„Ist Gotteslohn viel oder wenig Geld?“, Kirchengerichtshof der EKD, Luth. Senat in Disziplinarsachen, Beschluss v. 10.12.2014, Az. 0125/1-14

Wer als Rechtsanwalt kirchenrechtliche Mandate bearbeitet, kommt um den Volksmund nicht herum: „Vor Gericht und auf Hoher See, befinden Sie sich in Gottes Hand.“, ist leicht gesagt. Und auch, dass der Rechtsanwalt nicht allein für „Gotteslohn“ arbeiten möchte. Soweit so klug.

Aber wofür möchte er denn arbeiten? Oder andersherum gefragt: welche Kosten des Rechtsanwalts lassen sich am Ende durchsetzen, wenn ein Verfahren gewonnen wird?

Diese Frage klärt sich in der Regel im Kostenfestsetzungsverfahren auf Heller und Pfennig, auf Cent und Euro. Aber auch hier gilt: wo zwei Juristen sind, gibt es drei Meinungen. Schon im Dezember 2014 hat der Kirchengerichtshof der Ev. Kirche in Deutschland eine grundlegende Entscheidung zur Kostenerstattung in Disziplinarverfahren getroffen. „„Ist Gotteslohn viel oder wenig Geld?“, Kirchengerichtshof der EKD, Luth. Senat in Disziplinarsachen, Beschluss v. 10.12.2014, Az. 0125/1-14“ weiterlesen

Kehrt Voss als Chefin der Feuerwehr zurück?, Neuß-Grevenbroicher-Zeitung v. 20.04.2016

Dormagen. Verwaltungsgericht sieht bisherige Umsetzung von Sabine Voss als „nicht amtsangemessen“ an. Stadt hat eine neue Stabsstelle entwickelt.

Carina Wernig

Die seit Anfang Dezember nach internen Konflikten von ihrem Posten als Dormagener Feuerwehr-Chefin abgezogene Branddirektorin Sabine Voss (49) sieht gute Chancen darauf, dass sie bald wieder als Leiterin der hauptamtlichen Feuerwache arbeitet. Das bestätigte gestern ihre Rechtsanwältin Katharina Voigt von der Hotstegs Rechtsanwalts-GmbH: „Wir erwarten, dass die Stadt den Beschluss des Verwaltungsgerichtes umsetzt und meine Mandantin wieder amts- und laufbahngerecht als Leiterin der hauptamtlich besetzten Feuer- und Rettungswache einsetzt.“ „Kehrt Voss als Chefin der Feuerwehr zurück?, Neuß-Grevenbroicher-Zeitung v. 20.04.2016“ weiterlesen

Eilverfahren gegen Umsetzung einer Städt. Branddirektorin erfolgreich, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 18.04.2016, Az. 26 L 761/16

In einem seltenen Fall hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf heute einem Eilantrag gegen die Umsetzung einer Beamtin stattgegeben. Während in den allermeisten Fällen Beamte eine Umsetzung hinnehmen oder ein Hauptsacheverfahren abwarten müssen (so etwa unser Fall amtsangemessene Beschäftigung einer Kreisrechtsdirektorin, Verwaltungsgerichts Arnsberg, Urteil v. 14.12.2011, Az. 2 K 3632/09), war hier ausschlaggebend, dass es sich um eine Beamtin des feuerwehrtechnischen Bereichs handelte. Die ehemalige Bereichsleiterin war durch ihren Dienstherrn nicht mehr innerhalb der Feuerwehr, sondern außerhalb eingesetzt worden. Das verstößt aber gegen den Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung.

Im vollen Wortlaut hat die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf am 18. April 2016 beschlossen: „Eilverfahren gegen Umsetzung einer Städt. Branddirektorin erfolgreich, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 18.04.2016, Az. 26 L 761/16“ weiterlesen

Leserbrief: Zu Lisa Erzinger, „Männer als Gleichstellungsbeauftragte im öffentlichen Dienst“, NVwZ 2016, Heft 8, VII

Der Überblick von Erzinger ist zutreffend, es lohnt aber den Blick über die klassischen Gesetzgeber in Bund und Land hinaus zu erweitern. So regeln etwa die Kirchen für ihren Bereich die Frage der Frauen-/Männerförderung eigenständig. Erwähnenswert ist hier die aktuelle Änderung des Gleichstellungsgesetzes der Ev. Kirche im Rheinland durch Änderungsgesetz vom 15.1.2016. Darin hat die Kirche über den im Aufsatz erwähnten Bildungsbereich hinaus auch eine fehlende Repräsentanz von Männern etwa im Pflegebereich oder im Bereich der Kindererziehung erkannt. Gerade bei der Ausgliederung von sozialen Aufgaben auf rechtlich eigenständige Träger dürften häufiger weibliche Beschäftigte in der Mehrzahl sein. Der kirchliche Gesetzgeber hat dem nun Rechnung getragen und als Soll-Vorschrift die Bestellung einer/eines Gleichstellungsbeauftragten mit einer Stellvertreterin/einem Stellvertreter des jeweils anderen Geschlechts eingeführt (§ 13 Abs. 1 S. 2 Gleichstellungsgesetz EKiR). Neben dem Hamburg-Modell dürfte dieses Rheinland-Modell noch größere Flexibilität für die jeweilige Dienststelle bieten.

Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Düsseldorf

Auch im Disziplinarverfahren gilt: lieber ein Ende mit Schrecken

Disziplinarverfahren sind belastend. Je länger sie andauern, desto bedrohlicher wirken sie in der Regel. Wie ein Damoklesschwert schweben die möglichen Disziplinarsanktionen über dem betroffenen Beamten.

Unsere Aufgabe als Disziplinarverteidiger ist es stets, auf das bestmögliche Ergebnis hinzuarbeiten. Das bedeutet auch, dass wir endlose Verfahren in der Regel irgendwann beenden wollen. Während im allgemeinen Verwaltungsrecht hier lediglich die Untätigkeitsklage zur Verfügung steht, finden im Disziplinarverfahren besondere Vorschriften Anwendung. Diese unterscheiden sich je nach Landes- oder Bundesrecht (und ebenso im kirchlichen Recht für Kirchenbeamte und Pfarrer).

Der jeweilige Gesetzgeber hat dabei einen Anspruch der Beamten formuliert, dass ein Disziplinarverfahren beschleunigt betrieben wird und auch stets zu einem Ende kommt. Entweder durch Einstellungsverfügung, durch Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage. Führt die ermittelnde Behörde kein derartiges Ergebnis in einer gesetzlich vermuteten Regeldauer herbei, kann ein Antrag auf Fristsetzung gestellt werden und Erfolg haben.

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Sabotiert das Land NRW die Riesterrente der Beamten? | Beamtenrecht | Pressemitteilung 2016-03

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 01.04.2016

::: Pressemitteilung 3/2016 :::

Sabotiert das Land NRW die Riesterrente der Beamten?
Schwierigkeiten im Landesamt für Besoldung und Versorgung – Petition im Landtag anhängig

Düsseldorf. Der gute Beamte sorgt vor. Er plant für das Alter und schließt eine Riesterrente ab. Das geschieht vielfach, auch in NRW. Das böse Erwachen für Landesbeamte erfolgt oftmals erst viele Jahre später: wenn nämlich die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) rückwirkend Zulagen aberkennt. Grund dafür sind offenbar fehlerhafte Bearbeitungen im Landesamt für Besoldung und Versorgung in Düsseldorf. Aus Sicht der Beamten wirkt das wie Sabotage. Daher muss sich nun auch der Landtag mit einer Petition zu dem Thema befassen. (Az. I.3/16-P-2016-13321-00) „Sabotiert das Land NRW die Riesterrente der Beamten? | Beamtenrecht | Pressemitteilung 2016-03“ weiterlesen

„Arbeite mit Gott, aber flott!“, Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 24.03.2016, Az. 0134/1-2016

Auch gegen Kirchenbeamte und gegen Pfarrerinnen und Pfarrer können bei Verstößen gegen die Dienstpflichten Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Für den Bereich der Ev. Kirche bestimmt sich das Verfahren nach dem Disziplinargesetz der EKD (DG.EKD). Daraus ergibt sich auch der Grundsatz für die Ermittlungsbehörden: „Du sollst nicht trödeln!“

Soweit die Rechtsprechung der Disziplinarkammern dokumentiert ist, hat nun wohl zum ersten Mal ein Kirchengericht über einen Antrag auf Fristsetzung zu entscheiden gehabt. Die Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland hat dem Antrag, der durch uns vertreten wurde, stattgegeben. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Wörtlich führt die Disziplinarkammer aus (Unterstreichungen im Original):

1. Der Antragsgegnerin wird eine Frist von sechs Monaten gesetzt, innerhalb derer das gegen den Antragsteller mit Beschluss des Kollegiums des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 27. Mai 2014 gegen den Antragsteller eingeleitete Disziplinarverfahren abzuschließen ist.

2. Die Kosten des Antragsverfahrens, einschließlich der dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen, trägt die Antragsgegnerin.

G r ü n de:

1.    Der Antragsteller war seit dem 1. April 1989 – zuletzt in einer Planstelle als Kirchenverwaltungs-Amtsrat (A 12 mit Amtszulage) – im Dienst des Verbandes A. tätig.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2014 wurde ihm ein Beschluss des Kollegiums des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 27. Mai 2014 zur Stellungnahme zugeleitet, wonach im Zusammenhang mit mutmaßlichen Dienstvergehen im Rahmen seiner Amtsführung […] ein Disziplinarverfahren gemäß § 24 Absatz 1 DG.EKD i.V.m. § 3 Absatz 1 DG.EKD und § 32 Absatz 1 des Kirchenbeamtengesetzes der EKD (KBG.EKD) eingeleitet worden ist. Konkret wurde ihm darin vorgeworfen, in mindestens 11 Fällen gegen §§ 18, 20, 21 Absatz 1 und 2 KBG.EKD verstoßen zu haben. Bezüglich des konkreten Inhaltes dieser Vorwürfe wird auf die den Beteiligten bekannte Anlage zum Schreiben vom 30. Juni 2014 Bezug genommen (zu vgl. BI. 33 ff. d. A).

Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 3. Juli 2014 erhielt der Bevollmächtigte des Antragstellers Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 5. August 2014 äußerte er sich für diesen umfassend zu den Vorwürfen und stellte Beweisanträge zur Entlastung seines Mandanten.

Weil der Antragsteller bis zum 31. Dezember 2015 weder einen Abschluss noch einen wesentlichen Fortgang des Disziplinarverfahrens feststellen konnte, wandte er sich mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Januar 2016 – per Fax eingegangen am selben Tag und postalisch am 12. Januar 2016 – mit dem Antrag an die Kammer, gemäß § 66 DG.EKD eine Frist zu bestimmen, innerhalb derer das Disziplinarverfahren abzuschließen ist.

II.    Der Antrag ist zulässig und begründet.

Die Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD ist gemäß § 4 des Kirchengesetzes zur Ausführung des Disziplinargesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der Fassung des Kirchengesetzes zur Änderung des Kirchengesetzes zur Ausführung des Disziplinargesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 16. Januar 2015 seit dem 1. Januar 2016 örtlich und sachlich für die im Geschäftsbereich der Evangelischen Kirche im Rheinland anfallenden gerichtlichen Disziplinarsachen zuständig.

Im Zeitpunkt der Antragstellung war das eingeleitete Disziplinarverfahren bereits mehr als 18 Monate anhängig. Es war bislang auch nicht mit Blick auf eine strafrechtliche Überprüfung der Vorwürfe gemäß § 29 DG.EKD ausgesetzt, so dass die sich aus dem in § 8 DG.EKD verankerten Beschleunigungsgebot ergebende Regelfrist von 12 Monaten zum Abschluss erheblich überschritten ist. Die Kammer hat der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, die außergewöhnlichen Gründe darzulegen, die zu dieser erheblichen Verzögerung geführt haben. Die dazu mit Schreiben des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 22. Februar 2016 und 21. März 2016 mitgeteilten Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Beweisdokumenten aus dem Geschäftsbereich des Verbandes A. vermögen nach Ansicht der Kammer diese Verzögerung in keiner Weise zu rechtfertigen. Hinsichtlich der sich aus dem Beschleunigungsgebot ergebenden Pflichten der Disziplinarbehörden schließt sich die Kammer der mit Rechtsprechung belegten Argumentation des Antragstellers vollumfänglich an, wobei sie einen besonderen Hinweis auf die sich aus der bisherigen Verfahrensdauer ergebende persönliche Belastung für den inzwischen aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig im Ruhestand befindlichen Kirchenbeamten erteilt. Da sich für die Kammer bei einer vorläufigen Bewertung des Verfahrensstandes auch kurzfristig ein Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht abzeichnet, hat sie nunmehr eine Frist von sechs Monaten bestimmt, innerhalb derer die Disziplinarbehörde – gegebenenfalls auch mit zusätzlicher organisatorischer Unterstützung – das Disziplinarverfahren unbeschadet der sich aus § 66 Absatz 2 Satz 3 i.V.m. § 56 Absatz 2 Satz 3 bis 5 DG.EKD ergebenden Möglichkeiten der Fristverlängerung spätestens abzuschließen hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Absatz 1 und 3 DG.EKD i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Parteiverbotsverfahren und die Überwachung einer Partei durch den Verfassungsschutz, Interview mit 123recht.net v. 15.03.2016

Das zweite NPD-Verbotsverfahren hat begonnen – wie stehen die Chancen?

Das erste NPD-Verbotsverfahren war kläglich vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Derzeit läuft der zweite Versuch, die Partei zu verbieten. 123recht.net im Interview mit Rechtsanwalt Robert Hotstegs über Anforderungen und Voraussetzungen eines Verbots, Sinn und Zweck, Überwachungen einer Partei und die AfD.

„Notbremse der Demokratie“

123recht.net: Herr Hotstegs, Parteiverbotsverfahren sind sehr selten. Warum gibt es diese Möglichkeit überhaupt?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das Verbotsverfahren ist sozusagen die Notbremse der Demokratie. Das Grundgesetz wünscht sich ja aktive Bürger und aktive Parteien. Die Parteien sollen an der Politik mitwirken. Das bedeutet auch, dass grundsätzlich ein breites Spektrum gewünscht ist. Kritische Parteien gehören also zum System dazu. Nur wer die Grenzen der Demokratie verlässt, soll durch die Notbremse – wenn nichts mehr hilft – gestoppt werden.

123recht.net: Welche Voraussetzungen müssen für diese Notbremse vorliegen?
Rechtsanwalt Hotstegs: Kritik alleine genügt nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh festgestellt, dass es eine aktiv-kämpferische Grundhaltung braucht, die auf die Beseitigung des Grundgesetzes ausgerichtet ist. Das Gericht fragt also: Handelt es sich um eine Partei? Schon hieran scheiterten Verfahren. Wenn es um eine Partei geht: Bekämpft sie aggressiv-kämpferisch das Grundgesetz und möchte unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen? Wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Verbot verhängt werden.

123recht.net: Wie läuft das formell? Bedarf es eines Antrags?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ein Verbot geht nicht von Amts wegen. Sondern hier müssen bei bundesweiten Parteien Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat einen Antrag an das Bundesverfassungsgericht stellen.

„Kein Verfahren einer Partei gegen eine andere“

123recht.net: Andere Parteien können also nicht einfach einen Antrag stellen?
Rechtsanwalt Hotstegs: Im Kern gibt es nur drei Antragsberechtigte: Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Natürlich sind dort auch Fraktionen tätig und Parteien stellen Mitglieder der Regierung. Aber im Kern ist das Verbotsverfahren nicht als Verfahren einer Partei gegen eine andere ausgerichtet.
Nur bei Parteien, die ausschließlich auf Landesebene tätig sind, kommen auch die Landesregierungen als mögliche Antragsteller hinzu. Fehlt ein solcher Antrag, gibt es kein Verbotsverfahren. Das heißt auch, dass etwa Strafermittlungen alleine oder behördliche Überwachungen nicht zu einem Verbotsverfahren führen können.

123recht.net: Angenommen, das Bundesverfassungsgericht stimmt zu: Kann ein Verbot zeitlich begrenzt sein oder wieder zurückgenommen werden?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das ist nicht vorgesehen. Und es entspricht auch nicht der Logik des Grundgesetzes. Denn wenn ein Verbot nur dann erfolgt, wenn eine Partei aggressiv unsere Demokratie bekämpft, dann ist diese Ausrichtung im Kern der Partei angelegt. Das ist kein Phänomen, das nach zwei Jahren vorüber wäre. Also wäre die Partei dann erneut zu verbieten. Daher bedeutet ein Verbot sozusagen ein „Verbot für immer“. Wer sich inhaltlich verändert und wieder auf dem Boden des Grundgesetzes steht, kann ja jederzeit eine neue Partei gründen oder einer bestehenden Partei beitreten.

„Verhandeln wir eigentlich sozusagen über die „echte“ NPD oder handelt es sich um eine vom Staat gesteuerte Partei?“

123recht.net: Ein Verbotsverfahren gegen die NPD ist zur Zeit beim Bundesverfassungsgericht anhängig, zum zweiten Mal. Woran scheiterte der erste Versuch?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das Problem im ersten Anlauf waren die vielen V-Leute. Also Ermittlungspersonen und solche, die vom Verfassungsschutz unterstützt wurden, um Informationen aus der NPD heraus zu liefern. Sie saßen zeitgleich in Führungsämtern – auch während des Verbotsverfahrens. Daher musste sich das Bundesverfassungsgericht fragen: Verhandeln wir eigentlich sozusagen über die „echte“ NPD oder handelt es sich um eine vom Staat gesteuerte Partei. Die fehlende Staatsferne war schließlich ein so wesentliches Verfahrenshindernis, dass das Verfahren eingestellt wurde.

123recht.net: Kann das auch jetzt wieder ein Problem sein?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ob dieses Problem nun beseitigt ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Denn der Auftakt des neuen NPD-Verbotsverfahrens widmete sich bislang genau dieser Kernfrage: Sind alle V-Leute „abgeschaltet“ und handelt es sich also um ein Verfahren über eine staatsferne Partei?
Dafür spricht vieles, der Bundesrat wusste, dass er dieser Hürde größte Aufmerksamkeit schenken musste. Als Antragsteller hat er allein hierzu aktenordnerweise vorgetragen.

„NPD nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes“

123recht.net: Wie schätzen Sie die Chancen für ein Verbot der NPD ein?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das ist momentan noch schwer zu sagen, weil man hierzu die Unterlagen des Prozesses auswerten müsste. Den bisherigen Verlautbarungen nach spricht vieles dafür, dass zumindest die V-Leute-Problematik beseitigt ist. Daran, dass die NPD unseren Staat aggressiv bekämpft und nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht, habe ich im zweiten Schritt keinen Zweifel.

123recht.net: Ist ein Verbot nicht eher ein zahnloser Papiertiger? Was sollte z.B. die NPD hindern, im Falle eines Verbots einfach eine neue Partei zu gründen?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das Parteiverbot beinhaltet auch immer das Verbot, Nachfolgeorganisationen zu gründen. So regelt es § 46 Abs. 3 BVerfGG. Daher sind bei der Gründung von Nachfolgeorganisationen, egal ob es Parteien oder Vereine sind, keine vollständigen Verbotsverfahren notwendig. Die Auflösung der verbotenen Ersatzorganisationen kann dann das jeweilige Innenministerium vornehmen und durchsetzen.

„Es gibt viele Zitate von führenden AfD-Mitgliedern und -Vertretern die nahelegen, dass diese Partei an einem friedlichen Zusammenleben der Völker nicht interessiert ist“

123recht.net: Diesen Sonntag waren Landtagswahlen in drei Ländern, die AfD schnitt dabei sehr erfolgreich ab. Immer wieder wurde gefordert, die AfD vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Was sind die Voraussetzungen für eine Überwachung? Liegen diese bei der AfD vor?
Rechtsanwalt Hotstegs: Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es unter anderem, Informationen über Bestrebungen zu sammeln, die gegen die Völkerverständigung gerichtet sind, gegen das friedliche Zusammenleben der Völker oder gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Es gibt viele Zitate von führenden AfD-Mitgliedern und -Vertretern die nahelegen, dass diese Partei an einem friedlichen Zusammenleben der Völker nicht interessiert ist und sicherlich auch einen Teil der Partei, der sich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereits gedanklich verabschiedet hat. Insofern gibt es sicherlich auch weiterhin Bestrebungen, die AfD zu überwachen.
Wir dürfen aber nicht übersehen, dass die AfD seit den jüngsten Landtagswahlen aber auch einen Wählerauftrag hat. Nicht von allen Wählern, aber von einer deutlichen Zahl von Wählern. Wenn knapp 25% die Partei in Sachsen-Anhalt gewählt haben, dann ist die Überwachung einer Partei, die ein Viertel der Wahlbürger repräsentiert, eine merkwürdige Reaktion.

123recht.net: Warum kommt eine Parteiüberwachung so gut wie nie vor?
Rechtsanwalt Hotstegs: Das hat vor allem mit der Eingangsfrage zu tun: Unser Staat ist gerade so aufgebaut worden, dass Parteienvielfalt, und -diskussion gewünscht ist. Nehmen die Parteien daher direkte Verfassungsrechte wahr, muss man mit polizeilichen Mitteln sehr zurückhaltend sein.

123recht.net: Wie erfolgt eine Überwachung in der Praxis?
Rechtsanwalt Hotstegs: Aus Verfassungsschutzberichten wissen wir, dass hier vor allem eine Vielzahl öffentlicher Quellen ausgewertet wird. Homepages, Zeitungsberichte, Redemanuskripte, Tagungsbeiträge, Teilnehmerlisten von Veranstaltungen, Facebook-Seiten, Interviews und vieles mehr. Erst weit danach kommen andere Methoden bis hin zum Einsatz von V-Leuten wie bei der NPD.

123recht.net: Gibt es Alternativen zu einer Überwachung?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ja, immer: die politische Auseinandersetzung. Wir konnten in den Landtagswahlkämpfen ja beobachten, das hierauf viele nicht inhaltlich vorbereitet waren. Das muss sich ändern. Und dann ist eine aktive inhaltliche Auseinandersetzung immer produktiver, als eine passive Überwachung.

„Bürgerbeteiligungsverfahren bis hin zu direkten Demokratie können viele Brücken bauen“

123recht.net: Also Rechtsextremen mit Argumenten entgegentreten?
Rechtsanwalt Hotstegs: Ja, das ist nicht nur besser, sondern vor allen Dingen immer zwingend erforderlich. Denn ein Verbotsverfahren richtet sich doch allein gegen die Organisationsstruktur. Eine Überwachung stellt zunächst eine Beobachtung dar. Wenn wir aber Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit inhaltlich begegnen wollen, dann ist das eine Frage der politischen Auseinandersetzung und vor allem auch der politischen Bildung. Hier sind alle gemeinsam gefragt: Vereine, Verbände, Schulen und Ausbildungsbetriebe, Arbeitgeber und Kolleginnen und Kollegen, Familien und Freundeskreise. Sie alle können aber tatkräftig unterstützt werden durch politische Information wie sie zum Beispiel die Landeszentralen und die Bundeszentrale für politische Bildung zur Verfügung stellen.
Auch gibt es natürlich Mechanismen, um in der klassischen Politik mehr Menschen zu beteiligen. Bürgerbeteiligungsverfahren bis hin zu direkten Demokratie können hier viele Brücken bauen. Leider weiß ich aber aus der Praxis sowohl der politischen Bildung wie auch aus der direkten Demokratie, dass in der ersten Rubrik häufig das Geld, in der zweiten auch häufig der langanhaltende Wille fehlt. Hier sind dicke Bretter zu bohren. Die lohnen sich aber, wenn wir Rechtsextremismus ernsthaft entgegentreten wollen.

123recht.net: Ihre Kanzlei berät und vertritt Parteien und Fraktionen und ist zugleich im Bereich der direkten Demokratie tätig. Sind Verbotsfragen, Überwachung und Extremismus also Standardthemen in Ihrer anwaltlichen Arbeit?
Rechtsanwalt Hotstegs: Zum Glück nicht. Wir sind spezialisiert auf die Beratung und Vertretung vor allem von Oppositionsfraktionen, -gruppen und -abgeordneten. Hier stehen aber vor allem alltägliche Fragen im Mittelpunkt: Informationsrechte, Antragsrechte, Abstimmungsverfahren und ähnliches.
Das klingt zunächst trocken und dröge, ist für uns aber der alltägliche Beweis, dass man in der Demokratie streiten kann und muss. Das gilt auch für direkte Demokratie auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder Europaebene. Hier kann der Bürger direkt in die Politik einwirken und neue Projekte anstoßen oder Fehlentscheidungen versuchen zu korrigieren.
Dafür haben wir Wege und notfalls auch Gerichte. Es braucht dafür keine extremen Parteien außerhalb des Grundgesetzes.

123recht.net: Herr Hotstegs, vielen Dank!

Land NRW muss die Anforderungen an die körperliche Mindestgröße für Polizeibewerberinnen und –bewerber überarbeiten, Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil v. 14.03.2016, Az. 1 K 3788/14

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in einem Urteil vom heutigen Tag die Entscheidung des Landes Nordrhein-Westfalen für rechtswidrig erklärt, mit der die Bewerbung eines Mannes auf Zulassung zum Auswahlverfahren zur Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst abgelehnt worden ist. „Land NRW muss die Anforderungen an die körperliche Mindestgröße für Polizeibewerberinnen und –bewerber überarbeiten, Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil v. 14.03.2016, Az. 1 K 3788/14“ weiterlesen

falsche Kostenschätzung kann gerichtlich im Eilverfahren beanstandet werden, Verwaltungsgericht Münster, Beschluss v. 25.02.2016, Az. 1 L 181/16

Eine sehr erfreuliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster hat große Bedeutung für alle Bürgerbegehren in Nordrhein-Westfalen. Bislang war nämlich unklar, wann und inwieweit die Kostenschätzung der Verwaltung gerichtlich überprüft werden kann.

Nach der Systematik der Gemeindeordnung skizziert ein Bürgerbegehren sein Anliegen und die Verwaltung schätzt diese Kosten. Die Formulierung ist bindend und muss wortgetreu auf den Unterschriftslisten abgedruckt werden. Hier lag nun der Hase im Pfeffer: was tun, wenn die Kostenschätzung offensichtlich an einem Fehler leidet oder die Kosten übertrieben hoch angesetzt werden, um Bürger abzuschrecken.

Hier ist nun ein Eilverfahren möglich, um die Stadt zur erneuten Kostenschätzung zu verpflichten. Die Frist zur Unterschriftensammlung ist dann bis zur neuen Mitteilung der Kostenschätzung weiterhin gehemmt.

An dieser Stelle bleibt leider eine Schwachstelle erkennbar: sammeln die Bürger mit der beanstandeten Kostenschätzung zunächst keine Unterschriften und verweigert das Verwaltungsgericht den Eilrechtsschutz, ist womöglich wertvolle Zeit zur Unterschriftensammlung verstrichen. Dieses Prozessrisiko sollte nicht unterschätzt werden und macht daher eine schnelle und professionelle Bearbeitung erforderlich. „falsche Kostenschätzung kann gerichtlich im Eilverfahren beanstandet werden, Verwaltungsgericht Münster, Beschluss v. 25.02.2016, Az. 1 L 181/16“ weiterlesen