Will ein Dienstherr eine:n Beamt:in aus dem Beamtenverhältnis entfernen, also die Maximalsanktion verhängt wissen oder will er sonst den Status verändern lassen (durch Zurückstufung, also „Degradierung“, oder durch Aberkennung des Ruhegehalts) ist nach dem derzeit geltenden Disziplinarrecht eine Disziplinarklage zu erheben. Über diese entscheidet dann das zuständige Verwaltungsgericht. Gegen sein Urteil kann Berufung eingelegt werden.
Im konkreten Fall war nun streitig, ob das Verwaltungsgericht aber vollständig und damit wirksam über das Rechtsmittel belehrt hatte.
Hierüber hat nun das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Der amtliche Leitsatz lautet:
In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils eines Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage ist nur über die Monatsfrist für die Einlegung der Berufung nach § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG zu belehren, nicht aber über die Verpflichtung zur Begründung der Berufung innerhalb dieser Frist.
Die Entscheidung begründet dies in ihrem Volltext wie folgt:
Der Rechtsstreit betrifft den Umfang der Belehrungspflicht für ein Disziplinarklageurteil nach Maßgabe des Bundesdisziplinargesetzes.
[…]
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. VwGO) ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufung der Klägerin mangels rechtzeitiger Begründung unzulässig ist. Die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des Verwaltungsgerichts ist nicht unrichtig erteilt, sodass für die Begründung der Berufung nicht die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO gilt. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils eines Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage nach Maßgabe des Bundesdisziplinargesetzes ist nur über die Monatsfrist für die Einlegung der Berufung zu belehren, nicht aber auch über die Verpflichtung zur Begründung der Berufung innerhalb dieser Frist. Wegen der Unzulässigkeit der Berufung der Klägerin ist klarstellend auszusprechen, dass sie gemäß § 64 Abs. 1 Satz 5 und § 3 BDG sowie § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen ist.
Nach § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG ist die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts über eine Disziplinarklage bei dem Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen und zu begründen. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO, der nach § 3 BDG entsprechend anzuwenden ist, muss in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils über eine Disziplinarklage jedoch nur über die für die Einlegung der Berufung geltende Monatsfrist belehrt werden. Eine Pflicht zur Belehrung über die innerhalb einer bestimmten Frist vorzulegende Begründung des Rechtsmittels besteht nur bei zweistufig aufgebauten Rechtsmitteln, bei denen im Anschluss an die erste Stufe der fristgebundenen Einlegung die zweite Stufe der Vorlage der Begründung innerhalb einer gesonderten Frist nachfolgt.
Dies galt etwa für die Revision nach Maßgabe des § 57 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (BGBl. I S. 625 - BVerwGG), auf den sich der Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 1957 – Gr.Sen. 1.57 – (BVerwGE 5, 178) bezieht. Das Gesetz sah vor, dass die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung oder nach der Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision beim Verwaltungsgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen ist.
Eine Belehrung über die Frist für die Begründung des Rechtsmittels ist auch geboten, wenn das Rechtsmittel eine Zulassung voraussetzt und es nach erfolgter Zulassung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung der Einlegung des Rechtsmittels nicht mehr bedarf, sodass von dem zweistufig aufgebauten Rechtsmittel nur die zweite Stufe, die Vorlage der Begründung innerhalb einer gesonderten Frist, übriggeblieben ist (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1998 – 9 C 6.98 – BVerwGE 107, 117 <122 f.>). Dies trifft auf die Zulassung der Berufung nach § 124a VwGO und für die Zulassung der Revision nach § 139 VwGO zu. Bei Beschlüssen des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a und 123 VwGO ist über die Frist für die Einlegung der Beschwerde – zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung, § 147 Abs. 1 Satz 2 VwGO – sowie über die gesonderte Frist für die Begründung der Beschwerde nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO zu belehren.
Mit diesen Regelungen sind die Vorgaben des § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG nicht zu vergleichen. Zwar schreibt das Gesetz die Einreichung einer Begründung der Berufung vor, sieht dafür aber keine gesonderte Frist vor, über die nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 VwGO zu belehren wäre. § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG ist vielmehr mit einer Vorschrift wie § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 1990 geltenden Fassung – VwGO a. F. – zu vergleichen. Danach musste in der innerhalb eines Monats beim Ausgangsgericht einzulegenden Beschwerdeschrift der Grund für die Zulassung der Revision in der Beschwerdeschrift dargelegt und bezeichnet werden. Diese Vorschrift wurde stets dahingehend ausgelegt, dass in der Rechtsmittelbelehrung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf die Pflicht zur Begründung und die Begründungsfrist hingewiesen werden müsse (BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 1960 - 1 B 127.60 – DVBl 1960, 897, vom 30. November 1960 – 8 B 145.60 – NJW 1961, 381, vom 2. Februar 1961 – 8 B 122.60 – NJW 1961, 1083, vom 1. Juni 1965 – 3 B 25.65 – DVBl 1965, 840, vom 21. Juni 1969 – 3 B 61.69 – DVBl 1970, 279 und vom 20. Oktober 1976 – 7 B 159.76 – Buchholz 310 § 58 Nr. 32 S. 11 f.). Zur Abgrenzung vom genannten Beschluss des Großen Senats vom 5. Juli 1957 zu § 57 Abs. 1 Satz 1 BVerwGG wurde darauf verwiesen, dass die Begründung für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht als selbstständiger Teil des Rechtsmittels ausgebildet sei und die Begründung lediglich eine bloße Förmlichkeit der Beschwerdefrist darstelle, auf die ebenso wenig wie auf andere Förmlichkeiten hingewiesen werden müsse (BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1969 – 3 B 61.69 - DVBl 1970, 279).
Für die Gleichsetzung des § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG mit § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO a. F. ist auch die Vorgabe dieser Vorschrift unerheblich, dass der Grund für die Zulassung der Revision in der Beschwerdeschrift darzulegen oder zu bezeichnen ist, während jene Regelung keinen Zusammenhang zwischen der Rechtsmittelschrift und der Begründung der Berufung vorsieht. Denn für § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO a. F. hat es das Bundesverwaltungsgericht ausreichen lassen, wenn die Begründung für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung in einem der Einlegung nachfolgenden Schriftsatz innerhalb der Monatsfrist eingereicht wurde (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Juni 1965 – 3 B 25.65 – DVBl 1965, 840 und vom 21. Juni 1969 – 3 B 61.69 – DVBl 1970, 279). Unerheblich ist auch, dass das Gesetz bei § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO a. F. lediglich von „darlegen“ und „bezeichnen“ spricht. Denn es handelt sich um die regelmäßig erforderliche Begründung des Rechtsmittels, d. h. um die Angabe der Gründe für die Anfechtung der angegriffenen Entscheidung der Vorinstanz.
Das Schutzbedürfnis des Verfahrensbeteiligten, der Berufung gegen das Urteil einzulegen beabsichtigt, rechtfertigt keine erweiternde Auslegung des § 58 Abs. 1 VwGO in dem Sinne, dass auf sämtliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels hinzuweisen ist. Denn der Gesetzgeber hat im Interesse der Rechtssicherheit in § 58 Abs. 1 VwGO diejenigen Aspekte abschließend benannt, über die der Beteiligte zur Wahrung seiner Interessen im Verfahren zu belehren ist. Aus Wortlaut und Systematik des § 58 Abs. 1 VwGO folgt, dass die Belehrung nicht sämtlichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen und dem Beteiligten jede eigene Überlegung ersparen muss (BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1972 – 4 C 40.70 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 23 S. 9, vom 27. Februar 1976 – 4 C 74.74 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 31 S. 7 f. und vom 9. Mai 2019 – 4 C 2.18 – BVerwGE 165, 299 Rn. 16). Dass § 64 Abs. 1 Satz 2 BDG von den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung zur Begründung von Rechtsmitteln gegen eine gerichtliche Entscheidung abweicht, ist ausgehend vom eindeutigen Wortlaut des § 58 Abs. 1 VwGO nicht von Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühren unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (§ 78 Satz 1 BDG i. V. m. Nr. 30 der Anlage).
Das Urteil unterstreicht noch einmal wie wichtig es ist, sich in – ohnehin existenziellen – Verfahren der Disziplinarklage von erfahrenen Verteidiger:innen im Disziplinarrecht beraten und vertreten zu lassen.
Unsere Kanzlei berät aktuell Verfahren mit – aus unserer Sicht – fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung. Hieran können unter Umständen wirtschaftliche Vorteile von Besoldung und Versorgung in der Höhe eines Jahresbezugs hängen, ebenso bietet eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung stets die Gelegenheit die Verteidigung „breiter“ aufzustellen, als dies erstinstanzlich möglicherweise bereits erfolgte.