Flächenbrand für die Kommunen?, Westdeutsche Zeitung v. 06.08.2015

Der Streit um Überstunden für die Feuerwehr könnte die Städte Millionen kosten. Das geht jetzt aus einem neuen Gutachten hervor.
Gericht

Düsseldorf. Ein 38-jähriger Feuerwehrmann zündelt am Haushalt der Landeshauptstadt. Denn er will nicht hinnehmen, dass seine Überstunden mit einer Kostenpauschale von 20 Euro pro Schicht abgegolten werden. Am 21. August wird das Düsseldorfer Verwaltungsgericht über den Fall verhandeln, der sich zu einem Flächenbrand für viele andere Kommunen ausweiten könnte. Denn Rechtsanwalt Robert Hotstegs, der den Feuerwehrmann vertritt, legte gestern ein Gutachten vor, nach dem die bisherige Praxis sowohl gegen europäisches Recht als auch die Verfassung verstoße.

Ausgangspunkt der Klage war die so genannte Facebook-Affäre im Vorfeld der Kommunalwahl in Düsseldorf. Mitglieder der Feuerwehr hatten sich im Internet über ihren damaligen Dienstherren, den Oberbürgermeister Dirk Elbers, ausgelassen. Der ließ zunächst Feuerwehrleute suspendieren, nach massiven Protesten, auch aus der Bevölkerung, wurde die Affäre beigelegt. Trotzdem erlitt Elbers einen massiven Imageverlust. Bei der Wahl unterlag er seinem Widersacher Thomas Geisel deutlich.

Sonderschichten pauschal mit 20 Euro vergütet

Beigelegt wurde der Konflikt damals durch eine so genannte „Opt-Out-Regelung“. So wurden die zahlreich angefallenen Sonderschichten der Feuerwehrleute im Nachhinein pauschal mit einem Betrag von 20 Euro pro Dienstschicht vergütet – und nicht nach dem Stundensatz, der normalerweise hätte bezahlt werden müssen. Die meisten Feuerwehrleute stimmten aber zu. Diese Regelung wurde von vielen anderen Städten übernommen, die ähnliche Probleme mit den vielen Überstunden ihrer Lebensretter hatten.

„Notfalls drehen wir eine Runde über das Verfassungsgericht.“ Robert Hotstegs, Rechtsanwalt

Nicht einverstanden war damit der 38-Jährige, der von Robert Hotstegs vertreten wird. Der Fachanwalt für Verwaltungs- und Beamtenrecht reichte Klage ein. Für den Prozess vor dem Verwaltungsgericht hat der Hamburger Rechtswissenschaftler Frank-Rüdiger Jach ein Gutachten erstellt, das gestern präsentiert wurde. Das Ergebnis dürfte viele städtische Kämmerer sehr beunruhigen.

Denn der Professor kommt zu dem Ergebnis, dass die Pauschalen-Regelung rechtswidrig ist. So verlangt das Europarecht von allen Mitgliedsstaaten einen „erhöhten Gesundheitsschutz“. Die Arbeitswoche dürfe maximal 48 Stunden umfassen und davon dürfe nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Das sei aber bei der Feuerwehr fast die Regel. Kritisiert wurde von dem Rechtswissenschaftler auch die Vergütung der Zulagen, die er für verfassungswidrig hält. Sollte sich das Verwaltungsgericht damit nicht beschäftigen, will Hotstegs in jedem Fall weitermachen: „Notfalls drehen wir eine Runde über das Bundesverfassungsgericht.“

Er hofft allerdings, dass dies nicht nötig sein wird. Das Verfahren des Düsseldorfer Feuerwehrmanns gilt als Musterprozess. Der 38-Jährige will Entgelt für Mehrarbeit aus den Jahren 2010 bis 2013 einklagen. Insgesamt fordert er Schadensersatz in Höhe von 8500 Euro. Bereits seit zwei Jahren hat er versucht, sich außergerichtlich mit der Stadt zu einigen. Das gelang aber nicht. Die Kanzlei vertritt noch andere Feuerwehrleute, die mit Spannung das Ergebnis erwarten.

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