Kein Lebensarbeitszeitkonto für Richter, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 12.01.2023, Az. 2 C 22.21

Richter haben keinen Anspruch auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos und auf Gutschrift von Zeitguthaben. Deshalb ist nach Eintritt in den Ruhestand auch für einen finanziellen Ausgleichsanspruch gegen den Dienstherrn kein Raum. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Justizdienst des beklagten Landes Hessen, zuletzt als Richter am Landgericht. Noch während seines aktiven Richterdienstes stellte er einen Antrag auf Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos sowie auf Gutschrift eines Zeitguthabens entsprechend den Regelungen für Hessische Landesbeamte. Antrag, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Ein finanzieller Ausgleichsanspruch wegen unterbliebener Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos besteht nicht. Die einschlägigen Vorschriften für hessische Beamte sind auf den Kläger als Richter nicht anwendbar. Richter müssen sich ebenso wie Beamte mit ihrer ganzen Kraft dem Amt widmen. Der Umfang des geschuldeten richterlichen Einsatzes wird aber nach Arbeitspensen bemessen und richtet sich – anders als bei Beamten – nicht nach konkret vorgegebenen Arbeits- bzw. Dienstzeiten. Ein Lebensarbeitszeitkonto setzt jedoch die normative Festlegung einer Wochenarbeitszeit voraus.

Pressemitteilung Nr. 3/2023

Schadensersatz wegen verzögerter Reaktivierung eines vorzeitig pensionierten Beamten, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 15.11.2022, Az. 2 C 4.21

Wird ein wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzter Beamter wieder dienstfähig und beantragt er seine Reaktivierung (erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis), hat der Dienstherr dem Antrag zu entsprechen, sofern dem nicht ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. In diesem Rahmen hat der Dienstherr nur zu prüfen, ob es an jeglicher zumutbaren Verwendungsmöglichkeit fehlt. Dagegen darf er die Reaktivierung nicht solange hinausschieben, bis er tatsächlich einen dem Statusamt des Beamten entsprechenden Dienstposten gefunden hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger, ein Studiendirektor, wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im darauffolgenden Jahr stellte der Dienstherr im Anschluss an eine amtsärztliche Untersuchung die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit fest. Knapp sieben Monate später – nachdem für ihn eine Einsatzschule gefunden war – wurde der Kläger reaktiviert.

Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen den Ruhestandsbezügen und der Besoldung für den Zeitraum zwischen der Feststellung der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit und der Reaktivierung. Sein Begehren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwar verletzt das Berufungsurteil revisibles Recht, die Ablehnung des Anspruchs auf Schadensersatz erweist sich aber aus anderen als den vom Berufungsgericht angenommenen Gründen als im Ergebnis richtig. Die Reaktivierung eines Ruhestandsbeamten nach § 29 Abs. 1 BeamtStG setzt einen – nicht notwendig schriftlichen – Antrag des Beamten sowie die auf einem ärztlichen Gutachten basierende Feststellung voraus, dass die Dienstfähigkeit des Beamten wiederhergestellt ist. In diesem Verfahren ist ferner nur noch zu prüfen, ob es den Dienstherrn vor nicht mehr hinnehmbare Schwierigkeiten stellen wird, für den zu reaktivierenden Beamten durch organisatorische Änderungen einen geeigneten Dienstposten zu schaffen. Dagegen hängt die Reaktivierung nicht davon ab, dass für den Beamten auch ein seinem Statusamt entsprechender Dienstposten gefunden wird.

Dass im vorliegenden Fall das beklagte Land hiervon nicht ausgegangen ist, kann ihm im Rahmen eines beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruchs nicht als schuldhaft angelastet werden. Soweit in der Rechtsprechung und in der Literatur überhaupt Ausführungen zum Prüfprogramm in derartigen Fällen gemacht worden waren, ergaben sich hieraus keine eindeutigen und zugleich dem dargestellten Maßstab entsprechende Anforderungen.

Pressemitteilung Nr. 68/2022 vom 15.11.2022

Anspruch auf Generalsdienstposten nach förderlicher Auswahlentscheidung, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 06.09.2022, Az. 1 WB 29.21

Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag in einer interessanten Konstellation darüber entschieden, dass die letzte Versetzung eines Soldaten vor seiner Versetzung in den Ruhestand rechtswidrig war. Häufig besteht in derartigen Konstellationen schon kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der frühere Soldat / die frühere Soldatin nicht (mehr) in ihren Rechten verletzt ist und ein sogenanntes Fortsetzungsfeststellungsinteresse häufig nicht zur Überzeugung der Gerichte dargelegt werden kann. Auch ist es häufig schwierig die hier festgestellte „Anwartschaft auf eine Beförderung“ darzulegen.

Im vorliegenden Fall eröffnet aber die Beweisaufnahme und die nun getroffene Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts sogar die Möglichkeit für den Betroffenen vor den ordentlichen Verwaltungsgerichten eine nachträgliche Beförderung bzw. Schadensersatz hierfür zu erstreiten.

Weil derartige Fragestellungen grundsätzliche Bedeutung haben, ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit womöglich durch alle Instanzen geführt wird. Dann könnte er auch am Ende erneut beim Bundesverwaltungsgericht landen, zuständig wäre dann dort aber der Beamtenrechtssenat.

Die Pressemitteilung Nr. 55/2022 vom 06.09.2022 lautet im Volltext:

Der 1. Wehrdienstsenat hat heute dem Antrag eines Generalleutnants a.D. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner letzten dienstlichen Versetzung stattgegeben. Der Generalleutnant a.D. ist vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber eines NATO-Kommandos in Europa auf einem Generalsdienstposten (B 10) eingesetzt worden und hat in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt (sog. „temporary rank“). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant („Drei-Sterne-General“) zum General („Vier-Sterne-General“) befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 vom Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) nach Berlin auf eine mit B 9 dotierte Position zurückversetzt und später als Generalleutnant in den Ruhestand verabschiedet worden.

Diese Versetzung war rechtswidrig. Der 1. Wehrdienstsenat hat durch Vernehmung mehrerer hochrangiger Zeugen – insbesondere des früheren und gegenwärtigen Generalinspekteurs der Bundeswehr und des ehemaligen Staatssekretärs – die Umstände aufgeklärt, die zur Auswahl des Antragstellers zum Befehlshaber des NATO-Hauptquartiers in Brunssum geführt haben. Danach ist er im Frühjahr 2018 in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. Vielmehr muss er die Auswahlentscheidung gegen sich gelten lassen und kann den ausgewählten Bewerber, der eine Anwartschaft auf eine Beförderung erworben hat, nicht ohne Weiteres wieder auf einen Dienstposten mit geringerer Dotierungshöhe versetzen.

Die Versetzung vom März 2020 war auch nicht ausnahmsweise deswegen zulässig, weil die ursprüngliche förderliche Auswahlentscheidung im April 2019 einvernehmlich in eine reine Querversetzung abgeändert worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damals zwar bei einem Gespräch mit der Verteidigungsministerin die Dauer der Verwendung im NATO-Hauptquartier einvernehmlich von drei Jahren auf elf Monate verkürzt worden. Hingegen ist ein Ausbleiben der Beförderung nicht besprochen worden. Eine Umwandlung der förderlichen Auswahlentscheidung in eine vorübergehende höherwertige Verwendung wurde auch nicht verfügt. Lediglich soweit der Antragsteller die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer in seiner Versetzung nach Brunssum angegriffen hat, blieb sein Antrag ohne Erfolg.

Über die Frage, ob der Antragsteller einen Anspruch auf die von ihm beantragte Beförderung hatte, hatte der 1. Wehrdienstsenat nicht zu entscheiden. Diese Frage ist Gegenstand eines beim Verwaltungsgericht Berlin anhängigen Rechtsstreits. Die dem zugrundeliegende Aufteilung des Rechtswegs ergibt sich aus § 17 Abs. 1 WBO und § 82 Abs. 1 SG.

Wann ist eine Lehrerin eine Lehrkraft?, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 16.08.2022, Az. 7 K 1500/22.TR

Porta Nigra, Trier

Sind alle Lehrerinnen und Lehrer Lehrkräfte? Die Frage ließe sich bei einer Umfrage in der Öffentlichkeit wohl schnell und eindeutig mit „Ja“ beantworten. Tatsächlich kommt das Verwaltungsgericht Trier in einer aktuellen Entscheidung zum gegensätzlichen Ergebnis. Denn Lehrkräfte seien nur diejenigen, die auch in Schulen im Unterricht eingebunden seien, sozusagen „Dienst an der Tafel“ tun (auch wenn der Unterricht heute typischerweise anders aussieht). Für diese halte das Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz eine vorgezogene Altersgrenze für den Ruhestand bereit. Nicht begünstigt würden aber diejenigen, die nicht mehr im Schulbetrieb tätig sind.

Die Rückfrage stellt sich daher: welche Lehrer:innen gäbe es denn sonst und kann das Ergebnis richtig sein?

Im konkreten Fall war eine Lehrerin dienstunfähig erkrankt. Die Erkrankung war von langer Dauer und es ist auch davon auszugehen, dass sie nicht heilbar ist. Aus diesem Grund hatte das Land schon in den Vorjahren zu prüfen, ob die betroffene Lehrerin in den Ruhestand versetzt werden müsse. An dieser Stelle sieht das Beamtenrecht vor, dass eine anderweitige Verwendung zu prüfen ist („Verwendung vor Versorgung“). Die Lehrerin war dienstfähig etwa für Verwaltungsaufgaben. Daher wurde sie an eine Verwaltungsbehörde des Landes versetzt und versieht dort seit über zehn Jahren ihren Dienst.

Das Land hatte entschieden, sie in der Laufbahn der Lehrerin zu belassen, sie wurde nicht etwa in die allgemeine Verwaltungslaufbahn versetzt. Somit sitzt nun in der Landesbehörde eine Lehrerin, die aber gerade keinen „Dienst an der Tafel“ erbringt.

Weil aber der Gesetzgeber eine vorgezogene Altersgrenze für „Lehrkräfte“ vorgesehen hat und die Behörde die Anwendung der vorgezogenen Altersgrenze ablehnte, kam es zum Streit.

Das Verwaltungsgericht Trier hat in seiner Entscheidung nun ebenfalls die Anwendung abgelehnt.

Vor allem aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Ruhestand von „Lehrkräften“ an Schuljahreszeiten orientiert habe, lasse sich ableiten, dass noch ein aktiver Schuldienst erforderlich sei.

Diese Auslegung ist sicherlich möglich, auch wenn sie von uns nicht geteilt wird. Aber das Ergebnis überrascht dann doch:

Im Fall der Klägerin soll diese nun, obwohl sie im Schuldienst erkrankte und schuldienstunfähig wurde, nicht von der besonderen Altersgrenze profitieren, sondern über die Lehrkraft-Altersgrenze hinaus beschäftigt werden.

Ein ebenfalls schuldienstunfähig erkrankter Lehrer unmittelbar vor Erreichen der Lehrkraft-Altersgrenze wird aber gerade nicht in den Verwaltungsdienst versetzt, sodass seine Arbeitskraft dem Land noch erhalten bliebe, er wird in den Ruhestand versetzt.

Dass also gerade eine Person aus dem Anwendungsbereich herausfallen soll, bei der sich das gesundheitliche Risiko des Lehrer:innenberufs nachweislich realisiert hat, erscheint widersprüchlich.

Hätte der Gesetzgeber die Anwendung der besonderen Lehrkraft-Altersgrenze nur für gesunde Lehrer:innen regeln wollen, wäre die entsprechende Norm wohl nicht im Landesbeamtengesetz, sondern im Rahmen der „Verwendung vor Versorgung“-Prüfung im Landesbeamtenversorgungsgesetz zu verorten gewesen. Dann wären nämlich alle erkrankten Lehrer:innen in die Verwaltung zu versetzen und die besondere Lehrkraft-Altersgrenze wäre zwingend zu umgehen.

Der Begriff der „Lehrkraft“ im Sinne des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes ist nun erstmalig gerichtlich ausgelegt worden. Dennoch hat das Verwaltungsgericht Trier die Berufung zum Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen.

Wir haben daher wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit empfohlen, den Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Die wesentlichen Ausführungen des Urteils lauten im Volltext:

Die … Klägerin begehrt die Feststellung, dass für sie die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft gilt und sie mit Ablauf des 31. Juli 2025 in den Ruhestand tritt.

Sie wurde nach erfolgreich abgeschlossenem Hochschulstudium und anschließendem Vorbereitungsdienst … 1986 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Realschullehrerin zur Anstellung ernannt und in der [A-Realschule] eingesetzt. Mit Wirkung vom 1. Februar 1989 erfolgte die Ernennung zur Realschullehrerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. In der Zeit vom … und … war die Klägerin zum Zwecke der Kinderbetreuung/Elternzeit vom Schuldienst beurlaubt. Ab dem 2. September 2009 war sie arbeitsunfähig erkrankt und wurde nach einem kurzzeitigen zwischenzeitlichen Dienstantritt für schuldienstunfähig befunden, weshalb sie zunächst im Zeitraum vom 29. August 2011 bis zum 28. Februar 2013 mit je 20 Wochenstunden an die [Landesbehörde 1] mit Dienstsitz in Bad Kreuznach und [Landesbehörde 2] mit Dienstsitz in Mainz abgeordnet wurde. In der Zeit vom 28. Februar 2013 bis zum 30. April 2015 wurde sie sodann in Vollzeit an die [Landesbehörde 1] abgeordnet. Mit Wirkung vom 1. Mai 2015 erfolgte die Versetzung unter Beibehaltung der Amtsbezeichnung an die [Landesbehörde 3]. Nach Auflösung der Stabsstelle … wurde die Klägerin in das Referat … umgesetzt. Mit Schreiben vom 5. September 2016 wurde ihr der Status einer Referentin übertragen.

Mit E-Mail-Schreiben vom 16. August 2019 ersuchte die Klägerin den Beklagten um Auskunft über das korrekte Datum ihres Ruhestandseintritts, welches sie unter Anwendung der besonderen Altersgrenze für Lehrkräfte auf den Ablauf des 31. Juli 2025 datierte. Mit E-Mail-Schreiben vom 19. August 2019 und vom 27. Januar 2022 wies der Beklagte darauf hin, dass für die Klägerin angesichts ihrer Tätigkeit als Verwaltungsbeamtin auf die für den Verwaltungsdienst geltenden Altersgrenzen abzustellen sei, weshalb sie erst mit Ablauf des Monats Oktober 2026 in den Ruhestand treten werde. Daraufhin bat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 28. Januar 2022 um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides unter Angabe der Rechtsgrundlage.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2022 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin durch ihre Versetzung in den Verwaltungsdienst zur Vermeidung einer Versetzung in den Ruhestand wegen Schuldienstunfähigkeit aus dem Schulbereich dauerhaft aus- und in die Verwaltung eingegliedert worden sei. Die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte stehe als Ausgleich zu den besonderen Belastungen der ausgeübten Tätigkeit. Bei einer ehemaligen Lehrkraft, die zur Vermeidung einer Frühpensionierung dauerhaft nicht mehr im Schuldienst tätig sei, seien die lehramtsspezifischen Belastungen nicht mehr gegeben und die Voraussetzungen für die besondere Altersgrenze nicht mehr erfüllt. Dass sich diese auf Lehrkräfte im originären Schuldienst beziehe, ergebe sich allein schon daraus, dass mit dem gesetzlichen Ruhestandseintritt zum Schuljahresende ein klarer Bezug zum unterrichtlichen Einsatz hergestellt werde. Unter Zugrundelegung der für Mitarbeiter im allgemeinen Verwaltungsdienst geltenden Altersgrenze werde diese im Fall der Klägerin mit Ablauf des Monats Oktober 2026 erreicht.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 14. März 2022 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass sie trotz ihrer Versetzung nach wie vor das Statusamt einer Realschullehrerin innehabe und ein Laufbahnwechsel nicht erfolgt sei, weshalb für sie die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte Anwendung finden müsse. Auch wenn sie seit ihrer Versetzung mit laufbahnfremden Aufgaben betraut sei, gelte sie weiterhin als Lehrkraft im Sinne der beamtenrechtlichen Vorschriften. Eine tatsächliche oder gar aktive Beschäftigung sei hierfür keine Voraussetzung.

Mit am 26. April 2022 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 14. April 2022, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, wonach innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Mainz erhoben werden könne, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er in Ergänzung der im Bescheid vom 8. Februar 2022 genannten Gründe im Wesentlichen aus, dass zwischen dem Statusamt und der konkreten Beschäftigung zu unterscheiden sei. Die Klägerin führe weiterhin die Amtsbezeichnung „Realschullehrerin“ und sei weiter der Laufbahn der Fachrichtung Bildung und Wissenschaft zugeordnet, allerdings aus dem Schulbereich ausgegliedert und im Verwaltungsdienst eingesetzt. Da sie nicht mehr als aktive Lehrerin arbeite, könne die besondere Altersgrenze für Lehrkräfte auf sie keine Anwendung finden, was bereits aus dem Wortlaut folge und sich auch aus Sinn und Zweck der Regelung ergebe. Die Regelung knüpfe nicht an die Amtsbezeichnung an, sondern an die konkrete Tätigkeit im Schuldienst.

Am 9. Mai 2022 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Mainz erhoben, welches sich durch Beschluss vom 23. Mai 2022 – 4 K 280/22.MZ – für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen hat, bei dem die Akten am 27. Mai 2022 eingegangen sind.
Zur Begründung ihrer Klage verweist die Klägerin auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren und trägt darüber hinaus im Wesentlichen vor, dass der Gesetzeswortlaut entgegen der Auffassung des Beklagten eine aktive Tätigkeit als Lehrerin für die Anwendbarkeit der besonderen Altersgrenze nicht zur Voraussetzung mache. Folgte man der Rechtsauffassung des Beklagten, könnten sich auch erkrankte oder beurlaubte Lehrer nicht auf die Altersgrenze für Lehrkräfte berufen, da sie sich nicht im aktiven Dienst befänden. Aufgrund der wiederholt geäußerten Rechtsauffassung des Beklagten, die ihr derzeit die Möglichkeit einer persönlichen und wirtschaftlichen Ruhestandsplanung nehme, bestehe auch ein Feststellungsbedürfnis. Demgegenüber sei es ihr nicht zumutbar, erst bei Erreichen der aus ihrer Sicht für sie geltenden Altersgrenze einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zu stellen, dessen Ablehnung abzuwarten und sodann um Rechtsschutz nachzusuchen.


Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 8. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2022 festzustellen, dass für sie die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft gilt.


Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.


Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und trägt darüber hinaus vor, dass – anders als die Klägerin – erkrankte oder beurlaubte Lehrer nicht dauerhaft aus dem Schuldienst ausgegliedert seien. Erst im Falle der Dienstunfähigkeit als Lehrkraft würden dauerhaft erkrankte Lehrer – wie es bei der Klägerin der Fall gewesen sei – auf Dauer aus dem Schuldienst ausgegliedert. Unbeschadet dessen sei die erhobene Feststellungsklage bereits nicht statthaft und scheitere am Grundsatz der Subsidiarität. Schließlich könne die Klägerin – bezogen auf die Regelungen für den allgemeinen Verwaltungsdienst – ihre wirtschaftlichen Verhältnisse durchaus planen und auch Prognoseberechnungen anfordern.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten verwiesen. Ferner wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (hierzu I.), aber unbegründet (hierzu II.).


I. Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (Gesetz in der vom 1. August 2022 bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung (BGBl. I S. 4650) – VwGO –) statthaft. Bei der Frage, ob für die Klägerin die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft i.S.v. § 37 Abs. 1 S. 4 des rheinland-pfälzischen Landesbeamtengesetzes (Gesetz vom 20. Oktober 2010 (GVBl. S. 319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2021 (GVBl. S. 637) – LBG –) gilt und sie infolgedessen bereits zum 31. Juli 2025 das nach dem Gesetz maßgebliche Alter zum Eintritt in den Ruhestand erreicht, handelt es sich um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (vgl. VG Bremen, Urteil vom 11. April 2017 – 6 K 1692/15 –, juris Rn. 18).

Die Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO subsidiär, da sich der Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze unmittelbar kraft Gesetzes vollzieht, ohne dass es eines Antrags des Beamten oder eines auf die Zurruhesetzung gerichteten Verwaltungsakts bedarf (vgl. OVG RP, Beschluss vom 31. August 2020 – 2 B 10821/20.OVG –, juris Rn. 6; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 2022 – 6 A 1132/20 –, juris Rn. 37; vgl. allgemein für die Feststellung der gesetzlichen Altersgrenze: BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007 – 2 C 28.05 –, juris Rn. 9).

Daneben kann die Klägerin im Wege der Anfechtungsklage die Aufhebung des Bescheides vom 8. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2022 geltend machen, mit denen der Beklagte rechtsverbindlich festgestellt hat, dass in ihrem Fall die Regelaltersgrenze und nicht die besondere Altersgrenze einer Lehrkraft Anwendung finde.

Die Klage ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes (sowohl rechtliches als auch wirtschaftliches) Interesse an der gerichtlichen Feststellung des Zeitpunkts des Eintritts in den Ruhestand und kann den Streit über die in ihrem Fall geltende Altersgrenze auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt einer gerichtlichen Klärung zuführen, da der Beklagte eine andere Auffassung als die Klägerin vertritt und diese ihr künftiges Verhalten an der begehrten Feststellung orientieren will (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2007, a.a.O.; BayVGH, Urteil vom 11. November 2014 – 3 BV 12.1195 –, juris Rn. 46).

Schließlich hat die Klägerin die bei allen Klagen von Beamten aus dem Beamtenverhältnis einzuhaltende Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO (vgl. hierzu VG Trier, Urteil vom 22. September 2009 – 1 K 365/09.TR –, juris Rn. 22) gewahrt, indem die Klage am 9. Mai 2022 beim Verwaltungsgericht Mainz eingegangen ist, an das sie auch adressiert war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 2001 – 2 C 37.00 –, juris Rn. 13). Dass die Akten nach Verweisung des Verwaltungsgerichts Mainz erst am 27. Mai 2022 beim gemäß § 52 Nr. 4 VwGO örtlich zuständigen erkennenden Gericht eingegangen sind, ist demgegenüber unerheblich, da gemäß § 83 S. 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 1 S. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 2363) – GVG –) die Wirkungen der beim unzuständigen Gericht eingetretenen Rechtshängigkeit nach der Verweisung bestehen bleiben (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 24. Juli 1963 – VI C 190.60 –, juris). Hinzukommt im vorliegenden Fall, dass die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Sitzes des anzurufenden Gerichts unrichtig war, weshalb ohnehin die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO galt.

II. Die Klage ist allerdings unbegründet, da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung hat. Die für Lehrkräfte geltende Altersgrenze gemäß § 37 Abs. 1 S. 4 LBG findet in ihrem Fall keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift gilt für Lehrkräfte als Altersgrenze das Ende des Schuljahres, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden.


Vorliegend ist die Klägerin seit ihren Abordnungen und der letztendlichen Versetzung an die [Landesbehörde 3] nicht (mehr) als Lehrkraft im Sinne der Vorschrift anzusehen. Die Anwendbarkeit der besonderen Altersgrenze richtet sich, anders als die Klägerin meint, nicht nach dem Statusamt, sondern nach dem übertragenen Amt im konkret-funktionellen Sinn, das dem Schuldienst zuzuordnen sein muss (ebenso für die vergleichbaren Vorschriften in den entsprechenden Landesgesetzen: VG München, Beschluss vom 2. September 2015 – M 5 E 15.3218 –, juris Rn. 24; VG Stuttgart, Urteil vom 23. April 2020 – 1 K 11536/18 –, juris Rn. 21). Dies folgt bereits aus der Verwendung des Begriffs der Lehrkraft, der in Verbindung mit der Anknüpfung der Altersgrenze an das Ende des Schuljahres nahelegt, dass hiermit nur Personen erfasst sein sollen, die zum Zeitpunkt, zu dem sie die Altersgrenze erreichen, neben der Laufbahnzugehörigkeit auch eine schuljahresbezogene Tätigkeit ausüben und in erster Linie Unterricht erteilen (vgl. auch VG München, a.a.O.). Hierfür spricht auch die Aufgabenbestimmung einer Lehrkraft in § 25 Abs. 1 S. 1 des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes (Gesetz vom 30. März 2004 (GVBl. S. 239), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2020 (GVBl. S. 719) – SchulG –), wonach die Lehrkräfte Erziehung und Unterricht der Schülerinnen und Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung gestalten.

Diesem Begriffsverständnis stehen die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zitierten Normen nicht entgegen, denn sie besagen nichts darüber, wie der Begriff der Lehrkraft in § 37 Abs. 1 S. 4 LBG zu verstehen ist. Soweit die Klägerin aus Ziffer 1.1 der Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter an öffentlichen Schulen (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung vom 22. Juni 2019 – 9212/51246/30 –, GAmtsbl. 2019, S. 151 – DO-Schulen –) sowie aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 der rheinland-pfälzischen Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung vom 30. Juni 1999 (GVBl. S. 148), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Juni 2020 (GVBl. S. 212) – LehrArbZVO –, die Schlussfolgerung zieht, dass es auch Lehrkräfte außerhalb der von den Vorschriften erfassten Regelungsbereiche geben müsse, da andernfalls eine Differenzierung nicht erforderlich gewesen sei, folgt das Gericht dem nicht. Die Differenzierung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 LehrArbZVO, wonach die angeführten Vorschriften der LehrArbZVO für die an öffentlichen Schulen oder an anerkannten Ersatzschulen in freier Trägerschaft oder im Krankenhaus- und Hausunterricht tätigen Lehrkräfte gilt, ist offenkundig im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 LehrArbZVO zu sehen, wonach die Verordnung – neben den in Nr. 1 genannten Lehrkräften – auch für die an staatlichen Studienseminaren für die Lehrämter an Schulen tätigen Seminarleiter, stellvertretenden Seminarleiter und Fachleiter im unmittelbaren und mittelbaren Beamtenverhältnis des Landes Rheinland-Pfalz auf Probe oder auf Lebenszeit gilt. Die Begriffsdefinition in Ziffer 1.1 der DO-Schulen, wonach Lehrkräfte im Sinne der Dienstordnung alle Personen sind, die an der Schule Unterricht erteilen, bestätigt sogar das obige Begriffsverständnis.

Die Richtigkeit dieses Begriffsverständnisses wird darüber hinaus durch Sinn und Zweck der Vorschrift des § 37 Abs. 1 S. 4 LBG bestätigt. Anders als bei der Regelaltersgrenze liegt besonderen gesetzlichen Altersgrenzen für bestimmte Beamtengruppen ausschließlich die generalisierende, auf Erfahrungswerten beruhende Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, das für die Dienstausübung erforderliche Leistungsvermögen und damit die Dienstfähigkeit dieser Beamtinnen und Beamten sei typischerweise bereits vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze nicht mehr gegeben (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2008 – 2 BvR 1081/07 –, juris; BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 2 C 26.07 –, juris Rn. 14). Besondere Altersgrenzen tragen dem Umstand Rechnung, dass die Mitglieder der jeweiligen Beamtengruppen typischerweise besonders hohen Belastungen ausgesetzt sind, deren nachteilige Auswirkungen auf das Leistungsvermögen sich mit zunehmendem Alter verstärken (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008, a.a.O.).

Im Fall der Beamtengruppe der Lehrkräfte tritt hinzu, dass mit der Anknüpfung an das Ende des Schuljahres den organisatorischen und pädagogischen Bedürfnissen der Arbeit an der Schule und den besonderen Umständen des Schulbetriebs Rechnung getragen werden soll. Die Vorschrift bezweckt erkennbar die Sicherstellung eines kontinuierlichen Schul- und Unterrichtsbetriebs, indem ein Lehrerwechsel während des laufenden Schuljahres vermieden werden soll (vgl. VG München, a.a.O.; VG Stuttgart, a.a.O.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 11. November 2014, a.a.O., Rn. 59; OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2017 – 6 A 469/16 –, juris Rn. 5).

Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist die Vorschrift des § 37 Abs. 1 S. 4 LBG nicht auf die Klägerin anwendbar, nachdem diese seit dem Jahr 2011 keine schuljahresbezogene Tätigkeit mehr ausübt und den besonderen Belastungen des Schulbetriebs nicht länger ausgesetzt ist. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass das Abstellen auf eine aktive Beschäftigung im Schuldienst zur Folge habe, dass sich auch beurlaubte oder erkrankte Lehrkräfte nicht mehr auf die besondere Altersgrenze berufen könnten, trifft dies nicht zu, da diese – anders als die Klägerin – organisationsrechtlich noch dem Schuldienst zugeordnet sind.

Dass im Zuge ihrer Versetzung kein Laufbahnwechsel erfolgt ist und sie nach wie vor das Statusamt einer Lehrerin innehat, ändert an dieser Beurteilung ebenfalls nichts. Die Anwendbarkeit der besonderen Altersgrenze setzt nach den vorstehenden Ausführungen nicht nur die Laufbahnzugehörigkeit, sondern auch eine laufbahnentsprechende Verwendung voraus (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 8. Juni 2000 – 2 C 16.99 –, juris). Eine andere Sichtweise hätte – worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat – das unbillige Ergebnis zur Folge, dass auf im Verwaltungsdienst eingesetzte Beamte abhängig von der Laufbahnzugehörigkeit trotz Ausübens derselben Tätigkeit unterschiedliche Altersgrenzen Anwendung fänden.

Hat die Klägerin nach alledem keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, kann sie auch nicht die Aufhebung des ihr Begehren ablehnenden Bescheides vom 8. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2022 verlangen, da dieser nach den vorstehenden Ausführungen rechtmäßig ist und sie nicht in ihren Rechten verletzt.

Keine Beteiligung des Integrationsamtes bei der Versetzung schwerbehinderter Lebenszeitbeamter in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 07.07.2022, Az. 2 A 4.21

Die Zurruhesetzung eines schwerbehinderten Beamten auf Lebenszeit wegen Dienstunfähigkeit bedarf nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 168 SGB IX. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A7 BBesO) im Bundesdienst und wird beim Bundesnachrichtendienst verwendet. Aufgrund eines Autounfalls mit anschließender durchgehender „Arbeitsunfähigkeit“ veranlasste der Bundesnachrichtendienst die amts- sowie fachärztliche Untersuchung des Klägers. Bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens war er als Schwerbehinderter im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Die Zurruhesetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit erfolgte ohne vorangehende Beteiligung des Integrationsamtes.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat bezogen auf die Notwendigkeit der Beteiligung des Integrationsamtes zur Begründung insbesondere ausgeführt: Das innerstaatliche Recht schreibt die Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes vor der Versetzung eines Lebenszeitbeamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht vor. Nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 9. März 2017, C- 406/15, Milkova) zwingt aber auch das Unionsrecht nicht dazu, Arbeitnehmer und Lebenszeitbeamte im Hinblick auf das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes bei der Beendigung der aktiven Berufstätigkeit gleich zu behandeln. Das durch das Verfahren der Zurruhesetzung für Lebenszeitbeamte begründete Schutzniveau bleibt jedenfalls nicht hinter dem durch §§ 168 ff. SGB IX für Arbeitnehmer begründeten zurück. Bei Arbeitnehmern dient das Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes dazu, die Ausübung des Kündigungsrechts durch den privaten Arbeitgeber einer vorherigen staatlichen Überprüfung zu unterziehen. Ziel ist der Ausgleich der regelmäßig geringeren Wettbewerbsfähigkeit schwerbehinderter Menschen auf dem privaten Arbeitsmarkt. Dieser Aspekt ist für die Zurruhesetzung eines Lebenszeitbeamten wegen Dienstunfähigkeit nicht von Bedeutung. Denn besteht ein Restleistungsvermögen, verbleibt der Beamte typischerweise im aktiven Beamtenverhältnis und wird nicht zur Ruhe gesetzt. Zudem wird durch die Zurruhesetzung ein Ruhestandsbeamtenverhältnis begründet, aufgrund dessen der Dienstherr dem Beamten in vielfältiger Hinsicht verpflichtet ist, insbesondere durch die Möglichkeit der Reaktivierung im Falle der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit.

(Pressemitteilung v. 07.07.2022)

im Ruhestand kein Eilverfahren gegen das vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 11.10.2018, Az. 26 L 2528/18

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat im Rahmen eines Eilverfahrens schnell und knapp bestätigt, dass ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gem. § 39 S. 1 BeamtStG gegenstandslos wird, sobald der Beamte (wirksam) in den Ruhestand versetzt wurde.

Damit bestätigt es das Vorgehen des Dienstherrn, einen Beamten vorläufig zu suspendieren, bis er entscheiden konnte, den Beamten wegen der dann festgestellten Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.

In dem vorliegenden Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Beamten zu Recht bereits wegen dem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt und darauf hingewiesen, dass sich der Rechtsschutz in das gegen die Ruhesetzungsverfügung gerichtete Klageverfahren verlagert. „im Ruhestand kein Eilverfahren gegen das vorläufige Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 11.10.2018, Az. 26 L 2528/18“ weiterlesen

Quantensprung: Beamte genießen Freizügigkeit in der EU und ab sofort eine höhere Nachversicherung, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 26.02.2018, Az. 23 K 6871/13

Wenn Beamte ihren Dienst in Deutschland – egal ob beim Bund oder in den Bundesländern oder Gemeinden – quittierten und in den öffentlichen Dienst eines anderen EU-Mitgliedstaates eintraten, wurden sie dafür bestraft. Nicht im Sinne eines Strafgesetzes, aber bislang finanziell. Denn die allermeisten von Ihnen hatten erhebliche Renten- und Versorgungsnachteile hinzunehmen. (siehe auch Beamtenversorgungsrecht auf dem Prüfstand vor dem EuGH, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 16.04.2015, Az. 23 K 6871/13)

Das ergab sich aus den völlig miteinander unvereinbaren Systemen von Versorgung der Beamten einerseits und Rente für Angestellte andererseits. Während die Versorgung erdient wird und sich an der Besoldung der letzten zwei Jahre orientiert (bei frühem Eintritt in den Ruhestand aber Abschläge vorsieht), stellt die Rente auf die eingezahlten Rentenbeiträge und Beitragsjahre ab. „Quantensprung: Beamte genießen Freizügigkeit in der EU und ab sofort eine höhere Nachversicherung, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 26.02.2018, Az. 23 K 6871/13“ weiterlesen

Ombudsstelle Feuerwehr ab 01. März erreichbar

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr, des Amtes für Feuerschutz, Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz wird in enger Abstimmung zwischen Herrn Stadtdirektor Dr. Keller und der Führung der Feuerwehr eine „Ombudsstelle Feuerwehr“ eingerichtet, um Beschwerden, Anregungen und Informationen entgegenzunehmen.

Beauftragt wurde die Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in Düsseldorf (www.ombudsstelle-feuerwehr.de), die das Angebot ab 1. März 2018 insbesondere telefonisch, aber auch per Email und über eine spezielle Homepage online bereitstellt. Nähere Informationen hierzu erfolgen in Kürze. „Ombudsstelle Feuerwehr ab 01. März erreichbar“ weiterlesen

nur 250km bis zum Vertrauensarzt?, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 08.11.2016, Az. 0136/B17-2016

Unmittelbar nachdem hier der aktuelle Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen zur Zuständigkeit des Amtsarztes am Wohnort des Beamten bei Untersuchungen zur Dienstfähigkeit erstritten wurde, ist nun ein schon etwas älterer Beschluss der Verwaltungskammer beim Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland bekannt geworden. Er verhält sich hierzu geradezu widersprüchlich.

Nach unserer rechtlichen Bewertung ergibt nämlich die Normenkette, dass auch im Kirchenbeamtenrecht der Ev. Kirche im Rheinland das staatliche nordrhein-westfälische Landesrecht Anwendung findet. Das Verfahren zur Untersuchung der Dienstfähigkeit bestimmt sich nach dem Kirchenbeamtengesetz (KBG.EKD), sowie nach landeskirchlichem Recht. Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AG.KBG.EKD gilt:

„Ergänzend zu den Bestimmungen des Kirchenbeamtengesetzes der EKD und dieses Kirchengesetzes ist das für die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen jeweils geltende Recht sinngemäß anzuwenden, soweit das kirchliche Recht nichts anderes bestimmt.“

Das nordrhein-westfälische Beamtenrecht bestimmt in § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW:

„Für die amtlichen Untersuchungen zur Ausstellung von gutachterlichen Stellungnahmen in beamtenrechtlichen Verfahren nach dem Landesbeamtengesetz NRW ist die untere Gesundheitsbehörde am Wohnort der zu begutachtenden Person zuständig. Abweichend davon kann die Behörde oder Einrichtung, die das beamtenrechtliche Verfahren durchführt, die untere Gesundheitsbehörde am Dienstort der zu begutachtenden Person beauftragen.“

Dann gilt aber auch der oben erwähnte Grundsatz, den das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt hat, dass für die Untersuchung der Dienstfähigkeit des Kirchenbeamten ausschließlich der Amtsarzt am Wohnort des Kirchenbeamten zuständig wäre.

Die Ev. Kirche im Rheinland vertritt hierzu eine abweichende Rechtsposition und ist der Auffassung, dass der nachfolgende Beschluss der Verwaltungskammer ihre Praxis stützt. Denn dort hat die Verwaltungskammer die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aufforderung zur Untersuchung bei einem 250km (!) entfernten Vertrauensarzt nicht wiederhergestellt. Die Verwaltungskammer hat insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein „Fahrservice“ des Dienstherrn angeboten wurde, die An- und Abreise nicht für unzumutbar gehalten.

Aus unserer anwaltlichen Sicht ist eine derartige Prüfung der Zumutbarkeit (der Verhältnismäßigkeit) schon systematisch nicht notwendig, weil eben das landeskirchliche Recht sich ganz auf den staatlichen Gesetzgeber in NRW fokussiert hat. Dieser kennt die Untersuchung bei einem entfernten Vertrauensarzt nicht, sondern ausschließlich die Untersuchung beim Amtsarzt vor Ort. Es bleibt also abzuwarten, ob die Verwaltungskammer auch in zukünftigen Verfahren ihre Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 aufrecht erhalten wird.

Der Beschluss lautet im Volltext: „nur 250km bis zum Vertrauensarzt?, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 08.11.2016, Az. 0136/B17-2016“ weiterlesen

Amtsärztlich untersucht wird am Wohnort, nicht am Dienstort, Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss v. 11.01.2018, Az. 1 L 1985/17

Für amtsärztliche Untersuchungen – etwa im Rahmen einer Überprüfung der Dienstfähigkeit – ist das Gesundheitsamt am Wohnort des Beamten zuständig.

Das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt in seinem Beschluss, dass der Dienstherr auch dann nicht das Gesundheitsamt am Dienstort als zuständig auswählen darf, wenn er Zweifel an der Arbeit des Gesundheitsamtes am Wohnort des Beamten hat. Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Arztes, an der unparteiischen Amtsausübung oder an der Tatsachengrundlage sind keine Erwägungen, die den Dienstherrn zu der Annahme einer Ausnahmesituation im Sinne des § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW berechtigen.

Das Verwaltungsgericht führt in der Begründung seines Beschlusses dazu wörtlich aus: „Amtsärztlich untersucht wird am Wohnort, nicht am Dienstort, Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss v. 11.01.2018, Az. 1 L 1985/17“ weiterlesen