AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst: Mehr als eine Frage des Cha­rak­ters, lto.de v. 13.05.2025

Mit der AfD-Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ können Beamte mit Parteimitgliedschaft auf ihre Verfassungstreue überprüft werden. Das Parteienprivileg schützt die Betroffenen nicht, meint Robert Hotstegs.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Auch wenn sich hiergegen die Partei mit einem Eilantrag und einem Klageverfahren zur Wehr setzt und das Bundesamt im Eilverfahren eine sogenannte Stillhaltezusage abgegeben hat, ändert dies am Ergebnis nichts: Das Bundesamt hat aus seiner Sicht genügend Argumente für die Verfassungsfeindlichkeit der Partei zusammengetragen. Es macht lediglich als Nachrichtendienst für die Dauer des Verfahrens davon keinen Gebrauch. Dennoch liegt eine – wenn auch als vertraulich eingestufte – Faktensammlung vor.

Damit ergibt sich nun erstmalig die Situation, dass die im Bundestag als größte Opposition vertretene Partei den Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verlassen hat und diese nach den Erkenntnissen bekämpft. Ein Eindruck, der sich in den vergangenen Jahren anlässlich von Wahlprogrammen, der gerichtlichen Einstufung von Landesverbänden oder Untergliederungen wie der „Jungen Alternative“ stets verdichtet hat.

Für Parteimitglieder, aber erst recht für Funktionsträgerinnen und Funktionsträger oder Kandidatinnen und Kandidaten, die als Beamtinnen und Beamte beim Bund, in einem Bundesland oder einer Gemeinde beschäftig sind, ergeben sich hieraus unmittelbar dienstrechtliche Konsequenzen.

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Leserforum, NJW-aktuell 16/2025, 10

Zu Nierhoff, NJW 2025, 543 ff. Dem Ergebnis des Autors, dass die VwGO mit dem dortigen Behördenprivileg und der Erfahrung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Vorbild für Änderungen und Ergänzungen der ZPO sein kann, stimme ich uneingeschränkt zu.

Ich vermisse allerdings den deutlichen Hinweis darauf, dass etwa die vorgestellten Fälle der Amtshaftungsansprüche vor den Landgerichten im Kern öffentlich-rechtliche Verfahren sind, die lediglich aufgrund einer verfassungsrechtlichen Sonderzuweisung (und einem Misstrauen der GG-Mütter und Väter gegenüber einer jungen Verwaltungsgerichtsbarkeit) überhaupt den Zivilgerichten zugewiesen sind. Streiten also Bürgerinnen bzw. Bürger und Behörde um öffentlich-rechtliche Ansprüche, die nach allgemeiner Zuweisung verwaltungsrechtlich wären, erschließt sich nicht, warum die bloße Zuweisung an die Landgerichte einen Anwaltszwang erforderlich machen soll.

Dasselbe gilt im Bereich des Beamtenrechts, wo es oft Betroffenen parallel möglich wäre, ihren Anspruch auf Schadensersatz entweder als beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch vor den Verwaltungsgerichten oder aber als Amtshaftungsanspruch vor den Landgerichten einzuklagen. Hier bestimmt also im Ergebnis der Prozessgegner, ob die Behörde verpflichtet sein soll, sich anwaltlich vertreten zu lassen.

Umgekehrt besticht das von Nierhoff angeführte Argument, es sei bei niedrigen Streitwerten nahezu unmöglich eine anwaltliche Vertretung zu beauftragen, weil man an das RVG gebunden sei, vor dem Hintergrund der Praxis nicht. Oft genug schwimmen sich Behörden ebenso von der gesetzlichen Vergütung frei und beauftragen zu höheren Streitwerten oder Vergütungsvereinbarungen. Man sagt, es gebe Kanzleien, die davon leben können. Und überdies wäre dieses Problem ja nicht nur auf Behördenseite vorzufinden, auch die Gegenseite unterliegt dem Vertretungszwang. Ihr möchte der Autor aber kein Privileg zubilligen. Müsste er aber nicht zur Lösung des Problems eine Änderung der Streitwertgrenze oder die Zuweisung an die Amtsgerichte vorschlagen?

Fachanwalt für Verwaltungsrecht Robert Hotstegs, Düsseldorf

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Die Ermittlungsperson im Disziplinarverfahren

„Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, hat der Dienstvorgesetzte die Dienstpflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten.“ So regeln es die Disziplinargesetze von Bund, Ländern und auch der ev. Kirche nahezu wortidentisch.

Völlig unterschiedlich verhalten sich die Gesetze aber zu der Frage, durch wen genau die Ermittlungen zu führen sind. Zwar sind sie stets von dem Disziplinarvorgesetzten (bzw. der Disziplinarbehörde) zu verantworten. Aber wem wird die Aufgabe der Beweiserhebung, z.B. der Zeug:innenvernehmung, der Anhörung der/des Beschuldigten konkret übertragen?

Hier sind grundsätzlich fünf Regelungsmodelle zu unterscheiden:

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Wir spenden 2024 für die Bahnhofsmission in Essen!

Es ist eine gute Tradition, dass wir auf gedruckte Weihnachtskarten und -briefe verzichten. Stattdessen wählen wir aus den Vorschlägen unserer Mitarbeiter:innen seit einigen Jahren stets einen oder mehrere Spendenzwecke aus, die uns besonders am Herzen liegen.

Die Wahl fiel uns leider auch in diesem Jahr leicht. Denn eine ehemalige Mitarbeiterin unserer Kanzlei ist vielfältig ehrenamtlich engagiert und hat uns – ohne dass sie es merkte – auf die Arbeit der Bahnhofsmission in Essen aufmerksam gemacht.

Die gemeinsam vom Diakoniewerk Essen e.V. und dem Caritasverband der Stadt Essen e.V. getragene Bahnhofsmission bietet neben umfangreichen Service- und Hilfeleistungen für Reisende ein breites Spektrum individueller und flexibler Beratungs- und Hilfeangebote für Menschen in Notsituationen im und um den Essener Hauptbahnhof.

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Personalrat ist nicht vor überlangen Gerichtsverfahren geschützt, Bundesverwaltungsgericht, Urteile v. 14.11.2024, Az. 5 C 5.23, 5 C 6.23 und 5 C 7.23

Einem Personalrat stehen Ansprüche gegen den Staat auf Entschädigung wegen der unangemessenen Dauer eines vorangegangenen personalvertretungsrechtlichen Gerichtsverfahrens auch dann nicht zu, wenn er als Entschädigung nur die gerichtliche Feststellung der Überlänge begehrt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

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Verfahrenslupe 🔍: überlange Verfahrensdauer in der Kostenfestsetzung

In einem hier vertretenen Verfahren ist offenbar der Wurm drin. Seit Januar 2019 wird um die Kostenentscheidung(en) mal gerungen oder mal auf sie gewartet. Ob es hierfür einen sachlichen Grund gibt? Und ob das Land Nordrhein-Westfalen tatsächlich insgesamt 216.000,- € Entschädigungen wegen überlanger Verfahrensdauer auszahlen muss? Vier Jahre nach dem Berufungsurteil liegen nun abschließende Entscheidungen vor, von denen eine wohl noch korrigiert wird.

Das Verfahren eignet sich für eine nähere Betrachtung in der Verfahrenslupe:

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Potenzialfeststellung für Beförderungen rechtswidrig, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 29.10.2024, Az. 1 WB 36.23

Die gegenwärtige Praxis der Bundeswehr, das Personal für den Aufstieg in die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes auch mit Hilfe einer sogenannten Potenzialfeststellung auszuwählen, bedarf einer gesetzlichen Regelung. Das hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts entschieden.

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Entlassung aus dem Pfarrdienst kraft Gesetzes nach Beurlaubung, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Urteil v. 28.02.2024, Az. 0136/A6-2022

Soweit ersichtlich hatte das Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland durch seine Verwaltungskammer in diesem Jahr erstmalig über einen besonderen Entlassungstatbestand des Pfarrdienstrechts zu entscheiden, den es in vergleichbarer Form im staatlichen Dienstrecht nicht gibt: die Entlassung kraft Gesetzes wegen der Nicht-Wiederaufnahme des Dienstes nach einer Beurlaubung.

Die Vorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD lautet:

„(1) Pfarrerinnen und Pfarrer sind kraft Gesetzes entlassen, wenn sie […]
5. durch ihr Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung erkennen lassen, dass sie den Dienst nicht wieder aufnehmen wollen […]

(2) Die für die Berufung zuständige Stelle entscheidet darüber, ob die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen und stellt den Tag der Beendigung des Pfarrdienstverhältnisses fest.“

Das genaue Verfahren für eine derartige Entlassung regelt das Gesetz nicht. Das Klageverfahren warf daher u.a. die Fragen auf, ob der beklagten Landeskirche ein Ermessen zusteht, welches Verhalten aus welchem Zeitraum „Verhalten nach Ablauf einer Beurlaubung“ darstellen könne und ob auch die Pfarrvertretung im Verfahren zu beteiligen war.

Das Kirchengericht hat die Klage abgewiesen und die Entlassung kraft Gesetzes bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

eigene Leitsätze

  1. Der Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes beschränkt sich bei der Entlassung kraft Gesetzes auf die Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen und des Tages der Beendigung des Pfarrdienstverhältnisses. Die Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ein Ermessen besteht nicht.
  2. Die unbestimmten Rechtsbegriffe „durch ihr Verhalten erkennen lassen“ und „nicht wieder aufnehmen wollen“ sind gerichtlich voll überprüfbar.
  3. Indem § 97 Abs. 1 Nr. 5 PfDG.EKD ausdrücklich an das Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers nach Ablauf einer Beurlaubung anknüpft, knüpft dieses Tatbestandsmerkmal nicht an einzelne Handlungen an, sondern an das Verhalten der Person in seiner Gesamtheit. Das schließt nicht aus, für die Auslegung des Verhaltens nach Ablauf der Beurlaubung auch Handlungen und Erklärungen in den Blick zu nehmen, die bereits vor Ablauf der Beurlaubung vorgenommen worden sind.
  4. Die Versetzung in den Wartestand ist kein milderes Mittel zur Entlassung kraft Gesetzes.
  5. Eine Beteiligung der Pfarrvertretung scheidet im Falle einer Entlassung kraft Gesetzes aus.

Die Entscheidung lautet im Volltext:

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Entfernung eines Pfarrers im Ruhestand aus dem Dienst wegen sexuellen Missbrauchs, Kirchengerichtshof der EKD, Urteil v. 06.09.2024, Az. I-0125/1-2024

Der erste Senat in Disziplinarsachen des Kirchengerichtshofs hatte über die Berufung im Rahmen eines kirchengerichtlichen Disziplinarverfahrens zu entscheiden. Nachdem bereits die Disziplinarkammer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens auf Entfernung des Pfarrers im Ruhestand entschieden hatte, hat der Senat diese Entscheidung im Ergebnis bestätigt.

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kein Anspruch auf Festsetzung von Anwaltsgebühren in gleicher Höhe für alle Parteien, Anwaltsgerichtshof NRW, Beschluss v. 27.08.2024, Az. 1 AGH 39/17

Im Rahmen eines Kostenausgleichungsverfahrens war es zu der besonderen Situation gekommen, dass eine Partei für die anwaltliche Vertretung vor dem Anwaltsgerichtshof in der ersten Instanz Gebühren nach Ziff. 3300 Nr. 2 VV RVG mit dem Quotienten 1,6 angemeldet hatte, während andere Parteien für die anwaltliche Vertretung in derselben Instanz Gebühren nach Ziff. 3100 VV RVG mit dem Quotienten 1,3 angemeldet hatten.

Der Senat hat nunmehr entschieden, dass es sich zwar jeweils um Verfahrensgebühren handele, aber kein Anspruch auf Festsetzung in gleicher Höhe besteht, wenn betragsmäßig andere Höhen beantragt wurden. Der Kostenausgleich sei dann beschränkt, weil Urkundsbeamte (und Senat) an den ursprünglichen Antrag gem. § 88 VwGO gebunden seien.

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