Die Änderung der höchstrichterlichen Rechtssprechung zur sogenannten Wartefrist bei Konkurrentenstreigkeiten ist noch nicht abgeschlossen. Bekanntlich eröffnen die Gerichte die Möglichkeit, im Beamtenbereich gegen die Ernennung von Konkurrenten im Wege der Einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO vorzugehen. Gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtes ist die Beschwerde des unterlegenen Stellen-Bewerbers zum Oberverwaltungsgericht bzw. Verwaltungsgerichtshof des jeweiligen Bundeslandes möglich. Während bis zum Sommer 2007 für alle mit der Materie des Konkurentenschutzes befassten Gerichte und Juristen als gesicherter Rechtsgrundsatz auf der Basis des § 152 VwGO feststand, dass nach der Zustellung der OVG-Beschwerdeentscheidung die Urkundsaushändigung an den im Auswahlverfahren und in der fachgerichtlichen Überprüfung erfolgreichen Bewerber erfolgen kann, wurde im Jahre 2007 erstmalig durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine weitere „Abwartefrist“ vorausgesetzt.
In der jüngsten einschlägigen Entscheidung vom 09.07.2009 -2 BvR 706/09- hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass seine frühesten Entscheidungen zur „Abwartefrist“ vom 9. Juli 2007 -2 BvR 206/07- und 24. September 2007 -2 BvR 1586/07- datieren. Dies bestätigt, dass es keine früheren Entscheidungen zur „Abwartefrist“ gibt.
Wie diese „Abwartefrist“ zu berechnen ist, ist sogar bis heute nicht geklärt. Während der Oberverwaltungsgerichte bis heute im Anschluss an den Hess. VGH in seinem Beschluss vom 4. September 2007 -1 TG 1208/07- zumeist analog zu § 147 Abs. 1 VwGO davon ausgehen, dass aus Effektivitätsgründen vierzehn Tage nach der OVG/VGH-Entscheidung ausreichen, hat das Bundesverfassungsgericht in der jüngsten Entscheidung vom 09.07.2009 ausgeführt, dass regelmäßig eine Monatsfrist (!) einzuhalten sei.
In besonderen Eilsituationen sollen andererseits aber
„im Fall dringender dienstlicher Bedürfnisse… Ausnahmen von der grundsätzlich anzuerkennenden Wartefrist gegeben sein [können]. Diese entziehen sich allerdings ‑ ebenso wie die Bestimmung der Länge der Wartefrist ‑ einer schematischen Beurteilung; vielmehr kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei sind das Interesse des Beschwerdeführers an der Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes und das Interesse seines Dienstherrn an einer zeitnahen Stellenbesetzung gegeneinander abzuwägen“. ( BVerfG vom 09.07.2009 -2 BvR 706/09-; Hervorhebungen des Autors)
Die Unklarheiten gehen jedoch noch weiter, denn über die Monatsfrist hinaus soll dem Bundesverfassungsgericht „ein hinreichender zeitlicher Spielraum für eine zügige Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde bzw. über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbleiben“ ( BVerfG vom 09.07.2009; ebd.). Mangels einer gesetzlichen Regelung bleibt also bis heute eine Unklarheit über die genau Länge der vom Dienstherrn einzuhaltenden Wartefrist.
In Hinblick auf die jüngste Rechtssprechung vom 09.07.2009 ist nunmehr allen Dienstherren für die Zukunft zu raten, bei problematischen Beförderungsfällen ab der Zustellung der [für sie positiven] OVG/VGH-Entscheidung nochmals 6-8 Wochen zu warten, bevor die Ernennungsurkunde an den favorisierten Bewerber ausgehändigt wird. Endgültige Klarheit über die Frist besteht noch nicht. Gerade in Hinblick auf die vom BVerfG nicht definierten Ausnahmesituationen besteht erhebliche Rechtsunsicherheit. Eine gesetzliche Regelung wäre wünschenswert.
Aus rechtspolitischer Sicht bleibt fraglich, warum diese „Abwartefrist“ nur für den beamtenrechtlichen Konkurrentenschutz gelten soll. Es gibt nämlich zahlreiche staatliche Eingriffe, die in grundrechtlich geschützte Positionen (z.B. Sorgerecht, Freiheitsentziehung, Abschiebung) eingreifen. Auch in derartigen Fällen müßte konsequenter weise die Zeit eröffnet werden, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, bevor ein unwiderruflicher Vollzug erfolgt.