Keine Disziplinarmaßnahme durch Versetzung und Abordnung, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 27.04.2021, Az. 7 K 6/21.TR

Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz in Trier

Disziplinarverfahren sollen keine Endlosgeschichte werden, insbesondere nach Ablauf der Tilgungs- und Verjährungsfristen dürfen auch nicht etwa alte Disziplinarvorwürfe genutzt werden, schikanöse beamtenrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Hieran scheiterten nun eine Versetzung und eine Teilabordnung eines Lehrers, die die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Rheinland-Pfalz erlassen hatte. Obwohl die schriftlichen Begründungen keinen Bezug auf die verjährte Disziplinarmaßnahme nahmen, stand ihnen auch zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts Trier der Sanktionierungswunsch der Behörde gleichsam auf die Stirn geschrieben. Ein seltener Fall, indem das Gericht die Behörde mit deutlichen Worten rügt, dass sie unlautere wahre Motive hatte und diese verschleiert hat.

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BVerwG zum Großeinsatz der Polizei: Wann ist Ruhe­zeit Arbeits­zeit?, lto.de v. 14.04.2021

Das BVerwG hat angekündigt, in einer kommenden Entscheidung die Voraussetzungen dafür zu konkretisieren, wann beamtenrechtlich Arbeits- statt Ruhezeit vorliegt, es geht um den G7-Gipfel 2015 in Elmau. Sarah Nußbaum mit dem Ausblick.

Zu jeder Zeit an jedem Ort für jede Aufgabe einsatzfähig sein – diese Anforderungen an ihre Dienstfähigkeit kennen Polizeikräfte nur zu gut. Zu Recht erwartet auch die Bevölkerung etwa bei Großeinsätzen wie dem G7-Gipfel 2015 in Elmau, dass die Polizei rund um die Uhr einsatzfähig ist. Der Personalbedarf ist für solche Einsätze enorm, Hundertschaften wechseln sich in der Regel ab, um Ruhezeiten zu ermöglichen.

Diese wurden in der Vergangenheit jedoch nicht immer eingehalten, denn trotz der im Dienstplan ausgewiesenen Ruhezeit mussten sich viele Einsatzkräfte bei besagtem G7-Gipfel in Elmau trotzdem mit der Waffe bereithalten. Einen Ausgleich – ob nun in Geld oder Freizeit – für diese Stunden bekamen sie bisher nicht. Erst seit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) eine ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln im Februar 2020 aufhob, können sie auf einen Ausgleich hoffen (OVG NRW, Urteil v. 13.02.2020, Az. 1 A 1671/18).

Ob die Hoffnung sich erfüllt, wird sich am Donnerstag zeigen, denn die OVG-Entscheidung liegt aktuell dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vor. Dieses hat bei der Zulassung der Revision angekündigt, die Voraussetzungen für einen Ausgleich grundsätzlich zu klären (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2020, Az. 2 C 18.20). Ohne zu viel vorwegzunehmen: Eine völlig andere Entscheidung als die des OVG ist aus Leipzig nicht zu erwarten.

Einsatz-, Bereitschafts- oder Ruhezeit – die Unterschiede 

Auf die Plätze, fertig, los: Beginnt die Tätigkeit, gibt es Lohn für die Einsatzzeit, keine Frage. Aber was ist, wenn es nur heißt: Auf die Plätze – aber bitte nur fertigmachen?

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online-Verhandlungen

(C) Landgericht Düsseldorf

Die Corona-Pandemie hat auch in den von uns betreuten verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Fragen den Blick auf Vorschriften gelenkt, die wir bislang nicht beachtet haben: die online-Verhandlung.

Tatsächlich kennt das Prozessrecht die Verhandlung von verschiedenen Orten aus und bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung schon seit einigen Jahren, ohne dass diese Verfahren aber in nennenswerter Weise stattgefunden haben.

Zur Vermeidung von derzeit unerwünschten Kontakten und von Anreisen für unsere Mandant:innen und uns selbst beantragen wir daher vermehrt gem. § 102a VwGO

„den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen [zu] gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.“

§ 102a Abs. 1 S. 1 VwGO

Bislang haben wir diese Verhandlungen bei folgenden Gerichten beantragt:

GerichtAntrag erfolgreichAntrag abgelehntAnträge offenTendenz
Amtsgericht Kleve*1
Landgericht Düsseldorf*1
Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens1
Verwaltungsgericht Arnsberg1
Verwaltungsgericht Düsseldorfdiverse
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen1
Verwaltungsgericht Köln11
Verwaltungsgericht Minden1
Verwaltungsgericht Trier2
Stand: 11.06.2021

*bei den Zivilgerichten haben wir entsprechende Anträge nach §128a ZPO gestellt.

Güterichterverfahren sind Mehrwert, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 01.04.2020, Az. 6 E 319/19

Im Rahmen einer beamtenrechtlichen Auseinandersetzung waren wir damit beauftragt worden, Klage gegen eine dienstliche Beurteilung und gegen eine Entlassungsverfügung zu erheben. Wir haben beide Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingeleitet und die Durchführung eines Güterichterverfahrens angeregt. Erfreulicherweise war sowohl die betroffene Landesbehörde wie auch die streitentscheidende Kammer ebenso für die Idee zu gewinnen wie auch der Güterichter des Verwaltungsgerichts.

Daher wurden beide Klageverfahren ausgesetzt und der Streit an den Güterichter verwiesen. (Güterichter und Mediation nach dem Mediationsgesetz, kleine Mediationsstatistik) Im Rahmen einer Verhandlung dort kam es zu einer umfangreichen Einigung, die weit über die Themen der Klagen (dienstliche Beurteilung, Entlassung) hinausgingen. So war etwa auch die Erteilung eines Dienstzeugnisses, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in einer anderen Laufbahngruppe wie auch die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit sofortiger Versetzung zu einer anderen Dienststelle Gegenstand der Einigung. Die Parteien verständigten sich darauf, dass durch die Einigung vor dem Güterichter auch die Klageverfahren erledigt seien, außerdem wurde eine Kostenteilung vereinbart.

Bei der anschließenden Streitwertfestsetzung durch die „Streitkammer“ hat diese schlicht den Inhalt des – ihr im Wortlaut bekannten – Vergleichs ignoriert und einerseits den Streitwert für die dienstliche Beurteilung, im anderen Verfahren den Streitwert für die Entlassung angesetzt. Hiergegen haben wir als Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen Rechtsmittel eingelegt. Diesem hat das Verwaltungsgericht zu unserer bis heute anhaltenden Überraschung nicht abgeholfen. Es hat weiterhin ignoriert, dass ein sogenannter „Vergleichsmehrwert“ entstanden ist.

Dem hat nun erst das Oberverwaltungsgericht mit seiner aktuellen Entscheidung vom 01.04.2020 Einhalt geboten.

Der Rechtsstreit macht noch einmal darauf aufmerksam, dass auch verwaltungsgerichtliche und beamtenrechtliche Verfahren grundsätzlich und unabhängig vom Thema mediations- und güterichtergeeignet sind. Darüber hinaus weist die Streitwertfestsetzung aber auch darauf hin, dass die Gerichte verhandelte Mehrwerte häufig übersehen und offenbar auch übersehen wollen. Dem kann nur Einhalt geboten werden, wenn Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen Streitwertbeschwerde erheben.

Die Entscheidung lautet im Volltext:

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strukturprägende Grundsätze des kirchlichen Beamten- und Pfarrdienstrechts, Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD, Beschluss v. 17.03.2020, Az. RVG 4/2019

Im Rahmen eines kirchenrechtlichen Revisionsverfahrens hat das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD über die Pfarrbesoldung in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens zu entscheiden gehabt. Der Beschluss lehnt die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ab, nutzt aber die Gelegenheit das Pfarrdienst- und vor allem Pfarrbesoldungsrecht noch einmal insgesamt einzuordnen. Auch wenn die Kirchen sich staatsfern und damit außerhalb von Art. 33 GG (staatliches Beamtenrecht) organisieren, so haben sie doch die einhelligen Strukturprinzipien des Beamtenrechts sowohl in ihr kirchliches Beamten- wie auch in ihr Pfarrdienstrecht übernommen.

Im konkreten Fall war es aus Sicht des Revisionsgerichts nicht zu beanstanden, dass einem Pfarrer nach der Versetzung in eine geringer besoldete Pfarrstelle (A14 -> A13) weder eine höhere Besoldung auf Lebenszeit, noch eine dauerhafte oder vorübergehende Zulage zusteht. Auch aus dem Umstand, dass ihm die Hauptvertretung einer ebenfalls höher besoldeten Pfarrstelle übertragen war, lasse sich nichts anderes ableiten. Der landeskirchliche Gesetzgeber habe genau diese Option eingeräumt, sodass Pfarrer dies – jedenfalls vorübergehend – hinnehmen müssten.

Die Entscheidung lautet im Volltext:

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Corona und Kirchenrecht

Inhaltlich stellen sich aktuell in vielen Kirchengemeinden neue Rechtsfragen, die bislang noch nicht da gewesen sind. So müssen etwa im Rheinland die neu gewählten Presbyterien eingeführt werden. Die Landeskirche hat vorläufige Einführungen vorgesehen. So können nun Gelübde auch digital abgelegt oder bekräftigt werden.

Sitzungen auf Abstand? Beschlüsse unmöglich?

Was ist aber – und das betrifft alle Landeskirchen gleichermaßen – mit den Sitzungen von Presbyterien und Kirchvorständen, von Kreissynodalvorständen oder Synoden? Alle Kirchengesetze gehen grundsätzlich von präsenten Sitzungen im gleichen Raum aus. Das ist nur bedingt mit den Kontaktverbotsvorschriften der Bundesländer vereinbar. Zwar sind dort häufig auch Gremiensitzungen als Ausnahme vorgesehen, aber sollen und wollen sich alle Beteiligten auch dem Risiko einer Sitzung aussetzen? Muss das Presbyterium im Kirchenraum tagen, damit alle genügend Abstand zueinander halten können?

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Regelmäßig kein Anspruch eines vom Dienst ganz freigestellten Personalratsmitglieds auf leistungsbezogene Besoldung, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 23.01.2020, Az. 2 C 22.18

Ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied hat in aller Regel keinen Anspruch auf Einbeziehung in die Entscheidung des Dienstherrn über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungselemente. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist Polizeihauptkommissar im Dienst der Bundespolizei und wegen seiner Tätigkeit als Personalrat ganz von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Er begehrt, bei der leistungsbezogenen Besoldung während seiner Freistellung berücksichtigt zu werden. Leistungsbezogene Besoldung kann in Form der Leistungsstufe als befristete Vorwegnahme der nächsthöheren Grundgehaltsstufe, in Form der Leistungsprämie als Einmalzahlung oder in Form der Leistungszulage als monatliche Zahlung längstens für einen zusammenhängenden Zeitraum von einem Jahr gewährt werden. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, über die Vergabe einer leistungsbezogenen Besoldung an den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

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Sie dürfen uns treffen – auch in Leipzig!, Verwaltungsgericht Leipzig, Beschluss v. 28.10.2019, Az. 6 K 1337/15

„Treffen sich ein Anwalt und eine Mandantin“ – was wie der Anfang eines mittelmäßigen Witzes beginnt, beschäftigte nun das Verwaltungsgericht Leipzig knapp zwei Jahre lang (!) im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens.

Es stellte sich nämlich die Frage, welche Kosten notwendig im rechtlichen Sinne waren und ob hierzu auch die durch die Entfernung zusätzlich entstandenen Kosten unserer Düsseldorfer Kanzlei zählen, wenn das Verfahren doch in Leipzig geführt wird. Und war es auch notwendig Reisekosten der Mandantin abzurechnen, als sich diese mit ihrem Bevollmächtigten im laufenden Verfahren in Leipzig traf?

Das Verwaltungsgericht Leipzig kommt nun zu dem Ergebnis:

  • wir konnten „glaubhaft darlegen […], über relevante Fachkenntnisse des Wahlrechts und der Wahlanfechtung zu verfügen.“ Danke.
  • Gleichwohl stehen auch in Leipzig Fachanwälte zur Verfügung. Diese wären (fahrtkosten-)günstiger.
  • Für jede Tatsacheninstanz wird – soweit nicht ein Schriftwechsel ausreichend erscheint – grundsätzlich eine Informationsreise des Mandanten zum Prozessbevollmächtigten als erstattungsfähig angesehen. Ein solches Treffen darf auch in Leipzig stattfinden.
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teilweise Aufhebung des Widerspruchsbescheids im Rahmen der Besetzung einer Entsendepfarrstelle, Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Urteil v. 08.04.2019, Az. KVwG 5/2017 (jetzt: KVwG 5/2018)

Bereits im Rahmen eines Eilverfahrens hatte das Kirchliche Verwaltungsgericht der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens festgestellt, dass es einen sehr eingeschränkten Rechtsschutz für Kirchengemeinden auch bei Entsendepfarrstellen gebe. Nach dem Beschluss vom 11.11.2018, der die aufschiebende Wirkung der Klage wieder herstellte, lag es im Zuständigkeitsbereich der Landeskirche den Monierungen des Gerichts Rechnung zu tragen. Nachdem dies nicht geschehen war, hob das Verwaltungsgericht nunmehr den angefochtenen Bescheid im Hauptsacheverfahren teilweise auf.

Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

„teilweise Aufhebung des Widerspruchsbescheids im Rahmen der Besetzung einer Entsendepfarrstelle, Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Urteil v. 08.04.2019, Az. KVwG 5/2017 (jetzt: KVwG 5/2018)“ weiterlesen

Besetzungsrüge und Befangenheitsanträge im kirchlichen Disziplinarverfahren (hier: unbegründet), Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 29.10.2019, Az. 0134/1-2018

Wie bereits zum Beschluss vom 16.11.2018 angemerkt wurde, hatte die Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD dort in „Überbesetzung“ (drei Richter/innen statt eines Richters/einer Richterin) entschieden. Damit war aus Sicht des Beklagten über die Befangenheit des ursprünglichen Vorsitzenden nicht ordnungsgemäß entschieden und das Gericht im Vorsitz nicht ordnungsgemäß besetzt. Hiergegen erhob er eine Besetzungsrüge.

Daneben machte er auch die Besorgnis der Befangenheit gegen die weiteren Mitglieder der Disziplinarkammer geltend, weil sich diese mit dem „überbesetzten“ Beschluss Entscheidungsbefugnisse angemaßt hatten, die ausdrücklich dem Wortlaut des kirchlichen Disziplinargesetzes widersprachen.

„Besetzungsrüge und Befangenheitsanträge im kirchlichen Disziplinarverfahren (hier: unbegründet), Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 29.10.2019, Az. 0134/1-2018“ weiterlesen