dienstliche Beurteilungen der Finanzverwaltung nach BuBR 2011 sind rechtswidrig, Verwaltungsgericht Köln, Urteil v. 17.01.2014, Az. 19 K 5097/12

Wie bereits in einer Vorabmeldung dargestellt, hat das Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil vom 17.01.2014 grundlegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beurteilungen in der Finanzverwaltung NRW geäußert. Die Zweifel sind derart gravierend, dass davon auszugehen ist, dass alle derzeitigen dienstlichen Beurteilungen und auch alle hierauf begründeten Personalentscheidungen (z.B. Beförderungen) rechtswidrig sind. Betroffenen Beamten ist daher zu raten, Rechtsmittel zu prüfen und notfalls gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln liegt nun im Wortlaut vor:

Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2012 verurteilt, die für den Zeitraum 01.01.2009 bis zum 31.12.2011 erstellte dienstliche Beurteilung vom 09.03.2012 aufzuheben und den Kläger für den vorgenannten Zeitraum erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts dienstlich zu beurteilen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens. […]

Tatbestand
Der im Jahre 1969 geborene Kläger wendet sich gegen seine Beurteilung vom 9.3.2012.

Er steht seit August 1991 im Dienst des beklagten Landes in der Finanzverwaltung. Zuletzt wurde er im August 1998 zum „Steueroberinspektor“ (A 10) ernannt. Er ist seit Februar 2007 bei dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (STRAFA) als Fahndungsprüfer eingesetzt.

Für den Beurteilungszeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2011 stellte sich das Verfahren wie folgt dar. Am 26.09.2011 führte Herr StOAR … mit dem Kläger ein Beurteilungsgespräch. Die Sachgebietsleiter beim STRAFA besprachen sich über die anstehenden Beurteilungen am 05.10.2011, 13.10.2011, 05.12.2011 und 09.01.2012. Am 15.12.2011 fand die Regionalbesprechung der Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung und am 24.01.2012 die Gremiumsbesprechung aller Dienststellenleitungen des Oberfinanzbezirks statt. In dem Beurteilungsplan, der in den Sachgebietsleiterbesprechungen erstellt wurde, ist der Kläger mit dem beabsichtigten Gesamturteil „vollbefriedigend unterer Bereich“ und einer prognostischen Gesamtpunktzahl „33“ aufgeführt.

Unter dem 09.03.2012 wurde der Kläger dienstlich beurteilt. Die Beurteilung lautet im
Gesamturteil auf „vollbefriedigend unterer Bereich“. Sie wurde durch den Vorsteher des STRAFA Herrn … gezeichnet. Die Leistungsmerkmale wurden 3-mal mit 3 Punkten und 1-mal mit 4 Punkten bewertet, die Befähigungsmerkmale 6-mal mit 3 Punkten und 1-mal mit 2 Punkten. In der Beurteilung ist die Beteiligung des Sachgebietsleiters Herrn … vermerkt, dem der Kläger vom 1.8.2009 bis 31.12.2011 unterstand. Bis 31.07.2009 war Herr ORR … sein Sachgebietsleiter.

Der Kläger beantragte am 21.06.2012 die Abänderung seiner Beurteilung. Er sah sich insbesondere in der Arbeitsmenge und der Arbeitsgüte durch seinen damaligen Sachgebietsleiter – Herrn … – zu schlecht beurteilt. Zudem sei die Verschlechterung auf der Beförderungsrangliste nicht nachvollziehbar.

Das beklagte Land lehnte es nach Einholung von Stellungnahmen von Herrn …, Herrn …, Herrn … und dem ehemaligen Vorsteher Herrn … mit Bescheid vom 20.07.2012 ab, die Beurteilung zu ändern. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 30.07.2012 übergeben. Zur Begründung führte das beklagte Land aus, dass der Kläger in seiner Arbeitsweise zu schwach und zu oberflächlich sei und seine Ermittlungen oft wenig transparent und nachvoliziehbar seien. Seine Aktenführung sei chaotisch, weshalb der Sachgebietsleiter ihm häufig Hinweise und Anregungen habe erteilen müssen. Die schwachen Arbeitsentwürfe des Klägers hätten zeitaufwendig hinterfragt und überarbeitet werden müssen. Im Vergleich zur Vorbeurteilung habe sich der Kläger nicht verschlechtert; die Veränderung in der Beförderungsrangliste sei auf die veränderten Beurteilungs- und Beförderungsrichtlinien zurückzuführen.

Der Kläger hat am 30.08.2012 Klage erhoben. Er hält die Beurteilungsrichtlinien für rechtswidrig. Die Festlegung eines Gesamturteils durch ein Gremium ohne vorherige Bewertung der Einzelmerkmale verstoße gegen Art. 33 Abs. 3 GG, da das Gesamturteil nicht mehr aus den Einzelmerkmalen entwickelt würde. Aus Ziff. 6 der Richtlinien gehe nicht hervor, wie sich das vier- bzw. fünfstufige, in arabischen Zahlen codierte System der Ausprägungsgrade zu dem siebenstufigen Gesamtnotensystem verhalte. Daneben halte er seinen Sachgebietsleiter Herrn … für voreingenommen, da die Kommunikation mit ihm erheblich erschwert gewesen sei und er den Kläger in seiner Arbeitsleistung benachteiligt habe. Die Beurteilung sei schließlich unplausibel. Die „Zusammenfassende Würdigung“ widerspreche den Einzelbewertungen, insbesondere hinsichtlich der Ar­beitsweise, der Arbeitsgüte und des Sozialverhaltens, da der Text eine „umfassende Erfüllung“ der Anforderungen belege.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2012 zu verurteilen, die für den Zeitraum 01.01.2009 bis zum 31.12.2011 erstellte dienstliche Beurteilung vom 09.03.2012 aufzuheben und den Kläger für den vorgenannten Zeitraum erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts dienstlich zu beurteilen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Das beklagte Land verteidigt die angegriffene Beurteilung. Die rechtmäßigen Verfahrensvorschriften seien eingehalten worden. Von einer Voreingenommenheit des Herrn … sei nicht auszugehen, dienstliche Spannungen und die kritische Einschätzung der Arbeitsweise reichten nicht aus, eine Voreingenommenheit anzunehmen. Der Beurteiler Herr … sei ebenfalls nicht voreingenommen gewesen. Schließlich widersprächen die Einzelmerkmale nicht der „Zusammenfassenden Würdigung“, da in beiden das Bild eines durchschnittlichen Beamten gezeichnet werde.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Umstände der Erstellung der dienstlichen Beurteilung des Klägers durch Vernehmung von Herrn … und Herrn … als Zeugen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17.01 .2014 verwiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der OFD ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angegriffene dienstliche Beurteilung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung vom 09.03.2012 ist rechtswidrig; der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass er für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2011 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts dienstlich beurteilt wird.

Rechtsgrundlage der dienstlichen Beurteilung ist § 93 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) [vom 01 .04.2009 – GV.NRW. S. 224; zuletzt geändert durch Gesetz vom 01 .10.2013 – GV.NRW. S. 566 -]. Danach dienen Beurteilungen dem Zweck, Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamten festzustellen. Diese sollen unter anderem unabhängig von konkreten Anlässen in regelmäßigen Abständen in so genannten Regelbeurteilungen dienstlich beurteilt werden. Nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung sollen allein der Dienstherr oder der für ihn handelnde Vorgesetzte ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob der Beamte den – ebenfalls von dem Dienstherrn zu bestimmenden – vielfältigen fachlichen und persönlichen Anforderungen des ihm übertragenen Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem ein Beurteilungsspielraum zu. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der erstellten Beurteilung ist daher eingeschränkt. Die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der Dienstvorgesetzte den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat

ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 27.10.1988 – 2 A 2.87 -‚
Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 12; OVG NRW, Urteil vom 23.6.2006 – 6 A 1216104 –www.nrwe.de; Beschlüsse vom 27.12.2007 – 6 A 1603/05 -‚ juris, vom 13.12.1999-6 A 3599/98-, DÖD 2000,161 und -6 A 3593/98-, DÖD 2000, 266.

Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen,

BVerwG, Urteil vom 26.06.1980 -2 C 13/79 -‚ juris Rn. 29; OVG NRW, Urteil vom 24.01.2011 – 1 A 1810/08 -‚ juris Rn. 30 m.w.N.; VG Hamburg, Urteil vom 26.02.2013 – 8 K 1969/11 -‚ juris.

Gemessen an diesen Maßstäben ist die über den Kläger erstellte dienstliche Beurteilung vom 09.03.2012 rechtlich fehlerhaft.

Die Beurteilung ist in einem durch die „Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamtinnen und Beamten der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen“ (BuBR 2011) des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen rechtswidrig geregelten Beurteilungsverfahren erstellt worden. Die BuBR 2011 sehen vor, dass der Beurteiler die Einzelmerkmale der Leistungsbeurteilung und der Befähigungsbeurteilung erst dann endgültig beurteilt, nachdem das Gesamturteil der Beurteilung gern. Ziff. 4.4.3 BuBR 2011 für ihn bindend in der Gremiumsbesprechung festgelegt wurde. Diese durch die BuBR 2011 bestimmte Reihenfolge bei der Bewertung von Gesamturteil und Einzelkompetenzen verstößt gegen das Gebot der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG. Werden die Einzelmerkmale einer Beurteilung erst nach dem Gesamturteil endgültig festgelegt, verlieren die Bewertungen der Einzelmerkmale ihre Aussagekraft für künftige auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilung zu treffende Auswahlentscheidungen des beklagten Landes. Dienstliche Beurteilungen dienen dem Zweck, einen am Leistungsgrundsatz ausgerichteten Vergleich der Beurteilten bei Auswahlentscheidungen zu ermöglichen. Bei Auswahlentscheidungen hat der Dienstherr aber nicht allein auf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung abzustellen; bei gleichem Gesamturteil der Bewerber ist er gehalten, die dienstliche Beurteilung umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungsmerkmale zu berücksichtigen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 -2 C 19/10-, juris Rn. 17 m.w.N.

Die eigenständige Berücksichtigung der Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung ist deshalb geboten, weil die Bewertung in einzelnen unterschiedlichen Leistungs- und Befähigungsbereichen eine größere Aussagekraft eines Beamten für einen bestimmten Beförderungsdienstposten haben kann als allein das Gesamturteil,

vgl. VG Hamburg, Urteil vom 26.02.2013-8 K 1969/11 -‚ juris Rn. 64.

Dieser eigenständigen Bedeutung der Einzelmerkmale für künftige Auswahlentscheidungen wird nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn das Gesamturteil aus den zuvor festgelegten Einzelmerkmalen in der Weise entwickelt wird, dass es durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der Einzelbewertungen gebildet wird,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.09.2011 – 2 VR 3/11 -‚ juris Rn. 23 m.w.N.; vgl. VG Hamburg, Urteil vom 26.02.2013 – 8 K 1969/11 -‚ juris Rn. 66; siehe auch Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl. 2013, § 11, Rn. 49 unter Hin­weis auf BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 -2 0 21/93: Das Gesamturteil ist kreativ aus den Bewertungen der Einzelmerkmale zu entwickeln.

Dieser Vorgang zur Bewertung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des zu beurteilenden Beamten kommt entsprechend in § 93 Abs. 1 Satz 3 LBG NRW zum Ausdruck. Nach dessen Wortlaut ist die Beurteilung mit einem Gesamturteil „abzuschließen“ (Hervorhebung durch die Kammer).

Das in den BuBR 2011 geregelte Beurteilungsverfahren beachtet die eigenständige Bedeutung der Einzelmerkmale einer Beurteilung nicht. Bei dem nach den BuBR 2011 vorgesehenen Verfahren besteht die Gefahr, dass die Einzelkategorien nicht jeweils für sich betrachtet und unter Ausschöpfung des von den Punktwerten 1 bis 5 und den Ausprägungsgraden „sehr stark ausgeprägt“ bis „weniger ausgeprägt“ gebildeten Spielraums bewertet werden, sondern die Vergabe der Ausprägungsgrade maßgeblich danach ausgerichtet wird, keine Implausibilität zwischen dem zuvor bindend festgelegten Gesamturteil und der Summe der Einzelbewertungen zu erzeugen. Der Beurteiler des zu beurteilenden Beamten kann nach vorheriger Festlegung des Gesamturteils nicht mehr unbefangen über die Bewertung der Einzelmerkmale entscheiden.

Die Beurteilung des Klägers ist nach den rechtswidrigen verfahrensrechtlichen Vorgaben der BuBR 2011 erstellt worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass das Gesamturteil vorliegend nicht aus den Bewertungen der Einzelmerkmale entwickelt wurde. Die Zeugen Herr … und Herr … haben ausführlich und nachvollziehbar erläutert, dass jeder Beamte nach seinen Leistungen in einen Beurteilungsplan eingereiht wurde. Die Einzelmerkmale seien in den Sachgebietsleiterbesprechungen zwar auch angesprochen worden, sie seien aber vor der Festlegung des Gesamturteils nicht „sklavisch“ durchgesprochen worden. Ziel der Sachgebietsleiterbesprechungen sei die Festlegung einer Leistungsreihenfolge gewesen. Dafür seien nur das Gesamturteil und die prognostische Summe der Einzelmerkmale erforderlich. Schriftliche Beurteilungsentwürfe hätten zum Zeitpunkt der Erstellung des Beurteilungsplans nicht vorgelegen. Mit ihren Angaben haben die Zeugen deutlich gemacht, dass es für das Beurteilungsverfahren bis zur Entscheidung in der Gremiumsbesprechung allein bedeutsam war, das Gesamturteil festzulegen. Weder kommt den Einzelmerkmalen bei dieser Verfahrensweise die erforderliche eigenständige beurteilungsrechtliche Bedeutung zu, noch wird das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen entwickelt.

Die praktizierte und in den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Verfahrensweise stellt sich aus einem weiteren Grund als rechtswidrig dar. Nach Ziff. 4.4.3 Abs. 1 Satz 4 BuBR 2011 sind die Ergebnisse der Gremiumsbesprechung für den Dienststellenleiter (Beurteiler) bindend. Dies ist unvereinbar mit dem Grundsatz, dass der Beurteiler – und nicht der Vorgesetzte des Beurteilers oder andere Personen – die Beurteilung eigenverantwortlich und nach eigener Überzeugung zu erstellen hat. Nach Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilung muss der jeweils zuständige Beurteiler nicht nur in der Lage sein, das ihm anvertraute höchstpersönliche Werturteil über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten abzugeben. Die Beurteilung muss sich auch tatsächlich als ein von ihm verantwortetes eigenes und unabhängiges Urteil über den Beamten darstellen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17.04.1986 -2 C 13.85-, juris Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 24.01 .2011 – 1 A 1810/08 -‚ juris Rn. 43; Schnellenbach, Die dienstliche Beur­teilung der Beamten und der Richter, B V 2, Rn. 282.

Auch wenn das für den Kläger vorgeschlagene Gesamturteil und die Summe der Einzelbewertungen in der Gremiumsbesprechung nicht geändert wurden, hat der Beurteiler Herr … die Bewertungen nicht unabhängig und eigenverantwortlich erstellt. Er hat in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, dass die Sachgebietsleiterbesprechungen nur der prognostischen Festlegung des Gesamturteils dienten, bis in der Gremiumsbesprechung über die Beurteilungen für ihn bindend entschieden werde.

Die Beurteilung des Klägers verstößt schließlich auch gegen Ziff. 4.5 Satz 3 BuBR 2011. Danach ist die Beteiligung früherer Vorgesetzter des zu beurteilenden Beamten – sofern sie an der Beurteilung beteiligt werden – in der Beurteilung zu vermerken. In der streitgegenständlichen Beurteilung sind die Beteiligungen nur unvollständig aufgeführt, da nur Herr … als früherer Vorgesetzter genannt wird. Neben der Beteiligung von Herrn … war auch die Beteiligung von Herrn ORR … unter Punkt IX. der Beurteilung zu vermerken. Das Gericht hat nach den glaubhaften Angaben der Zeugen … und … zwar keinen Zweifel daran, dass der für den Kläger vom 01.01.2009 bis 31.07.2009 zuständige Sachgebietsleiter Herr … bei der Erstellung der Beurteilung beteiligt wur­de. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Beteiligung des ehemals zuständigen Sachgebietsleiters … in der Beurteilung nicht formal vermerkt wurde.

Die Rüge des Klägers zur Voreingenommenheit des Beurteilungsgehilfen Herrn … greift hingegen nicht durch. Es ist vorliegend nicht von seiner Voreingenommenheit auszugehen. Eine solche liegt dabei tatsächlich vor, wenn der Beurteiler nicht willens oder nicht in der Lage ist, den Beurteilten sachlich und gerecht zu beurteilen. Voreingenommenheit unterscheidet sich von der Besorgnis der Befangenheit dadurch, dass die mangelnde Objektivität und Unvoreingenommenheit gegenüber dem zu Beurteilenden nicht aus dessen subjektiver Sicht, sondern aus der Perspektive eines objektiven Dritten festzustellen ist. Selbst gravierende Spannungen, die ein Ausmaß erreicht haben, dass nach Auffassung der Personalführung die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes unmöglich gewesen sein sollte, rechtfertigen nur im Ausnahmefall die Annahme der Befangenheit. Aus den vom Kläger angeführten Umständen der überlangen Bearbeitungszeit durch Herrn … und eines Vorfalls aus dem Sommer 2010 ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit. Der Zeuge … hat in der mündlichen Verhandlung hinreichend verdeutlicht, warum er die vom Kläger vorgelegten Vorgänge zeitaufwendiger und intensiver bearbeiten musste. Anhand von Beispielen hat er nachvollziehbar geschildert, dass er wegen der Aktenführung und Arbeitsweise des Klägers nur erschwert Zugang zu den Akten habe finden können. Andere Beamte hätten es hingegen vermocht, ihn durch die vorgelegten Berichte „quasi an der Hand“ durch den Sachverhalt zu führen. Seine Schilderungen ergänzten seine ausführliche Stellungnahme im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens, in der er bereits die Probleme bei der Überarbeitung der vom Kläger vorgelegten Fälle erläutert hatte. Auch wenn sich der Zeuge nicht mehr an den vom Kläger vorgelegten, verzögert gezeichneten Prüfungsvermerk erinnern konnte, hat er anhand eines anderen konkreten Beispiels erläutert, dass die Zeichnung von Prüfungsvermerken aus verschiedenen Gründen einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen konnte. Die sachlich gehaltenen Schilderungen des Vorfalls aus dem Sommer 2010 lassen ebenfalls nicht auf ein gravierendes Zerwürfnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen … schließen. Ergänzend zu den Erläuterungen in der Stellungnahme im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens führte der Zeuge … glaubhaft aus, dass die Angelegenheit nach einem klärenden Gespräch von beiden als erledigt betrachtet worden sei.

Ergänzend und ohne dass es hier darauf ankommt, weist die Kammer zur Vermeidung weiterer rechtlicher Auseinandersetzungen darauf hin, dass den Anforderungen an die Plausibilisierung der Beurteilung genüge getan sein dürfte. Die vorgenommene Punktbewertung dürfte der textlichen Würdigung unter Punkt V. der Beurteilung nicht widersprechen. Obwohl die zusammenfassende Würdigung in positiven Sprachwendungen gefasst ist, enthält sie auch kritische Formulierungen, die eine durchschnittliche Benotung der Merkmale rechtfertigen dürften. In gleicher Weise dürfte das Gesamturteil nicht der Bewertung der Einzelmerkmale widersprechen. Das Gesamturteil „vollbefriedigend“ soll Beamten zuerkannt werden, die in Teilbereichen über dem Durchschnitt liegen. Aufgrund der Bewertung eines Leistungsmerkmals mit 4 Punkten und der positiven Befähigungsbeurteilung erscheint das erteilte Gesamturteil nachvollziehbar.

Ebenso dürfte der Einwand des Klägers nicht durchgreifen, dass das Verhältnis der Punktwerte der Einzelmerkmale und der Gesamtnote nicht ersichtlich und nachvollziehbar sei. Anders als in den Beurteilungsrichtlinien der Zollverwaltung, die dem Urteil des VG Hamburg vom 26.02.2013 (a.a.O.) zugrundelagen, sind die Punktwerte hinsichtlich der Leistungsmerkmale und des Gesamturteils anhand eines Vergleichs des gezeigten Verhaltens mit den zugrundeliegenden Anforderungen zu vergeben und orientieren sich am Durchschnitt. Dabei ist die Begründung hinter den einzelnen Gesamtnoten klar gefasst und verständlich.

Das beklagte Land hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, sodass die Entscheidung noch nicht rechtskräftig geworden ist. Der Antrag ist beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen unter dem Az. 6 A 360/14 anhängig. (Stand: 17.03.2014)