Großbaustelle: dienstliche Beurteilungen in der Finanzverwaltung NRW rechtswidrig, Verwaltungsgericht Köln, Urteil v. 17.01.2014, Az. 19 K 5097/12

Das Verwaltungsgericht Köln hat grundsätzliche Bedenken gegen das Beurteilungssystem der Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen erhoben und der Klage eines Beamten gegen seine dienstliche Beurteilung über die Jahre 2009 bis 2011 stattgegeben. Hauptkritikpunkt der Kammer in der mündlichen Verhandlung am vergangenen Freitag war der Umstand, dass der Beurteiler des Beamten (hier: der Vorsteher des Finanzamtes) an eine Entscheidung der sogenannten Gremiumsbesprechung auf Ebene der Oberfinanzdirektion „gebunden“ sein sollte. Eine derartige Bindung sehe das Beamtenrecht nicht vor. Der Beurteiler müsse weisungsfrei beurteilen können. Zwar wäre es denkbar, dass auch ein zweiter Beurteiler tätig werde (hier also evtl. die Gremiumsbesprechung?), diese müsste dann allerdings auch Kenntnisse über die Tätigkeit des Beamten haben und dürfe nicht die Beurteilung des Vorstehers ersetzen.

Mit dem Urteil hat das Verwaltungsgericht Köln die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen verurteilt, die Beurteilung aufzuheben und den Kläger neu dienstlich zu beurteilen. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung für alle Beurteilungen in der Finanzverwaltung, weil die Frage der „Bindungswirkung“ in allen Verfahren aufgeworfen werden muss. Es wird erwartet, dass das Land Nordrhein-Westfalen daher gegen das Urteil vorgehen und das Oberverwaltungsgericht anrufen wird.

Neben der Frage der „Bindungswirkung“ an die Gremiumsbesprechung hat das Verfahren auch eine Vielzahl weiterer Fragen aufgeworfen, die derzeit in der Rechtsprechung umstritten sind und diskutiert werden. Hierzu zählt beispielsweise das Verfahren, den Beamten anhand einer schlichten Beurteilung „durch Ankreuzen“ zu bewerten. Dabei bleibt unklar, welche
Unterkriterien dazu geführt haben, dass bestimmte Punktwerte vergeben werden.

Beispiel:

Befähigungsbeurteilung (Zutreffendes bitte ankreuzen) 1 2 3 4
Kommunikationsfähigkeit X
-Ausdrucksfähigkeit
-Kontaktfähigkeit
-Gesprächsführungskompetenz

So wird regelmäßig das Kriterium „Kommunikationsfähigkeit“ beurteilt. Es ist laut Beurteilungsbogen durch die Unterkriterien „Ausdrucksfähigkeit“ , „Kontaktfähigkeit“ und „Gesprächsführungskompetenz“ hinterlegt. Sind diese drei Kriterien abschließend? Sind sie jeweils mit 33,33 % in die Bewertung einzubeziehen? Der Beurteiler im hier vorliegenden Verfahren war der Meinung, dass dies nicht der Fall sei, es handele sich um unbestimmte und auch unvollständige Beispiele. Aber sieht das auch ein anderer Mitarbeiter der Personalverwaltung so, wenn der betroffene Beamte sich auf eine Beförderungsstelle bewirbt? Sind dann überhaupt noch dienstliche Beurteilungen der Finanzverwaltung vergleichbar?

Im Ergebnis dürfte die dienstliche Beurteilung bereits aus dieser Missverständlichkeit und uneinheitlichen Verwaltungspraxis heraus nicht plausibel und damit rechtswidrig sein.

Dies gilt noch umso mehr als die Verwaltungsgerichte Darmstadt und Hamburg, sowie in der vorletzten Woche das Oberverwaltungsgericht NRW grundsätzliche, systematische Bedenken gegen das Beurteilen durch Ankreuzen angemeldet haben.

Nach derzeitiger Bewertung dürften alle dienstlichen Beurteilungen der Finanzverwaltung NRW an derart gravierenden Mängeln leiden, dass Beamten nur zu einer verwaltungsgerichtlichen Klage oder einem außergerichtlichen Antrag auf Änderung der dienstlichen Beurteilung geraten werden kann bevor die nächste Regelbeurteilung erstellt wird.

Ob für die gerichtliche Entscheidung auch Fragen der Befangenheit / Voreingenommenheit des Beurteilers entscheidend waren, bleibt abzuwarten. Die schriftlichen Urteilsgründe werden in den nächsten Wochen erwartet.

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