Drittschutz im Bauplanungsrecht, Buchbesprechung zu Wolf, NVwZ 2013, 1270

Drittschutz im Bauplanungsrecht. Von Nicole Wolf (Schriften zum Baurecht, Bd. 11). – Baden-Baden, Nomos 2012. 204 S., kart. Euro 62,-. ISBN: 978-3-8329-7912-6.

Die Gesetzgeber weigern sich mit großer Konsequenz, den Drittschutz im Bauplanungsrecht normativ auszugestalten. Stattdessen haben sie die Rechtsprechung in die Pflicht genommen und den Drittschutz im Bauplanungsrecht damit gleichsam wie ein Kind zur Adoption freigegeben. Der Drittschutz im Bauplanungsrecht ist indes von der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls nicht als Lieblingskind angenommen worden. Von der „Hoch“-Zeit in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts abgesehen, hat sie es vielmehr eher stiefmütterlich behandelt.

So war und ist für die Literatur Raum und Gelegenheit, sich der Problematik anzunehmen. Der Rechtswissenschaft stellt sich die Aufgabe, ein dogmatisches Fundament aufzubereiten und auf dieser Grundlage das Rechtskonstrukt des bauplanungsrechtlichen Drittschutzes (weiter) zu entwickeln.

Dieser Aufgabe hat sich Nicole Wolf mit der vorliegenden Arbeit, bei der es sich um die überarbeitete Fassung ihrer Promotionsschrift handelt, angenommen. Sie widmet ihr dreiteiliges Werk denen, die auch hinter Mauern und Fassaden schauen.

Im ersten Teil zeichnet die Autorin die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum bauplanungsrechtlichen Drittschutz nach. Im zweiten Teil befasst sie sich mit der dogmatischen Begründung eines (bundes-)gesetzlich kodifizierten Drittschutzes im Bauplanungsrecht. Damit hat sie das Terrain bereitet, im dritten Teil über die Ausweitung des abstrakt-generellen Nachbarschutzes nachzudenken. In diesem Kapitel geht Nicole Wolf zunächst der Frage nach, ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung abstrakt-generellen Drittschutz vermitteln. Diese Frage wird bejaht, weil erst das Zusammenspiel von Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung die Eigenart eines Baugebiets bestimme. Auch Festsetzungen sowohl über die offene als auch über die geschlossene Bauweise hält die Autorin für drittschützend. Wie auch den Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen liege diesen Festsetzungen eine für den Drittschutz konstitutive Ausgleichsordnung zu Grunde. Der konkret-individuelle drittschützende Charakter dieser Festsetzungen erstarke – so Wolf – zu einem abstrakt-generellen Nachbarschutz, wenn die Norm den Charakter des Baugebiets mitbestimme, Verstöße mithin geeignet seien, eine (schleichende) Änderung des Gebietscharakters einzuleiten.

Vor der abschliegenden Untersuchung, ob es auch im Augenbereich abstrakt-generellen bauplanungsrechtlichen Drittschutz gibt, befasst sich die Autorin in einem Schwerpunkt ihrer Arbeit mit den Voraussetzungen und den Grenzen eines abstrakt-generellen Drittschutzes im unbeplanten Innenbereich nach § 34 I BauGB. Nach ihrer Ansicht ist der abstrakt-generelle Drittschutz im Anwendungsbereich des § 34 I BauGB dann nicht grundlegend anders als in überplanten Gebieten gestaltet, wenn die nähere Umgebung homogen bebaut ist.

Dass der Verfasser dieser Rezension der von Wolf grundsätzlich befürworteten Ausweitung des abstrakt-generellen bauplanungsrechtlichen Drittschutzes ebenso aufgeschlossen gegenübersteht wie der Parallelisierung des Drittschutzes im unbeplanten Innenbereich mit dem in Plangebieten, hat er in vielen Schriften bekannt. Nach seiner Überzeugung ist es jedoch nicht Ausdruck dieser seiner Befangenheit, wenn er die von Nicole Wolf erstellte Schrift insbesondere denen anempfiehlt, die in der Rechtsprechung Verantwortung für die hinreichende Ausgestaltung und dogmatische Absicherung des bauplanungsrechtlichen Rechtsschutzes tragen. Ungeachtet einzelner kritischer Anmerkungen, die sicherlich zu manchen Ableitungen zu machen sind, ist das Werk uneingeschränkt geeignet, verkrustete Strukturen aufzubrechen, und dazu anzuregen, sich mit neuem Engagement der anspruchsvollen Aufgabe zu widmen, ein in sich stimmiges und ausgewogenes System des Drittschutzes im Bauplanungsrecht zu entwickeln.

Überflüssig dürfte sein, denen die Lektüre der überarbeiteten Fassung der Promotionsschrift von Nicole Wolf ans Herz zu legen, die Freude an der dogmatischen Aufbereitung und Durchdringung von Rechtsfragen haben. Insbesondere diese Leser werden erkennen, dass die dem Werk vorangestellte Widmung nicht vordergründig die Fassaden der Bauwerke meint, mit denen sich das Bauplanungsrecht beschäftigt, sondern dass die Schrift von Wolf Mauern überwinden will, die den Weg zu besseren Erkenntnissen versperren.

Rechtsanwalt Dietmar Mampel, Düsseldorf