„Definitiv keine Bürgerbefragung“ in Dörpen, Neue Osnabrücker Zeitung vom 15.08.2009

Von Johannes Kapitza
Dörpen.
Über eine Stunde lang hatten der von der Initiative Campact beauftragte Düsseldorfer Rechtsanwalt Robert Hotstegs und die Spitze der Dörpener Verwaltung sowie Vertreter des Gemeinderates im Gasthaus Westhus zusammengesessen – in durchaus sachlicher Atmosphäre, wie Gemeindedirektor Hans Hansen betonte: „Das hat uns ganz gutgetan.“ Zu einer einheitlichen Sichtweise der Rechtslage, was eine Bürgerbefragung zum geplanten Kohlekraftwerk in Dörpen betrifft, führte der Gedankenaustausch jedoch nicht.

Vor der Presse erläuterte Hotstegs anschließend seine Analyse und die zentrale Aussage, dass eine Bürgerbefragung als „allgemeines Instrument ohne verbindliche Rechtswirkung“ juristisch zulässig sei. Eine Bürgerbeteiligung in der Meinungsbildung bezeichnete Hotstegs als „Königsweg“. Eine Befragung sei „in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen“ durchzuführen, erhöhe die Akzeptanz für das Ergebnis auf allen Seiten und könne eine „deutlich streitentschärfende Wirkung“ haben. Er schlug daher vor, die Bürger dahingehend zu befragen: „Soll die Gemeinde den Bau und die Ansiedlung eines Kohlekraftwerkes in Dörpen fördern?“ Die Fragestellung könne eine „einleitende Grundsatzentscheidung“ zum Kraftwerk aufgreifen.

Hansen erklärte, Hotstegs’ Ausführungen seien „zu 99 Prozent richtig, aber die örtlichen Gegebenheiten sind nicht berücksichtigt“. Diese Grundsatzentscheidungen seien durch die vom Rat einstimmig gefassten Beschlüsse für die Aufstellung und die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanes bereits lange getroffen. In der Phase der Bauleitplanung verstoße eine Bürgerbefragung „eindeutig“ gegen geltendes Recht. Der stellvertretende Gemeindedirektor Andreas Hövelmann führte aus, eine Befragung hätte eine juristisch unzulässige, „faktische Bindungswirkung“ für die Entscheidung des Rates. Die Gemeinde beruft sich auch auf Robert Thiele als Sachverständigen, der im Niedersächsischen Innenministerium unter anderem „wesentlich an der Gestaltung der Niedersächsischen Gemeindeordnung beteiligt“ gewesen sei. Thiele habe die Rechtsauffassung der Gemeinde bestätigt.

Hövelmann bezweifelte außerdem, dass die Fronten durch eine Befragung befriedet würden. Er widersprach außerdem Tim Weber vom Verein „Mehr Demokratie“, der gemutmaßt hatte, der Rat wolle aus der politischen eine juristische Frage machen und sich damit „vor politischer Verantwortung drücken“.

Hansen erinnerte daran, dass letztlich der Gemeinderat eine Befragung initiieren müsse. „Der Rat hat zweimal einstimmig entschieden. Deutlicher geht es nicht. Er braucht kein Votum der Bürger.“ Schneider erklärte, der Rat habe sich „drei Jahre lang wirklich intensiv mit dem Kraftwerksvorhaben befasst“. Weder die Verwaltung noch höhere politische Ebenen hätten die Meinung der Ratsmitglieder beeinflusst. Die Bürgerinitiative (BI) Saubere Energie sei mit ihrer Unterschriftenaktion für eine Bürgerbefragung „anderthalb Jahre durchs Land gelaufen“ und habe danach amtlich ausgezählte 45,3 Prozent der Dörpener Bevölkerung auf ihrer Seite gehabt. Daher sehe er keinen Grund für eine Bürgerbefragung. Schneider: „Wenn keine Gefahr für Mensch und Umwelt besteht, werden wir dieses Projekt nach geltendem Recht durchführen. Wir stehen zum Kraftwerk und werden das umsetzen.“

BI-Sprecherin Inge Stemmer kritisierte, die Bürger würden im politischen Entscheidungsprozess „überfahren und als störend zur Seite geschoben“. Dies wies Hansen zurück: Die Bevölkerung sei frühzeitig und umfassend über die Kraftwerkspläne informiert worden. Eine Bürgerbefragung sei auch „eine Frage des politischen Stils“, argumentierte Anwalt Hotstegs. Der soll künftig verstärkt in die Öffentlichkeit gerückt werden, wie Ferdinand Dürr von Campact erklärte. Die Initiative wolle die Lokalpolitiker „ganz genau beobachten“ und die nächste Sitzung des Gemeinderates live im Internet übertragen.