Güterichterverfahren sind Mehrwert, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 01.04.2020, Az. 6 E 319/19

Im Rahmen einer beamtenrechtlichen Auseinandersetzung waren wir damit beauftragt worden, Klage gegen eine dienstliche Beurteilung und gegen eine Entlassungsverfügung zu erheben. Wir haben beide Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingeleitet und die Durchführung eines Güterichterverfahrens angeregt. Erfreulicherweise war sowohl die betroffene Landesbehörde wie auch die streitentscheidende Kammer ebenso für die Idee zu gewinnen wie auch der Güterichter des Verwaltungsgerichts.

Daher wurden beide Klageverfahren ausgesetzt und der Streit an den Güterichter verwiesen. (Güterichter und Mediation nach dem Mediationsgesetz, kleine Mediationsstatistik) Im Rahmen einer Verhandlung dort kam es zu einer umfangreichen Einigung, die weit über die Themen der Klagen (dienstliche Beurteilung, Entlassung) hinausgingen. So war etwa auch die Erteilung eines Dienstzeugnisses, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in einer anderen Laufbahngruppe wie auch die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit sofortiger Versetzung zu einer anderen Dienststelle Gegenstand der Einigung. Die Parteien verständigten sich darauf, dass durch die Einigung vor dem Güterichter auch die Klageverfahren erledigt seien, außerdem wurde eine Kostenteilung vereinbart.

Bei der anschließenden Streitwertfestsetzung durch die „Streitkammer“ hat diese schlicht den Inhalt des – ihr im Wortlaut bekannten – Vergleichs ignoriert und einerseits den Streitwert für die dienstliche Beurteilung, im anderen Verfahren den Streitwert für die Entlassung angesetzt. Hiergegen haben wir als Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen Rechtsmittel eingelegt. Diesem hat das Verwaltungsgericht zu unserer bis heute anhaltenden Überraschung nicht abgeholfen. Es hat weiterhin ignoriert, dass ein sogenannter „Vergleichsmehrwert“ entstanden ist.

Dem hat nun erst das Oberverwaltungsgericht mit seiner aktuellen Entscheidung vom 01.04.2020 Einhalt geboten.

Der Rechtsstreit macht noch einmal darauf aufmerksam, dass auch verwaltungsgerichtliche und beamtenrechtliche Verfahren grundsätzlich und unabhängig vom Thema mediations- und güterichtergeeignet sind. Darüber hinaus weist die Streitwertfestsetzung aber auch darauf hin, dass die Gerichte verhandelte Mehrwerte häufig übersehen und offenbar auch übersehen wollen. Dem kann nur Einhalt geboten werden, wenn Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen Streitwertbeschwerde erheben.

Die Entscheidung lautet im Volltext:

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Der Streitwert wird für das Klageverfahren auf 22.000 Euro und für den Vergleich auf die Wertstufe bis 40.000 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über die Beschwerde durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, weil auch der angefochtene Streitwertbeschluss eine Einzelrichterentscheidung ist (§§ 66 Abs. 6 Satz 1, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

Die vom Prozessbevollmächtigen der Klägerin im eigenen Namen erhobene Beschwerde (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) ist zulässig und in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Unrecht unterlassen, für den Vergleich einen gesonderten Streitwert festzusetzen.

Streitgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war ausweislich der Klageschrift die Aufhebung der Entlassungsverfügung vom 15. Oktober 2018. Die für dieses Begehren erfolgte Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG, entspricht der Senatsrechtsprechung und wird mit der Beschwerde nicht angegriffen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin macht allein geltend, dass der Vergleich auch nicht gerichtlich anhängige Gegenstände umfasste. Dies trifft dem Grunde nach zu. Die Beschwerde hat aber nur hinsichtlich der in den Ziffern 3 und 6 des Vergleichs geregelten Gegenstände und insoweit nur in der tenorierten Höhe Erfolg.

Der Wert für den gerichtlichen Vergleich ist nach § 45 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 GKG auf die Wertstufe bis 40.000 Euro festzusetzen. Nach diesen Vorschriften werden bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich mehrere Streitgegenstände zusammengerechnet, insbesondere auch dann, wenn ein gerichtlicher Vergleich nicht nur den anhängigen Streitgegenstand betrifft, sondern auch über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen wird. In einem solchen Falle entsteht eine besondere Gerichtsgebühr nach Nr. 5600 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Dezember 2019 – 19 E 616/19-, juris Rn. 4, vom 28. November 2019 – 6 E 776/19 -‚ und vom 13. Mai 2013 – 6 E 65/13-, juris Rn. 6.

Hiervon ausgehend umfasst der am 21. Januar 2019 geschlossene Vergleich nicht nur den Streit zwischen den Beteiligten über die Entlassungsverfügung, sondern mit den Regelungen zur Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in den Ziffern 3 und 6 weitere nicht anhängige, wertmäßig zu berücksichtigende Gegenstände.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist allerdings für die Zusage des Beklagten unter Ziffer 3 des Vergleichs, er werde die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit der Laufbahngruppe 2.2 übernehmen, wenn zuvor eine andere Behörde ihr Einverständnis mit einer Versetzung der Klägerin zugesichert hat, der Streitwert nicht nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG festzusetzen. Die Begründung eines Beamtenverhältnisses mit dem Beklagten steht nämlich unter der Bedingung, dass ein anderer Dienstherr die Klägerin einstellen und ins Beamtenverhältnis übernehmen möchte. Ist dies der Fall, folgt unmittelbar die Versetzung zu diesem Dienstherrn. Im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten liegt die wertmäßige Bedeutung der Vereinbarung daher nur in der Versetzung, die nach ständiger Senatsrechtsprechung mit dem Regelstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG zu bemessen ist.

Hinzu tritt für die Vereinbarung unter Ziffer 6 des Vergleichs, wonach für den Fall, dass die Versetzung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist erfolgten sollte, der Beklagte die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in der Laufbahngruppe 2.1 übernehmen wird, der Streitwert gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG, der auf die Wertstufe bis 35.000 Euro festzusetzen ist. Auch wenn diese Vereinbarung ebenfalls unter einer Bedingung steht, entspricht diese wertmäßige Bemessung dem Begehren der Klägerin, entweder – bei einem anderen Dienstherrn – in die Laufbahngruppe 2.2 oder beim Beklagten in die Laufbahngruppe 2.1 übernommen zu werden. Dieser Bedeutung der Sache für die Klägerin würde es nicht gerecht, wenn lediglich der Regelstreitwert angesetzt würde.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist allerdings für die übrigen Vergleichsgegenstände kein Vergleichsmehrwert gegeben.

Der Verpflichtung des Beklagten aus Ziffer 1 des Vergleichs, der Klägerin ein Dienstzeugnis auszustellen, ist nicht durch eine gesonderte Streitwertfestsetzung Rechnung zu tragen. Der Beschwerdeführer weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine dienstliche Beurteilung und ein Arbeitszeugnis nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Die vereinbarte Erstellung eines Dienstzeugnisses tritt aber an die Stelle der ursprünglich im Verfahren 13 K 8330/18 angestrebten neuen dienstlichen Beurteilung und ist daher von diesem Streitgegenstand mit umfasst.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2009 – 6 E 1402/09 -‚ juris Rn. 3.

Ebenso rechtfertigt die Regelung unter Ziffer 4 des Vergleichs zum Erholungsurlaub keine Festsetzung eines höheren – vom Beschwerdeführer mit 2.000 Euro bezifferten – Streitwerts. Denn sie betrifft lediglich die weitere Abwicklung im Falle der Begründung eines Beamtenverhältnisses und ist damit vom diesbezüglichen Streitwert mit erfasst.

Schließlich beansprucht der Beschwerdeführer zu Unrecht die Festsetzung eines Streitwerts für die Vereinbarung zur hälftigen Kostentragung in Ziffer 8 des Vergleichs. Eine Erhöhung des Streitwerts scheidet insoweit nach § 43 Abs. 1 GKG aus, wonach der Wert der Nebenforderungen grundsätzlich neben dem Hauptanspruch nicht berücksichtigt wird. Nur wenn die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen sind, ist nach § 43 Abs. 3 GKG der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.

Das Verfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 GKG gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).