Geld für Urlaub? Was bedeutet die neue Entscheidung des EuGH für Beamte?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat am 03.05.2012 entschieden, dass auch deutsche Beamtinnen und Beamte eine Abgeltung für die Urlaubstage erhalten können, die sie – typischerweise vor der Versetzung in den Ruhestand – wegen Krankheit nicht in Anspruch nehmen konnten. Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung für Beamte in Gemeinden, Ländern und dem Bund, wie auch für Richter, Soldaten und Dienstordnungsangestellte sind nun weitreichend geklärt.

I. Sachverhalt vor dem Gerichtshof der Europäischen Union:

Ein Feuerwehrbeamter war von 2007-2009 erkrankt und konnte seinen Jahresurlaub krankheitsbedingt nicht antreten. Im Jahr 2009 trat er in der Ruhestand. 86 Urlaubstage konnte er nicht nehmen, da Krankheit die Inanspruchnahme von Urlaub grundsätzlich ausschließt.

II. Gerichtliches Verfahren:

Der Beamte verlangte von der Stadt Frankfurt/Main 16.821,60 € finanzielle Abgeltung für entgangenen Urlaub. Das Verwaltungsgericht Frankfurt legte den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu Klärung europarechtlicher Fragen vor, insbesondere zur Auslegung der Richtlinie 2003/88. Geklärt werden sollte insbesondere, ob diese Richtlinie, die von Arbeitnehmern spricht, auch für Beamte gilt. Der EuGH hat jetzt im Wesentlichen zu Gunsten des Beamten entschieden und die Sache zur Schlussentscheidung an das anrufende deutsche Gericht zurückverwiesen.

III. Inhalt des EuGH-Urteils:

Das Urteil des Gerichtshofs ist bislang noch nicht im Volltext veröffentlicht worden. Die wesentlichen Entscheidungsgründe lassen sich aber wie folgt in Leitsätzen zusammenfassen:

  1. (Feuerwehr-)Beamte sind auch Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 2003/88, ihr Urlaubsanspruch wird von der Richtlinie geregelt.
  2. Konnte ein Urlaub wegen Krankheit und anschließender Zuruhesetzung nicht angetreten werden, steht dem Beamten grundsätzlich ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung zu. Entgegenstehendes nationales Recht ist nicht anzuwenden (Anwendungsvorrang).
  3. Eine Regelung des nationalen Rechtes kann vorsehen, dass der Urlaubsanspruch verfällt. Die Verfallsregelung von neun Monaten ist aber zu kurz. Der mögliche Übertragungszeitraum muss mindestens deutlich länger als ein Jahr sein. Dem Betroffenen (Beamten) muss als das Recht eingeräumt werden, den Urlaub mehr als ein Jahr zu übertragen. Erst jenseits dieser Grenze kann es einen Verfall geben.
  4. Die Pflicht zur finanziellen Abgeltung nach europäischem Recht bezieht sich auf den maximalen Zeitraum von vier Wochen im Jahr. Bei Zeiträumen darüber kann die Abgeltung nach nationalem Recht ausgeschlossen werden.

IV. Eigene Bewertung:

Das EuGH-Urteil beendet einen langen Streitpunkt der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei die Abgeltung von Urlaubsansprüchen und die Anwendung und Auslegung der Richtlinie 2003/88 lange streitig war. Der Grundsatz der finanziellen Urlaubsabgeltung für Beamte ist nunmehr positiv geklärt.

Viele Detail- und Nachfolgefragen wird voraussichtlich der Gesetzgeber klären müssen, da bislang Rechtsgrundlagen auf Bundes- oder Landesebene fehlen. Hierzu zählen insbesondere die Fragestellungen:

Die in der Presse zu findende Darstellung, deutsche Beamte bekämen jetzt sogar Urlaubsgeld für Urlaub, den sie gar nicht nehmen, ist jedenfalls in dieser Zuspitzung böswillig und irreführend. Beamte werden lediglich gleich behandelt wie andere Arbeitnehmer. Auch bei diesen ist die Urlaubsabgeltung durch den EuGH bereits seit einigen Jahren anerkannt worden.

Beamte, die noch über einen (Rest-)Urlaubsanspruch verfügen, sollten in jedem Fall vorsorglich die Abgeltung mit Verweis auf die Entscheidung des EuGH beantragen und ggf. anwaltliche Vertretung in Anspruch nehmen, wenn der Dienstherr die Auszahlung verweigert.

Katharina Voigt, Dr. Obst, Robert Hotstegs