Verwaltungsakts bedarf (vgl. OVG RP, Beschluss vom 31. August 2020 – 2 B 10821/20.OVG –, juris Rn. 6; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 2022 – 6 A 1132/20 –, juris Rn. 37; vgl. allgemein für die Feststellung der gesetzlichen Altersgrenze: BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007 – 2 C 28.05 –, juris Rn. 9).

Daneben kann die Klägerin im Wege der Anfechtungsklage die Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2022 geltend machen, mit denen der Beklagte rechtsverbindlich festgestellt hat, dass in ihrem Fall die Regelaltersgrenze und nicht die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft Anwendung finde.

Die Klage ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes (sowohl rechtliches als auch wirtschaftliches) Interesse an der gerichtlichen Feststellung des Zeitpunkts des Eintritts in den Ruhestand und kann den Streit über die in ihrem Fall geltende Altersgrenze auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt einer gerichtlichen Klärung zuführen, da der Beklagte eine andere Auffassung als die Klägerin vertritt und diese ihr künftiges Verhalten an der begehrten Feststellung orientieren will (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007, a.a.O.; BayVGH, Urteil vom 11. November 2014 – 3 BV 12.1195 –, juris Rn. 46).

Schließlich hat die Klägerin die bei allen Klagen von Beamten aus dem Beamtenverhältnis einzuhaltende Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO (vgl. hierzu VG Trier, Urteil vom 22. September 2009 – 1 K 365/09.TR –, juris Rn. 22) gewahrt, indem die Klage am 9. Mai 2022 beim Verwaltungsgericht Mainz eingegangen ist, an das sie auch adressiert war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 C 37.00 –, juris Rn. 13). Dass die Akten nach Verweisung des Verwaltungsgerichts Mainz erst am 27. Mai 2022 beim gemäß § 52 Nr. 4 VwGO örtlich zuständigen erkennenden Gericht eingegangen sind, ist demgegenüber unerheblich, da gemäß § 83 S. 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 1 S. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) – GVG –) die Wirkungen der beim unzuständigen Gericht eingetretenen Rechtshängigkeit nach der Verweisung bestehen bleiben (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 24. Juli 1963 – VI C 190.60 –, juris). Hinzukommt im vorliegenden Fall, dass die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Sitzes des anzurufenden Gerichts unrichtig war, weshalb ohnehin die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO galt.

II. Die Klage ist allerdings unbegründet, da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung hat. Die für Lehrkräfte geltende Altersgrenze gemäß § 37 Abs. 1 S. 4 LBG findet in ihrem Fall keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift gilt für Lehrkräfte als Altersgrenze das Ende des Schuljahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden.


Vorliegend ist die Klägerin seit ihren Abordnungen und der letztendlichen Versetzung an die [Landesbehörde 3] nicht (mehr) als Lehrkraft im Sinne der Vorschrift anzusehen. Die Anwendbarkeit der besonderen Altersgrenze richtet sich, anders als die Klägerin meint, nicht nach dem Statusamt, sondern nach dem übertragenen Amt im konkret-funktionellen Sinn, das dem Schuldienst zuzuordnen sein muss (ebenso für die vergleichbaren Vorschriften in den entsprechenden Landesgesetzen: VG München, Beschluss vom 2. September 2015 – M 5 E 15.3218 –, juris Rn. 24; VG Stuttgart, Urteil vom 23. April 2020 – 1 K 11536/18 –, juris Rn. 21). Dies folgt bereits aus der Verwendung des Begriffs der Lehrkraft, der in Verbindung mit der Anknüpfung der Altersgrenze an das Ende des Schuljahres nahelegt, dass hiermit nur Personen erfasst sein sollen, die zum Zeitpunkt, zu dem sie die Altersgrenze erreichen, neben der Laufbahnzugehörigkeit auch eine schuljahresbezogene Tätigkeit ausüben und in erster Linie Unterricht erteilen (vgl. auch VG München, a.a.O.). Hierfür spricht auch die Aufgabenbestimmung einer Lehrkraft in § 25 Abs. 1 S. 1 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes (Gesetz vom 30. März 2004 (GVBl. S. 239), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2020 (GVBl. S. 719) – SchulG –), wonach die Lehrkräfte Erziehung und Unterricht der Schülerinnen und Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung gestalten.

Diesem Begriffsverständnis stehen die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zitierten Normen nicht entgegen, denn sie besagen nichts darüber, wie der Begriff der Lehrkraft in § 37 Abs. 1 S. 4 LBG zu verstehen ist. Soweit die Klägerin aus Ziffer 1.1 der Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung vom 22. Juni 2019 – 9212/51246/30 –, GAmtsbl. 2019, S. 151 – DO-Schulen –) sowie aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 der rheinland-pfälzischen Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung vom 30. Juni 1999 (GVBl. S. 148), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juni 2020 (GVBl. S. 212) – LehrArbZVO –, die Schlussfolgerung zieht, dass es auch Lehrkräfte außerhalb der von den Vorschriften erfassten Regelungsbereiche geben müsse, da andernfalls eine Differenzierung nicht erforderlich gewesen sei, folgt das Gericht dem nicht. Die Differenzierung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 LehrArbZVO, wonach die angeführten Vorschriften der LehrArbZVO für die an öffentlichen Schulen oder an anerkannten Ersatzschulen in freier Trägerschaft oder im Krankenhaus- und Hausunterricht tätigen Lehrkräfte gilt, ist offenkundig im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 LehrArbZVO zu sehen, wonach die Verordnung – neben den in Nr. 1 genannten Lehrkräften – auch für die an staatlichen Studienseminaren für die Lehrämter an Schulen tätigen Seminarleiter, stellvertretenden Seminarleiter und Fachleiter im unmittelbaren und mittelbaren Beamtenverhältnis des Landes Rheinland-Pfalz auf Probe oder auf Lebenszeit gilt. Die Begriffsdefinition in Ziffer 1.1 der DO-Schulen, wonach Lehrkräfte im Sinne der Dienstordnung alle Personen sind, die an der Schule Unterricht erteilen, bestätigt sogar das obige Begriffsverständnis.

Die Richtigkeit dieses Begriffsverständnisses wird darüber hinaus durch Sinn und Zweck der Vorschrift des § 37 Abs. 1 S. 4 LBG bestätigt. Anders als bei der Regelaltersgrenze liegt besonderen gesetzlichen Altersgrenzen für bestimmte Beamtengruppen ausschließlich die generalisierende, auf Erfahrungswerten beruhende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, das für die Dienstausübung erforderliche Leistungsvermögen und damit die Dienstfähigkeit dieser Beamtinnen und Beamten sei typischerweise bereits vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze nicht mehr gegeben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2008 – 2 BvR 1081/07 –, juris; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 2 C 26.07 –, juris Rn. 14). Besondere Altersgrenzen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Mitglieder der jeweiligen Beamtengruppen typischerweise besonders hohen Belastungen ausgesetzt sind, deren nachteilige Auswirkungen auf das Leistungsvermögen sich mit zunehmendem Alter verstärken (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008, a.a.O.).

Im Fall der Beamtengruppe der Lehrkräfte tritt hinzu, dass mit der Anknüpfung an das Ende des Schuljahres den organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule und den besonderen Umständen des Schulbetriebs Rechnung getragen werden soll. Die Vorschrift bezweckt erkennbar die Sicherstellung eines kontinuierlichen Schul- und Unterrichtsbetriebs, indem ein Lehrerwechsel während des laufenden Schuljahres vermieden werden soll (vgl. VG München, a.a.O.; VG Stuttgart, a.a.O.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 11. November 2014, a.a.O., Rn. 59; OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2017 – 6 A 469/16 –, juris Rn. 5).

Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist die Vorschrift des § 37 Abs. 1 S. 4 LBG nicht auf die Klägerin anwendbar, nachdem diese seit dem Jahr 2011 keine schuljahresbezogene Tätigkeit mehr ausübt und den besonderen Belastungen des Schulbetriebs nicht länger ausgesetzt ist. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass das Abstellen auf eine aktive Beschäftigung im Schuldienst zur Folge habe, dass sich auch beurlaubte oder erkrankte Lehrkräfte nicht mehr auf die besondere Altersgrenze berufen könnten, trifft dies nicht zu, da diese – anders als die Klägerin – organisationsrechtlich noch dem Schuldienst zugeordnet sind.

Dass im Zuge ihrer Versetzung kein Laufbahnwechsel erfolgt ist und sie nach wie vor das Statusamt einer Lehrerin innehat, ändert an dieser Beurteilung ebenfalls nichts. Die Anwendbarkeit der besonderen Altersgrenze setzt nach den vorstehenden Ausführungen nicht nur die Laufbahnzugehörigkeit, sondern auch eine laufbahnentsprechende Verwendung voraus (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 8. Juni 2000 – 2 C 16.99 –, juris). Eine andere Sichtweise hätte – worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat – das unbillige Ergebnis zur Folge, dass auf im Verwaltungsdienst eingesetzte Beamte abhängig von der Laufbahnzugehörigkeit trotz Ausübens derselben Tätigkeit unterschiedliche Altersgrenzen Anwendung fänden.

Hat die Klägerin nach alledem keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, kann sie auch nicht die Aufhebung des ihr Begehren ablehnenden Bescheides vom 8. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2022 verlangen, da dieser nach den vorstehenden Ausführungen rechtmäßig ist und sie nicht in ihren Rechten verletzt.

Darf man das noch sagen? Beharrliche Gehorsamsverweigerung bei Corona-Bekämpfung führt zur Dienstentfernung einer JVA-Beamtin, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 21.06.2022, Az. 3 K 802/22.TR

Porta Nigra, Trier

Eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Trier lenkt einerseits den Blick darauf, dass die Gehorsamspflicht der Beamt:innen auch bedeutet Corona-Schutzmaßnahmen zu kommunizieren, ggf. mit umzusetzen und nicht aber zu unterlaufen. Gerade bei Behörden, die von ihrer grundsätzlichen Aufgabenstellung zur Durchsetzung von Recht und Ordnung berufen sind (etwa Polizei, Justizvollzug, Zoll, Gerichte), ist hier ein strengerer Maßstab anzulegen als etwa bei Hochschulen, die den wissenschaftlichen Diskurs über die Wirksamkeit und Unwirksamkeit von Maßnahmen führen.

Andererseits führt die Entscheidung aber auch noch einmal die Geschwindigkeit von manchen Disziplinarklageverfahren vor Augen. Während das behördliche Disziplinarverfahren sich oftmals schon von Gesetzes wegen über mindestens ein halbes Jahr erstreckt, bestehen im gerichtlichen Verfahren über die Disziplinarklage nur wenige Fristen. Die vorliegende Entscheidung ist nach knapp drei Monaten ergangen.

Über die Berufung entscheidet das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Eine Revision und auch eine Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist vom Gesetzgeber in § 53 S. 4 LDG RLP ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Da die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis weitreichende wirtschaftliche (Verlust der Besoldung und Behilfe), rentenrechtliche (Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung) und sozialrechtliche (kein Arbeitslosengeld, Anspruch auf Arbeitslosengeld II) Folgen hat, beraten wir parallel zu der Disziplinarverteidigung in derartigen Verfahren auch immer zugleich über Alternativen und Auswege. Unter anderem informieren wir mit unserer „roten Karte„.

Die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts lautet im Volltext:

Die landesweit für das Disziplinarrecht zuständige 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier hat eine Justizvollzugsbeamtin, die sich u.a. geweigert hat, dienstliche Anordnungen in Bezug auf die Corona-Pandemie umzusetzen, aus dem Dienst entfernt.

Der Beamtin wurde im Rahmen des gegen sie eingeleiteten Disziplinarverfahrens zur Last gelegt, beharrlich kundgetan zu haben, sich nicht an eine Hausverfügung zur Umsetzung der 26. Corona-Bekämpfungsverordnung RLP in Bezug auf die Corona-Testpflicht nach längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz halten zu wollen. Sie werde sich auch vor dem anstehenden Einsatztraining und Dienstsport nicht testen lassen. Ihre Verweigerungshaltung äußerte sie in einer an den Leiter der JVA adressierten E-Mail, unmittelbar gegenüber ihrem Vorgesetzten sowie in einem anlassbezogenen Personalgespräch. Außerdem äußerte sie sich gegenüber Kollegen, dem unmittelbaren Vorgesetzten und dem Leiter der JVA wiederholt in hohem Maße kritisch gegen die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, indem sie die Corona-Pandemie u.a. als „Propagandazirkus, gezielte Angst- und Panikmache sowie gezielte Täuschung des Staates“ bezeichnete. Ferner riet sie Gefangenen mit der Begründung, dass der Impfstoff noch in einer experimentellen Phase stecke und ein Versuch am Menschen sei, von einer Impfung ab. Im März 2022 hat das Land beim erkennenden Gericht Klage mit dem Ziel der Entfernung der Beamtin aus dem Dienst erhoben.

Die Richter der 3. Kammer des Gerichts werteten die beharrliche Verweigerungshaltung der Beamtin sowie ihre wiederholten innerdienstlichen Äußerungen in Bezug auf die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sowie zur Impfung als einheitliches schweres Dienstvergehen, mit dem die Beamtin das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Ein Beamter müsse auch und gerade durch sein Verhalten innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordere. Dabei könne eine ernsthaft gemeinte Ankündigung eines Beamten, einer Weisung zukünftig nicht Folge leisten zu wollen – ebenso wie ein Gehorsamsverstoß selbst – bereits eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben. Die Gehorsamspflicht gehöre zum Kernbereich der einem Beamten obliegenden Dienstpflichten. Eine ernst gemeinte Verweigerungshaltung berühre im hochsicherheitsrelevanten Bereich einer JVA grundsätzlich den Kernbereich des beamtenrechtlichen Dienst– und Treueverhältnisses. Die Beamtin habe die Coronatests erkennbar nicht wegen eines damit verbundenen Eingriffs in ihre psychische oder physische Integrität oder aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt, sondern alleine, weil sie deren Sinnhaftigkeit in Zweifel gezogen habe. Es stehe ihr jedoch nicht zu, mit Überlegungen, dass das Testen oder Impfen nicht zielführend sei, da es mutmaßlich keine Corona-Pandemie gebe, die wissenschaftliche Rechtfertigung von Schutzmaßnahmen in Frage zu stellen, zu deren Umsetzung eine JVA nach der geltenden Rechtsordnung verpflichtet sei. Mit ihren Äußerungen habe die Beamtin auch eindeutig die Grenze der grundgesetzlich gewährleisteten Meinungsfreiheit überschritten, da sie den Rahmen sachlicher Kritik an Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung weit verlassen habe. Ein Beamter sei an Recht und Gesetz gebunden; ihm stehe es gerade nicht frei, diesen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zählenden Grundsatz nur bei Vereinbarkeit mit seiner eigenen Überzeugung zu berücksichtigen und anderenfalls durch sein Verhalten zu unterwandern. Außerdem habe die Beamtin ihr Vertrauensverhältnis zu den von ihr zu betreuenden Gefangenen dazu ausgenutzt, diese im Rahmen einer Abfrage der Impfbereitschaft durch gezielte einseitige, manipulative Informationen von einer Impfung abzuhalten, womit sie gegen ihre Pflicht zur gewissenhaften Pflichterfüllung im Strafvollzug verstoßen habe. Mit ihrem Verhalten habe die Beamtin klar zu erkennen gegeben, dass sie sich aus allein eigennützigen Motiven an die aus Fürsorgegesichtspunkten erlassenen Schutzmaßnahmen für Leib und Leben nicht gebunden fühle und sich dieser Gemeinwohlverpflichtung nicht unterwerfen wolle. Hierdurch habe sie sich im hohen Maße treuwidrig verhalten. Angesichts des im Laufe des Verfahrens zutage getretenen unbelehrbaren Persönlichkeitsbildes der Beamtin stehe auch zukünftig ein pflichtgemäßes Verhalten nicht zu erwarten, sodass eine Entfernung aus dem Dienst geboten sei. 

Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten innerhalb eines Monats die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Pressemitteilung 18/2022
Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 21.06.2022, Az. 3 K 802/22.TR

Keine Beteiligung des Integrationsamtes bei der Versetzung schwerbehinderter Lebenszeitbeamter in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 07.07.2022, Az. 2 A 4.21

Die Zurruhesetzung eines schwerbehinderten Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit bedarf nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A7 BBesO) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Aufgrund eines Autounfalls mit anschließender durchgehender „Arbeitsunfähigkeit“ veranlasste der Bundesnachrichtendienst die amts- sowie fachärztliche Untersuchung des Klägers. Bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens war er als Schwerbehinderter im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Die Zurruhesetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit erfolgte ohne vorangehende Beteiligung des Integrationsamtes.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat bezogen auf die Notwendigkeit der Beteiligung des Integrationsamtes zur Begründung insbesondere ausgeführt: Das innerstaatliche Recht schreibt die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes vor der Versetzung eines Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht vor. Nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 9. März 2017, C- 406/15, Milkova) zwingt aber auch das Unionsrecht nicht dazu, Arbeitnehmer und Lebenszeitbeamte im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes bei der Beendigung der aktiven Berufstätigkeit gleich zu behandeln. Das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte begründete Schutzniveau bleibt jedenfalls nicht hinter dem durch §§ 168 ff. SGB IX für Arbeitnehmer begründeten zurück. Bei Arbeitnehmern dient das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes dazu, die Ausübung des Kündigungsrechts durch den privaten Arbeitgeber einer vorherigen staatlichen Überprüfung zu unterziehen. Ziel ist der Ausgleich der regelmäßig geringeren Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen auf dem privaten Arbeitsmarkt. Dieser Aspekt ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten wegen Dienstunfähigkeit nicht von Bedeutung. Denn besteht ein Restleistungsvermögen, verbleibt der Beamte typischerweise im aktiven Beamtenverhältnis und wird nicht zur Ruhe gesetzt. Zudem wird durch die Zurruhesetzung ein Ruhestandsbeamtenverhältnis begründet, aufgrund dessen der Dienstherr dem Beamten in vielfältiger Hinsicht verpflichtet ist, insbesondere durch die Möglichkeit der Reaktivierung im Falle der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit.

(Pressemitteilung v. 07.07.2022)

Soldaten müssen sich gegen Covid-19 impfen lassen, Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse v. 07.07.2022, Az. 1 WB 2.22, 1 WB 5.22

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Anträge zweier Luftwaffenoffiziere gegen die Verpflichtung, die Covid-19-Impfung zu dulden, als unbegründet zurückgewiesen. Gegenstand dieser Anträge nach der Wehrbeschwerdeordnung ist eine Allgemeine Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 24. November 2021, mit der die Schutzimpfung gegen Covid-19 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen worden ist. Die beiden Antragsteller haben vorgetragen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.

Der 1. Wehrdienstsenat hat die Allgemeine Regelung zur Durchführung der Covid-19-Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Disziplinarvorgesetzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der betroffenen Soldaten hat. Er hat darum die Einwände gegen die Covid-19-Impfung an vier Verhandlungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei sind neben Sachverständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts angehört worden.

Im Ergebnis hat sich die Allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Regelung in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen und insbesondere die Soldatenvertretungen beteiligt. Es war im Rahmen der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Abs. 4 SG berechtigt, nach pflichtgemäßen Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen durch Verwaltungsvorschrift festzulegen. Denn das Soldatengesetz enthält in § 17a SG* eine ausdrückliche Regelung darüber, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden. Dies hat seinen Grund darin, dass der militärische Dienst seit jeher durch die Zusammenarbeit in engen Räumen (Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen), durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefährdungslagen und durch das Gemeinschaftsleben in Kasernen das besondere Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringt. Das Gesetz erwartet, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatzfähigkeit und damit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 87a GG) insgesamt beiträgt. Die Erhaltung der eigenen Einsatzfähigkeit ist eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten (Art. 33 Abs. 4 GG)

Die gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht genügt auch dem rechtsstaatlichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Denn er hat die Reichweite des Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in allgemeiner Weise hinreichend klar bestimmt und auf zumutbare Eingriffe begrenzt. Die genaue Festlegung der im Einzelnen hinzunehmenden Impfungen und zu verwendenden Impfstoffe konnte er dem Dienstherrn überlassen, weil die Soldatinnen und Soldaten abhängig von ihrem Einsatzort im In- und Ausland unterschiedliche Impfungen benötigen. Außerdem erfordern etwa das Auftreten neuer Krankheitserreger oder das Bekanntwerden neuer Nebenwirkungen von Impfstoffen eine flexible und schnelle Entscheidungsfindung.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat bei der Einführung der Duldungspflicht im November 2021 das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Damals wies die Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus eine erhebliche Gefährlichkeit auf. Die vorhandenen Impfstoffe konnten zwar das Risiko einer Infektion und Übertragung nur verringern, aber die Gefahr schwerer Verläufe um 90 % reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Vorhandensein einer sich verschärfenden pandemischen Lage im Winter 2021 bestätigt und näher ausgeführt, dass nach damaliger überwiegender fachlicher Einschätzung von einer erheblichen Reduzierung der Infektions- und Transmissionsgefahr durch die Covid-19-Impfung ausgegangen wurde (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 157 ff., 173 f.).

Der 1. Wehrdienstsenat hat sich nach der von ihm durchgeführten Sachverständigen-anhörung auch der Bewertung angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion und Transmission bewirkt (BVerfG a.a.O. Rn. 184 f.). Außerdem reduziert sie vor allem nach einer Auffrischungsimpfung das Risiko eines schweren Verlaufs über längere Zeiträume, so dass der positive Effekt der Impfung das mit ihr verbundene Risiko weiter deutlich überwiegt. Dies gilt nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts auch für die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, die den überwiegenden Anteil des militärischen Personals ausmachen. Das Bundesministerium der Verteidigung war berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen, auch wenn diese Fachbehörde die Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen entgegen § 13 Abs. 5 IfSG bislang nicht erhalten hat. Durch die zahlreichen Einwendungen der Antragsteller wurde die Überzeugungskraft der amtlichen Auskünfte der beiden Fachbehörden nicht durchgreifend erschüttert.

Allerdings ist das Bundesministerium der Verteidigung verpflichtet, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssen stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung für die Anordnung weiterer Auffrischungsimpfungen angezeigt erscheinen lassen. Außerdem ist eine Evaluierung der Entscheidung dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss im Schlichtungsverfahren zugesagt worden.

Pressemitteilung v. 07.07.2022

Verwaltungsgericht: „Lehrer haben in den Ferien immer Urlaub“ | Dienstrecht | Pressemitteilung 2022-01

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 07.07.2022

::: Pressemitteilung 01/2022 :::

Verwaltungsgericht: „Lehrer haben in den Ferien immer Urlaub“
aktuelle Entscheidung aus Gelsenkirchen zeigt für Experten eklatante Mängel im Urlaubsrecht


Düsseldorf. Jede:r Arbeitnehmer:in hat einen Anspruch auf Erholungsurlaub, auch bei Lehrer:innen, unabhängig davon ob sie beim Land NRW angestellt sind oder in einem Beamtenverhältnis stehen. Wenn der Volksmund formuliert, Lehrer:innen hätten im Sommer sechs Wochen Urlaub und damit die unterrichtsfreie Zeit dem Urlaub gleichstellt, dann tut er nichts anderes als ein aktuelles Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Az. 1 K 4290/20). „Das ist ein Skandal. Denn das Gericht macht deutlich, dass Lehrer:innen nie vorab wissen, wann sie Urlaub und wann unterrichtsfrei haben.“, erläutert Fachanwalt Robert Hotstegs. Das Gegenteil sei aber erforderlich.

Im konkreten Fall war eine Lehrerin seit März 2017 dienstunfähig erkrankt. Im August 2019 musste sie daher auch in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Vor Gericht machte sie nun geltend, dass sie den Urlaub der Jahre 2017 bis 2019 nicht in Anspruch nehmen konnte. „Tatsächlich spricht der Wortlaut der Rechtsgrundlagen dafür, dass die Urlaubstage aus der Krankheitszeit ausbezahlt werden müssen“, erklärt Hotstegs. Etwas anderes gelte nach einer Verordnung des Landes NRW nur, wenn die betroffene Lehrerin von der Bezirksregierung vorab konkret auf den Verfall alter Urlaubsansprüche hingewiesen worden wäre. Dies geschehe bei Lehrer:innen nie.

„Europarecht bricht Landesrecht“

„Das Gericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass Lehrer:innen-Urlaub automatisch in den Ferien stattfinde. Sozusagen unsichtbar.“ Was auf den ersten Blick selbstverständlich und logisch erscheine, unterlaufe aber den Gesundheits- und Arbeitsschutz. „Da Lehrer:innen in NRW keinen Urlaubsantrag stellen können, weiß etwa die Schulleitung oder das Kollegium nicht, wann jemand sich berechtigt erholt und wann jemand arbeitet. Die EU hält den Schutz der Einzelnen aber hoch. Sie sollen im Urlaub grundsätzlich Ruhe haben und sich erholen können. Nichts spricht dagegen, dies auch durch Urlaubsanträge für Ferienzeiten konkret zu organisieren.“ Dies würde, so Fachanwalt Robert Hotstegs, vielfach auch den Druck nehmen als Lehrer:in stets „allzeit bereit“ zu sein.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht NRW zugelassen. Hotstegs, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, würde sich freuen, wenn das Verfahren weiterbetrieben würde. Es würde helfen wichtige Rechtsfragen zu klären.


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