Volksbegehren zum Kommunalabgabengesetz unzulässig, Thüringer Verfassungsgerichtshof, Pressemitteilung v. 10.04.2013

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem am Mittwoch verkündeten Urteil entschieden, dass das Volksbegehren „Für gerechte und bezahlbare Kommunalabgaben“ mit der Thüringer Verfassung nicht vereinbar ist. Es hält die Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Volksgesetzgebung nicht ein.

Der Gesetzentwurf des Volksbegehrens zielte darauf ab, das kommunale Abgabenrecht neu zu gestalten. Das Recht der Kommunen, zur Deckung des Investitionsaufwands für öffentliche Einrichtungen Beiträge zu erheben, sollte vollständig entfallen. Stattdessen war geplant, die Abwasserentsorgung allein über Gebühren zu finanzieren. Zur teilweisen Refinanzierung der Ausgaben für den Straßenausbau war die Einführung einer sogenannten „Infrastrukturabgabe“ beabsichtigt, zu der alle Grundstückseigentümer einer Gemeinde herangezogen werden sollten.

Die Thüringer Landesregierung hat vor dem Verfassungsgerichtshof beantragt, die Unzulässigkeit des Volksbegehrens festzustellen. Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag für begründet erachtet.

Der Entscheidung liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Begründung des Gesetzentwurfs hält den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen nicht stand. Der Bürger wird über die zur Abstimmung gestellten Regelungen sowie deren Bedeutung und Tragweite nicht angemessen unterrichtet. Die Begründung enthält irreführende und unrichtige Behauptungen, die zu einer Verfälschung des Abstimmungsergebnisses führen können. Der Bürger wird zur unzutreffenden Annahme verleitet, mit der Abschaffung des Beitragssystems und der Einführung einer Infrastrukturabgabe werde das Thüringer Kommunalabgabengesetz der Rechtslage in anderen Ländern angeglichen. Des Weiteren werden die Folgen der beabsichtigten Rechtsänderungen nicht aufgezeigt. Insbesondere bleiben die Kosten ungenannt, die auf die Grundstückseigentümer in Form der Infrastrukturabgabe zukommen. Schließlich ist zweifelhaft, ob die zentralen Regelungsbestandteile des Volksbegehrens hinreichend erläutert werden. In der Begründung finden sich keine Erklärungen zu den Vorschriften, die den Kern des Gesetzentwurfs bilden und aufgrund der Komplexität der Materie nicht aus sich heraus verständlich sind.

Das Volksbegehren verstößt gegen den Abgabenvorbehalt aus Art. 82 Abs. 2 Thüringer Verfassung. Nach dieser Bestimmung sind Volksbegehren unzulässig, die darauf gerichtet sind, abgabenrechtliche Regelungen zu erlassen, aufzuheben und zu ändern. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt hat, ist die Volksgesetzgebung zu kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen (Urteil vom 5. Dezember 2007 – VerfGH 47/06). Das Volksbegehren hat diese von der Thüringer Verfassung gesetzte Grenze nicht beachtet. Mit dem begehrten Gesetz soll eine neue Art einer gemeindlichen Abgabe eingeführt und die bestehende Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen beseitigt werden. Die behauptete Aufkommensneutralität der Rechtsänderungen und die in der Begründung des Gesetzentwurfs angeführten fehlenden Auswirkungen auf den Landeshaushalt schließen einen Verstoß gegen den Abgabenvorbehalt nicht aus.

Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.