bei gekürzten Dienstbezügen muss Vermögen nicht aufgezehrt werden, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 21.01.2014, Az. 31 L 2237/13.O

Im Rahmen eines Disziplinarverfahrens können die Dienstbezüge des betroffenen Beamten teilweise einbehalten werden. Dies setzt aber voraus, dass einerseits mit einer der Maximalstrafen im Disziplinarverfahren zu rechnen ist und andererseits auch der Lebensunterhalt des Beamten gesichert ist. Dies gibt häufig Anlass zu Überprüfungen und zu einem speziellen Antragsverfahren nach § 63 Abs. 1 LDG NRW.

In einem solchen Verfahren hat die Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nun entschieden, dass der Beamte nicht darauf verwiesen werden kann, dass er Eigentum veräußert habe und nun zunächst den Verkaufserlös verbrauchen müsse. Im konkreten Fall war während des Diziplinarverfahrens ein Haus im (Mit-)Eigentum des Beamten verkauft worden.

 

Das Verwaltungsgericht begründet dies ausführlich:

Die durch Verfügung des Antragsgegners vom 21. Oktober 2013 an­geordnete sofortige Einbehaltung von 50% der Dienstbezüge der An­tragstellerin wird ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

 

Gründe:

Der am 6. November 2013 bei Gericht eingegangene Antrag der Antragstellerin.

die Einbehaltungsanordnung vom 21. Oktober 2013 insoweit auszu­setzen, als dass dort Einkünfte der Antragstellerin aus einem Hausverkauf in Höhe von 1.027,81 Euro monatlich berücksichtigt werden,

hat Erfolg.

Nach § 63 Abs. 1 LDG NRW kann die Aussetzung einer gemäß § 38 Abs. 2 LDG NRW angeordneten Einbehaltung von Dienstbezügen beim Gericht der Hauptsache beantragt werden, wobei dieser Antrag an keine Frist gebunden ist.

Danach ist der Antrag zulässig. Zwar ist das Gericht nicht befugt, die Ermessensentschei­dungen der Dienstbehörde durch eigene zu ersetzen und einen danach für ermessensge­recht erachteten Einbehaltungssatz zu bestimmen.

Vgl. Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Aufl. 2012, § 63 Rn. 10, sowie Urbanlwittkowski, BDG, Kommen­tar (2011), § 63 Rn. 16, jeweils m.w.N.

Der in dieser Hinsicht aufgrund der Bezugnahme auf die Berücksichtigung von Einkünften der Antragstellerin aus einem Hausverkauf zumindest missverständlich formulierte Antrag ist aber unter Beachtung des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin dahin auszule­gen, dass sie die vollständige Aussetzung der konkret bezeichneten Einbehaltungsanord­nung vom 21. Oktober 2013, die sie wegen der Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus dem Hausverkauf für rechtswidrig erachtet, beantragt, so dass die von ihr nicht angegriffene Einbehaltungsanordnung vom 13. August 2013 wieder aufleben dürfte.

Der Antrag ist auch in der Sache begründet.

Die Einbehaltung von Bezügen ist gemäß § 63 Abs. 2 LDG NRW auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Maßgeblich ist insoweit die aktuelle Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Vgl. Urban/Wittkowski, a.a.O., § 63 Rn. 15 m.w.N.

Es bestehen im gegenwärtigen Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid der OFD vom 21. Oktober 2013 angeordneten Einbehaltung von 50 v.H. der Dienstbezüge der Antragstellerin.

Nach § 38 Abs. 2 LDG NRW kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfah­ren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Die Voraussetzung, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Be­amtenverhältnis erkannt werden wird, ist hier erfüllt; […]

Die Einbehaltungsanordnung ist jedoch der Höhe nach (50 v.H. der Dienstbezüge) zu be­anstanden, da bei deren Bemessung Ermessensfehler zu Tage getreten sind.

Die Einbehaltungsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung, die vom Disziplinarge­richt nur auf Ermessensfehler zu prüfen ist. Die Einleitungsbehörde muss ihr Ermessen am Grundsatz der angemessenen Alimentation eines Beamten und der Fürsorge ihm ge­genüber orientieren. Die Alimentations- und Fürsorgepflicht gilt für die Dauer des förmli­chen Disziplinarverfahrens fort. Die Behörde muss die konkreten Umstände des Einzelfal­les berücksichtigen. Zwar muss der Beamte eine gewisse Einschränkung seiner Lebens­führung hinnehmen, die Einbehaltung darf jedoch wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen oder nicht wieder gut­zumachenden Nachteilen führen.

Ermessensfehlerhaft hat der Antragsgegner die der Antragstellerin nach Veräußerung des in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Grundstücks zufließenden monatlichen Kauf­preisraten bei der Berechnung ihrer Einnahmen berücksichtigt und den zuletzt mit Verfü­gung vom 13. August 2013 auf 25 v.H. festgesetzten Einbehaltungssatz auf dieser Grund­lage nunmehr mit 50 v. H. bemessen.

Die der Antragstellerin zufließenden Kaufpreisraten stellen kein Einkommen, sondern eine Vermögensposition dar, denn dabei handelt es sich um das aus der Veräußerung des Grundstücks, bei dem es sich ohne Zweifel um eine Vermögensposition handelte, herrüh­rende Surrogat, nicht aber um einen Bestandteil des bei der Saldierung einzustellenden Nettoeinkommens. Die Einbehaltung der Dienstbezüge darf jedoch grundsätzlich nicht so hoch bemessen sein, dass der Beamte gezwungen wird, sein Vermögen zur Sicherstel­lung seines Lebensunterhalts einzusetzen.

Die zur Einbehaltungsanordnung ermächtigende Vorschrift des § 38 Abs. 2 LDG NRW macht für die Bemessung nur insoweit Vorgaben, als sie den Höchstsatz bestimmt. In Rechtsprechung und Literatur ist indes anerkannt, dass der Grundsatz der angemessenen Alimentation fortdauert.

Vgl. Hummel/Köhler/Mayer, a.a.O., § 38 Rn. 9; Urban/Wittkowski, a.a.O., § 38 Rn. 40, jeweils m.w.N.

Dabei entspricht es einhelliger Ansicht, dass der Beamte Einschnitte in seine bisherige
Lebensführung hinnehmen muss, dies andererseits aber nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen oder nicht wieder gutzumachende Nachteilen führen darf. Ob der Beamte indes überhaupt auf den Einsatz von Vermögen zur Bestreitung sei­nes Lebensunterhaltes verwiesen werden darf, ist ebenso umstritten wie die Frage, in wel­chen Fällen dies bejahendenfalls in Betracht kommt.

In der Literatur wird zum Teil vertreten, bei der Einbehaltungsentscheidung dürfe der Be­amte weder auf die Veräußerung von Vermögen und Familienhabe noch den Aufbrauch von Erspartem verwiesen werden.

Vgl. Hummel/Köhler/Mayer, a.a.0.; Urban/Wittkowski, a.a.O., § 38 Rn. 44.

Demgegenüber ist in der Rechtsprechung mitunter entschieden worden, dass im Einzelfall ein Verweis auf eigenes Vermögen des Beamten möglich sei, wobei es der Abwägung und Bewertung der jeweiligen Bedarfspositionen und des zur Deckung in Betracht kommenden Vermögens bedürfe.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2002— 15d A 673/02.0 -‚ juris.

Soweit in der früheren Rechtsprechung ohne Einschränkung erkannt worden ist, dass dem Beamten zuzumuten sei, auf sein Bar- und Bankvermögen zurückzugreifen,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. September 1982— 1 DB 20.82—, Umdruck S. 4 f.,

handelt es sich lediglich um eine Hilfserwägung („abgesehen davon, dass…“). In der Sa­che hat das Bundesverwaltungsgericht den Einbehaltungssatz schon deshalb als ange­messen angesehen, weil der dem Beamten unter Berücksichtigung des Einkommens der Ehefrau und der Ausgaben verbleibende Gesamtbetrag ausreichend war, um den laufen­den Lebensbedarf zu decken.

Die Kammer hält den Verweis des Beamten auf den Einsatz seines Vermögens im Grund­satz für unzulässig. Es sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, aufgrund derer sich die Berücksichtigung der Kaufpreisraten bei den Einnahmen der Antragstellerin im Einzelfall ausnahmsweise als zulässig erweisen würde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die angemessene Alimentation unabhängig davon zu leisten, ob und inwieweit der Besoldungsempfänger in der Lage ist, seinen Unterhalt aus eigenen Mitteln, wie insbesondere aufgrund privatrecht­licher Ansprüche oder aus privatem Vermögen, zu bestreiten.

Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 -‚ NVwZ 1988, 329 [330] m.w.N.

Da der Grundsatz der angemessenen Alimentation – wie eingangs erwähnt – auch zu
Gunsten des vorläufig des Dienstes enthobenen Beamten gilt, hat dies für die ermessensgerechte Bemessung des Einbehaltungssatzes gemäß § 38 Abs. 2 LDG NRW zur Folge, dass ein Verweis auf den Einsatz des Vermögens – anders als auf Einnahmen, die durch die Nutzung des Vermögens entstehen – regelmäßig zu unterbleiben hat. Denn die da­durch eintretende Aufzehrung des Vermögens hat einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge, da auch im Fall der Nachzahlung gemäß § 40 Abs. 2 LDG NRW nicht das zum Einsatz gebrachte Vermögen ausgeglichen wird, sondern (lediglich) die teilweise – nach der Bemessung unter Berücksichtigung weiterer Positionen – einbehaltenen Bezü­ge nachgezahlt werden.

Danach haben die der Antragstellerin zufließenden Kaufpreisraten bei der Bemessung des Einbehaltungssatzes grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Eine ausnahmsweise zur Berücksichtigung von Vermögen bei der Ermessensentscheidung führende Besonderheit des Einzelfalles liegt hier nicht vor. Eine solche ist insbesondere nicht in dem vom An­tragsgegner hervorgehobenen Umstand zu sehen, dass die Antragstellerin vom Antrags­gegner nicht zur Veräußerung des Grundstücks veranlasst worden ist. Ob und vor allem wann der Beamte sich zur Veräußerung entschließt, hängt regelmäßig von einer Vielzahl von Faktoren ab, die es als zufällig erscheinen lassen, ob die Veräußerung und die Zah­lung des Kaufpreises gerade in den Zeitraum seiner vorläufigen Dienstenthebung fallen. Dies gilt zumal im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin Miteigentümerin mit ihrem Bru­der war und es in einem solchen Fall naheliegt, dass die Miteigentümer auf ihre jeweiligen Belange Rücksicht nehmen.

Die Behörde hat gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt.