online-Verhandlungen

(C) Landgericht Düsseldorf

Die Corona-Pandemie hat auch in den von uns betreuten verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Fragen den Blick auf Vorschriften gelenkt, die wir bislang nicht beachtet haben: die online-Verhandlung.

Tatsächlich kennt das Prozessrecht die Verhandlung von verschiedenen Orten aus und bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung schon seit einigen Jahren, ohne dass diese Verfahren aber in nennenswerter Weise stattgefunden haben.

Zur Vermeidung von derzeit unerwünschten Kontakten und von Anreisen für unsere Mandant:innen und uns selbst beantragen wir daher vermehrt gem. § 102a VwGO

„den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen [zu] gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.“

§ 102a Abs. 1 S. 1 VwGO

Bislang haben wir diese Verhandlungen bei folgenden Gerichten beantragt:

GerichtAntrag erfolgreichAntrag abgelehntAnträge offenTendenz
Amtsgericht Kleve*1
Landgericht Düsseldorf*1
Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens1
Verwaltungsgericht Arnsberg1
Verwaltungsgericht Düsseldorfdiverse
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen1
Verwaltungsgericht Köln11
Verwaltungsgericht Minden1
Verwaltungsgericht Trier2
Stand: 11.06.2021

*bei den Zivilgerichten haben wir entsprechende Anträge nach §128a ZPO gestellt.

Rich­terin wirft nach drei­zehn Ver­hand­lungs­tagen hin, lto.de v. 24.09.2020

„Bandidos“-Prozess am LG Hagen muss neu aufgerollt werden

von Annelie Kaufmann

Am LG Hagen ist ein umfangreicher Rockerprozess geplatzt. Nach 13 Verhandlungstagen und rund 50 Zeugen musste die Kammer den Prozess aussetzen. Grund: Eine Richterin auf Probe will kurzfristig aus dem Justizdienst ausscheiden. 

Am 10. August hatte vor dem ersten Schwurgericht des Landgerichts (LG) Hagen die Hauptverhandlung begonnen – mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen und mit dem entsprechenden Medieninteresse. Angeklagt sind sechs Männer aus Hagen, Altena und Iserlohn in Nordrhein-Westfalen, von denen fünf Mitglieder der Gruppe „Bandidos MC“ sein sollen, einer soll dem Unterstützerclub „Iron Bloods 58“ angehören. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und andere Straftaten vor, darunter versuchter Mord. Es geht um Auseinandersetzungen mit anderen Motorradclubs, insbesondere mit dem in Hagen ansässigen „Freeway Riders MC“. 

Dass das ein aufwendiger Prozess werden wird, war absehbar. Angesetzt waren zunächst 32 Verhandlungstage, von August bis Ende November sollte verhandelt werden. Klar war aber auch, dass das womöglich nicht reichen würde. Überraschend kam dagegen, dass die Kammer am Montag dieser Woche erklärte, dass die Hauptverhandlung ausgesetzt werde und der Prozess neu begonnen werden muss. Zuerst hatte darüber die WAZ berichtet. 

Der Grund: Eine der Richterinnen scheidet kurzfristig aus dem Justizdienst aus, aus „persönlichen Gründen“ und mit „sofortiger Wirkung“, wie das Gericht gegenüber LTO bestätigte. Die „Bild“-Zeitung hatte über eine Bedrohung aus dem Rockermilieu spekuliert, dafür gebe es jedoch „überhaupt keine Anhaltspunkte“, betonte ein Sprecher des Gerichts. Die Hauptverhandlung soll nun am 14. Januar kommenden Jahres neu beginnen. 

Eine „Kündigungsfrist“ gibt es für Richter nicht

Die Richterin war noch in der Probezeit – hatte also ihre Justizlaufbahn gerade erst begonnen. Sie hatte zunächst bei der Staatsanwaltschaft gearbeitet. Nach Angaben des Gerichts war sie für zunächst ein Jahr an die Kammer abgeordnet. Solche Abordnungen sind in Nordrhein-Westfalen üblich und dienen dazu, in der Probezeit neben der Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft auch das Richteramt kennen zu lernen. 

Nun hat sich die junge Richterin jedoch entschieden, insgesamt aus dem Justizdienst auszuscheiden. Und das kann sie jederzeit tun: Eine „Kündigung“ oder eine „Kündigungsfrist“ ist nicht vorgesehen. Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 4 Deutsches Richtergesetz ist ein Richter zu entlassen, wenn er seine Entlassung schriftlich verlangt. 

„Der Gesetzgeber meint das genauso, wie es da steht“, sagt der Düsseldorfer Fachanwalt für Verwaltungsrecht Robert Hotstegs dazu. „Er verlangt keine Begründung, keine Frist, nur ein schriftliches Gesuch“. Hotstegs berät unter anderem zum Beamtenrecht und ist ständiger Beisitzer im Dienstgericht für Richter beimLandgericht Düsseldorf. „Ich habe es auch schon erlebt, dass ein Beamter zu mir in die Beratung gekommen ist und am nächsten Morgen um acht Uhr ein Fax losschicken wollte, um noch am selben Tag entlassen zu werden – möglich ist das, wenn auch in den meisten Fällen nicht ratsam.“ 

Immerhin verlieren Richter und Beamte dann von einem Tag auf den anderen alle Ansprüche und sind auf ALG II angewiesen – wenn sie nicht direkt eine Anschlussbeschäftigung haben. Offenbar verlässt sich der Gesetzgeber darauf, dass sich die meisten Richter gut überlegen, ob sie den sicheren Justizdienst kurzfristig quittieren wollen. 

Auch das nordrhein-westfälische Justizministerium erklärt gegenüber LTO: „Der Richter kann einen Entlassungstag festlegen mit der Folge, dass die Entlassung für diesen Tag auszusprechen ist.“ Weiter heißt es seitens des Ministeriums: „Mit Blick auf die gesetzgeberische Entscheidung einerseits und die richterliche Unabhängigkeit andererseits enthält sich das Ministerium der Justiz einer Bewertung.“ Über den hier angesprochenen Fall hinaus sei „nicht bekannt, dass aufgrund der gesetzlichen Regelung Gerichtsverfahren nicht haben durchgeführt werden können.“

Wenn kein Ersatzrichter dabei war, muss die Verhandlung von vorne beginnen

Dass ein umfangreiches Strafverfahren platzt, weil ein Richter krank wird, ausfällt oder eben ausscheidet, lässt sich nur vermeiden, wenn von vorneherein ein Ergänzungsrichter an dem Prozess teilnimmt. Ob ein Ergänzungsrichter zugezogen wird, entscheidet der Vorsitzende Richter. 

In diesem Prozess war das nicht vorgesehen. Ob die Vorsitzende Richterin im weiteren Verfahren einen Ergänzungsrichter bestellt, um sicherzugehen, dass der Prozess nicht erneut platzt, sei noch nicht klar, hieß es seitens des LG Hagen. Es ist aber nicht unüblich, dass solche Verfahren ohne Ergänzungsrichter geführt werden, auch in einem weiteren Bandidos-Prozess vor dem LG Hagen, der im Oktober beginnt, ist ein Ergänzungsrichter bisher nicht vorgesehen.

Für die Justiz bedeutet der plötzliche Abgang also vor allem Kosten für die bisherigen Verhandlungstage und erneuten Aufwand. Immerhin fanden bereits 13 Verhandlungstage statt, ein großer Teil der Beweisaufnahme war bereits erfolgt und nach Angaben des Gerichts wurden bereits 50 Zeugen vernommen. Nun muss die Beweisaufnahme wiederholt werden, Eingang in das Urteil darf nur finden, was in der neuen Hauptverhandlung vorgetragen wird. 

Möglicherweise könne man das aber doch ein wenig abkürzen, heißt es seitens des Gerichts und – in Absprache mit den übrigen Prozessbeteiligten – auf diejenigen Zeugen verzichten, von denen man jetzt schon wisse, dass ihre Einlassungen eher unergiebig seien. 

Güterichterverfahren sind Mehrwert, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 01.04.2020, Az. 6 E 319/19

Im Rahmen einer beamtenrechtlichen Auseinandersetzung waren wir damit beauftragt worden, Klage gegen eine dienstliche Beurteilung und gegen eine Entlassungsverfügung zu erheben. Wir haben beide Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingeleitet und die Durchführung eines Güterichterverfahrens angeregt. Erfreulicherweise war sowohl die betroffene Landesbehörde wie auch die streitentscheidende Kammer ebenso für die Idee zu gewinnen wie auch der Güterichter des Verwaltungsgerichts.

Daher wurden beide Klageverfahren ausgesetzt und der Streit an den Güterichter verwiesen. (Güterichter und Mediation nach dem Mediationsgesetz, kleine Mediationsstatistik) Im Rahmen einer Verhandlung dort kam es zu einer umfangreichen Einigung, die weit über die Themen der Klagen (dienstliche Beurteilung, Entlassung) hinausgingen. So war etwa auch die Erteilung eines Dienstzeugnisses, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in einer anderen Laufbahngruppe wie auch die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mit sofortiger Versetzung zu einer anderen Dienststelle Gegenstand der Einigung. Die Parteien verständigten sich darauf, dass durch die Einigung vor dem Güterichter auch die Klageverfahren erledigt seien, außerdem wurde eine Kostenteilung vereinbart.

Bei der anschließenden Streitwertfestsetzung durch die „Streitkammer“ hat diese schlicht den Inhalt des – ihr im Wortlaut bekannten – Vergleichs ignoriert und einerseits den Streitwert für die dienstliche Beurteilung, im anderen Verfahren den Streitwert für die Entlassung angesetzt. Hiergegen haben wir als Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen Rechtsmittel eingelegt. Diesem hat das Verwaltungsgericht zu unserer bis heute anhaltenden Überraschung nicht abgeholfen. Es hat weiterhin ignoriert, dass ein sogenannter „Vergleichsmehrwert“ entstanden ist.

Dem hat nun erst das Oberverwaltungsgericht mit seiner aktuellen Entscheidung vom 01.04.2020 Einhalt geboten.

Der Rechtsstreit macht noch einmal darauf aufmerksam, dass auch verwaltungsgerichtliche und beamtenrechtliche Verfahren grundsätzlich und unabhängig vom Thema mediations- und güterichtergeeignet sind. Darüber hinaus weist die Streitwertfestsetzung aber auch darauf hin, dass die Gerichte verhandelte Mehrwerte häufig übersehen und offenbar auch übersehen wollen. Dem kann nur Einhalt geboten werden, wenn Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen Streitwertbeschwerde erheben.

Die Entscheidung lautet im Volltext:

„Güterichterverfahren sind Mehrwert, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 01.04.2020, Az. 6 E 319/19“ weiterlesen

Regelmäßig kein Anspruch eines vom Dienst ganz freigestellten Personalratsmitglieds auf leistungsbezogene Besoldung, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 23.01.2020, Az. 2 C 22.18

Ein ganz vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied hat in aller Regel keinen Anspruch auf Einbeziehung in die Entscheidung des Dienstherrn über die Gewährung leistungsbezogener Besoldungselemente. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Der Kläger ist Polizeihauptkommissar im Dienst der Bundespolizei und wegen seiner Tätigkeit als Personalrat ganz von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Er begehrt, bei der leistungsbezogenen Besoldung während seiner Freistellung berücksichtigt zu werden. Leistungsbezogene Besoldung kann in Form der Leistungsstufe als befristete Vorwegnahme der nächsthöheren Grundgehaltsstufe, in Form der Leistungsprämie als Einmalzahlung oder in Form der Leistungszulage als monatliche Zahlung längstens für einen zusammenhängenden Zeitraum von einem Jahr gewährt werden. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, über die Vergabe einer leistungsbezogenen Besoldung an den Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

„Regelmäßig kein Anspruch eines vom Dienst ganz freigestellten Personalratsmitglieds auf leistungsbezogene Besoldung, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 23.01.2020, Az. 2 C 22.18“ weiterlesen

Richterbeurteilung und obligatorisches Vorverfahren nach § 89 S. 2 LRiStaG NRW, Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf, Urteil v. 03.12.2019, Az. DG-6/2019

(C) Landgericht Düsseldorf

Dienstliche Beurteilungen von Richterinnen und Richtern sind gleichsam doppelt ein „Fall für sich“. Denn einerseits können sie verwaltungsrechtlich (quasi beamtenrechtlich) mit einem Antrag auf Änderung der dienstlichen Beurteilung oder einer Klage vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden. Hier unterliegen sie den nahezu gleichen Regelungen wie auch die Beurteilungen von Beamtinnen und Beamten. Daneben können sie aber auch vor den Dienstgerichten für Richter angegriffen werden. Diese überprüfen die Beurteilungen aber ausschließlich daraufhin, ob in ihnen eine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht vorliegt. Diese Maßnahmen sind in der Regel einzelne konkrete Formulierungen, die sodann für unzulässig erklärt werden können.

Besteht also schon ein doppelter Rechtsweg zu parallel tätigen Gerichtsbarkeiten, unterscheidet sich der Rechtsschutz außergerichtlich erheblich. Vor der Klage an das Verwaltungsgericht ist kein Widerspruch erforderlich (§ 110 JustG NRW), anders vor dem Antrag an das Dienstgericht für Richter. Dort ist spezialgesetzlich nach § 89 S. 2 LRiStaG NRW zwingend ein Widerspruchsverfahren durchzuführen.

Im konkreten Fall hat das Dienstgericht für Richter die Klage dennoch auch ohne Vorverfahren für zulässig erachtet und hat sich hierbei an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts orientiert.

Der Antrag vor dem Dienstgericht hatte in zwei von vier monierten Punkten Erfolg.

eigene Leitsätze:

  1. Gem. § 89 S. 2 LRiStaG NRW ist in den Fällen des § 67 Nummer 4 LRiStaG NRW zwingend ein Vorverfahren durchzuführen. Dies betrifft auch den Fall, dass Äußerungen in einer dienstlichen Beurteilung als unzulässig gerügt werden sollen. Ein Widerspruch ist nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn sich die Behörde im Verfahren auf die Sache insgesamt eingelassen und zu erkennen gegeben hat, dass sie die Maßnahme weiterhin für rechtmäßig hält. (Anschluss an BVerwG, Urteil v. 19.02.2009, Az. 2 C 56/07)
  2. Auch der Entwurf einer dienstlichen Beurteilung kann eine Maßnahme der Dienstaufsicht darstellen. Hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung richterlicher Unabhängigkeit ist aber der Antragsteller im Prüfungsverfahren darlegungspflichtig. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen auf Einwendungen des Antragstellers hin die dienstliche Beurteilung (positiv) vom Entwurf abweicht.
  3. Eine über den Entwurf einer dienstlichen Beurteilung hinausgehende, fortbestehende potenziell verhaltenslenkende Wirkung ist denkbar. (hier: abgelehnt)
  4. Die bloße Benennung von Befangenheitsanträgen und Dienstaufsichtsbeschwerden in einer dienstlichen Beurteilung ist unzulässig, weil sie jedenfalls indirekt Einfluss auf die richterliche Unabhängigkeit nimmt. (Fortführung von Beschluss v. 03.03.2017, Az. DG-1/2017)
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keine vorläufige Dienstenthebung bei absehbarer Versetzung in den Ruhestand, Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf, Beschluss v. 13.11.2019, Az. DG-3/2019

(C) Landgericht Düsseldorf

Das Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Düsseldorf ist erstinstanzlich für Disziplinarverfahren gegen Richterinnen und Richter, sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zuständig. Dabei kommen sowohl speziell richterdienstrechtliche Vorschriften wie aber auch allgemeine Vorschriften des Disziplinarrechts zur Anwendung.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beschlusses steht die schlichte Vorschrift des § 38 LDG NRW:

(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann eine Beamtin oder einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden […] wird. Sie kann die Beamtin oder den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch das Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden […] wird.

(3) Die nach § 81 zuständige Stelle kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

[…]

Die Besonderheit des vorliegenden Verfahrens liegt darin, dass der betroffene Richter wegen anhaltender Dienstunfähigkeit absehbar wohl in den Ruhestand versetzt werden soll. Daher sei kein Raum für eine vorläufige Dienstenthebung, weil das Verfahren dann nicht auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (hier: Richterdienstverhältnis) abziele, sondern auf die Aberkennung des Ruhegehalts nach Versetzung in den Ruhestand.

Fehlt es dann aber an der vorläufigen Dienstenthebung, darf auch kein Einbehalt der Bezüge angeordnet werden, auch hierfür wäre ohnehin erneut die Entfernung des aktiven Richters, nicht aber die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich.

Schließlich – das musste das Dienstgericht aber weder prüfen, noch bewerten – dürfte in einer derartigen Situation wohl auch kein Raum für einen Einbehalt des Ruhegehalts nach § 38 Abs. 3 LDG NRW verbleiben, denn derzeit ist der Richter gerade noch im aktiven Dienst, frühestens mit Wirksamwerden der Versetzungsverfügung dürften die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

Auch für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist – wenn der Richter kein Einverständnis erteilt – gem. § 91 Abs. 2 LRiStaG NRW die Entscheidung des Dienstgerichts für Richter über die Zulässigkeit der Versetzung einzuholen.

„keine vorläufige Dienstenthebung bei absehbarer Versetzung in den Ruhestand, Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf, Beschluss v. 13.11.2019, Az. DG-3/2019“ weiterlesen

Sie dürfen uns treffen – auch in Leipzig!, Verwaltungsgericht Leipzig, Beschluss v. 28.10.2019, Az. 6 K 1337/15

„Treffen sich ein Anwalt und eine Mandantin“ – was wie der Anfang eines mittelmäßigen Witzes beginnt, beschäftigte nun das Verwaltungsgericht Leipzig knapp zwei Jahre lang (!) im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens.

Es stellte sich nämlich die Frage, welche Kosten notwendig im rechtlichen Sinne waren und ob hierzu auch die durch die Entfernung zusätzlich entstandenen Kosten unserer Düsseldorfer Kanzlei zählen, wenn das Verfahren doch in Leipzig geführt wird. Und war es auch notwendig Reisekosten der Mandantin abzurechnen, als sich diese mit ihrem Bevollmächtigten im laufenden Verfahren in Leipzig traf?

Das Verwaltungsgericht Leipzig kommt nun zu dem Ergebnis:

  • wir konnten „glaubhaft darlegen […], über relevante Fachkenntnisse des Wahlrechts und der Wahlanfechtung zu verfügen.“ Danke.
  • Gleichwohl stehen auch in Leipzig Fachanwälte zur Verfügung. Diese wären (fahrtkosten-)günstiger.
  • Für jede Tatsacheninstanz wird – soweit nicht ein Schriftwechsel ausreichend erscheint – grundsätzlich eine Informationsreise des Mandanten zum Prozessbevollmächtigten als erstattungsfähig angesehen. Ein solches Treffen darf auch in Leipzig stattfinden.
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Fachanwaltsfortbildung zur Landesverfassungsbeschwerde in NRW | Verfassungsrecht | Pressemitteilung 2019-06

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 26.09.2019

::: Pressemitteilung 6/2019 :::

Fachanwaltsfortbildung zur Landesverfassungsbeschwerde in NRW

Samstag, 07.12.2019, ab 9.00 Uhr, 4 Zeitstunden Fachanwalt Verwaltungsrecht, Meliá Düsseldorf

Düsseldorf. Anfang 2019 trat die Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Kraft. Zunächst einfachgesetzlich geregelt, dann in der Landesverfassung abgesichert. Erstmalig besteht nun die Möglichkeit Landesgrundrechte und grundrechtsgleiche Rechte vor dem neuen „Bürgergericht“ geltend zu machen. Die Entscheidungen aus 2019 geben Auskunft über Fallstricke und Hürden, Prozessrisiken und Kosten.

„Fachanwaltsfortbildung zur Landesverfassungsbeschwerde in NRW | Verfassungsrecht | Pressemitteilung 2019-06“ weiterlesen

keine Befangenheit bei bloßer Wiedergabe von Disziplinarvorwürfen, Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf, Beschluss v. 09.04.2019, Az. DG-3/2018

(C) Landgericht Düsseldorf

Der Antrag des Antragstellers vom 31.01.2019, den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht A., den Rechtsanwalt B. und die Richterin am Verwaltungsgericht C. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Gem. §§ 77 Abs. 1 LRiStaG NRW, 3 Abs. 1 LDG NRW, 54 Abs. 1 VwGO gelten für die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen die §§ 41 – 49 ZPO entsprechend. Gem. § 42 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Eine Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist gemäß § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis haben kann, der Richter werde in seiner Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt. Ob der Richter tatsächlich befangen ist, ist dabei unerheblich.

St. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30.01.2018, 1 WB 12/17.

Dass ein Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts oder dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das bloße Vorliegen unterschiedlicher Rechtsauffassungen stellt grundsätzlich keinen tauglichen Ablehnungsgrund dar.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 29.11.2018, Az. 9 B 26/18; BVerwG Beschluss vom 12.06.2018, Az. 9 B 4.18; BVerfG, Beschluss vom 27.04.2007, Az. 2 BvR 1674/06.

Das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Abgelehnte Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.2018, Az. 9 B 26/18; BVerwG Beschluss vom 06.11.2017, Az. 8 PKH 3/17.

Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2007, 1 BvR 1273/07, juris Rn.10 f.; BVerwG, Beschluss vom 15.05.2008, Az: 2 B 77/07, juris Rn. 6.

Die an dem Beschluss beteiligten Richter haben sich gemäß §§77 Abs. 1 LRiStaG NRW, 3 Abs. 1 LDG NRW, 54 Abs. 1 VwGO, 44 Abs. 3 ZPO dienstlich zu dem Ablehnungsgesuch des Antragstellers geäußert.

2. Nach den vorgenannten Maßstäben ist die Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren nicht begründet. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Gericht in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entschieden hat.

Dem steht nicht entgegen, dass der Beschluss vom 15.01.2019 eine Auflistung der im Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe enthält. Ausdrücklich bezieht sich die Auflistung der Vorwürfe auf den Verlauf des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarverfahrens. Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass dort erwähnte Vorwürfe mitnichten als endgültig geklärt und bestätigt angesehen werden.

Ebenfalls nicht haltbar ist der Einwand des Antragstellers, das Gericht habe in dem Beschluss vom 15.01.2019 den aus den Akten ersichtlichen Inhalt in ‚unerträglicher Weise verfälscht‘. Es trifft zu, dass die Disziplinarvorwürfe 7 und 11 in der Zwischenzeit nach § 19 Abs. 2 LDG NRW aus dem Verfahren ausgeschieden wurden. Grund hierfür war indes nicht, wie der Antragsteller behauptet, dass diese Vorwürfe ‚ihrem Gegenteil nach feststehen‘, sondern, dass sie für die Art und Höhe der erwarteten Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fallen. Im Übrigen geht das Dienstgericht in dem Beschluss vom 15.01.2019 auch nicht davon aus, dass diese Vorwürfe bewiesen sind, sondern erwähnt lediglich, dass sie in den Erweiterungsverfügungen vom 08.05.2015 und vom 03.03.2015 enthalten waren.

Schließlich war es entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht notwendig, seine Auseinandersetzung mit den Disziplinarvorwürfen im Einzelnen in dem Beschluss vom 15.01.2019 noch einmal in aller Breite darzustellen. Aus dem Fehlen einer solchen Darstellung lässt sich nicht darauf schließen, das Gericht habe von den umfangreichen schriftlichen Stellungnahmen des Antragstellers keine Kenntnis genommen und unterliege deswegen der Befangenheit. Zu entscheiden war vorliegend über eine – einstweilige -Abordnung des Antragstellers an ein anderes Gericht nach § 79 LRiStaG. Das Gericht begründet die Notwendigkeit dieser Maßnahme damit, dass sie geeignet und gleichzeitig notwendig ist, um eine weitere Auseinandersetzung des Antragstellers mit anderen Personen, namentlich mit der Richterin am Amtsgericht D. und der in F. ansässigen Rechtsanwältin E., die eine Gefahr für den ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb am Amtsgericht F. darstelle, zu unterbinden. Die Stellungnahmen des Antragstellers in dem vorliegenden Verfahren geben indes keinen Anlass zu der Annahme, dass diese Gefahr ausgeräumt sei; im Gegenteil lässt seine dortige extensive Schilderung des nach seiner Ansicht ’speziellen F’er Klimas‘ und seine aufrechterhaltene Kritik an dem Verhalten der Richterin am Amtsgericht D. – vorbehaltlich einer endgültigen rechtlichen Bewertung dieses Verhaltens – darauf schließen, dass Konfliktpotential weiterhin vorhanden ist. Insofern gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass Gericht habe die Schriftsätze des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen.

Nach alldem beruht die vom Antragsteller geäußerte Besorgnis der Befangenheit einzig darauf, dass das Gericht eine andere Rechtsansicht vertritt als der Antragsteller. Dies begründet jedoch in Regel keine Besorgnis der Befangenheit, nach dem Vorgesagten war diese auch nicht ausnahmsweise anzunehmen; insbesondere sind dem Beschluss nach dem Vorgesagten weder irrige Rechtsansichten noch Willkür zu entnehmen. Insofern war das Ablehnungsgesuch des Antragstellers zurückzuweisen.

Es ergeht keine gesonderte Kostenentscheidung, da es sich um Kosten des zugrundeliegenden Rechtsstreits handelt.

Der Beschluss ist unanfechtbar. (§§ 77 Abs. 1 LRiStaG NRW, 3 Abs. 1 LDG NRW, 146 Abs. 2 VwGO)

Neuerscheinung: Handkommentar „Verfassungsbeschwerde.NRW“ | Verfassungsrecht | Pressemitteilung 2019-04

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 14.05.2019

::: Pressemitteilung 4/2019 :::

Neuerscheinung: Handkommentar „Verfassungsbeschwerde.NRW“
erster juristischer Fachkommentar vereint Textsammlung und Bewertungen aus der Praxis

Düsseldorf. Seitdem der Landesgesetzgeber zum 01.01.2019 die
Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster eingeführt hat, existiert ein neues
Rechtsgebiet. Nach welchen Regeln verläuft das Beschwerdeverfahren?
Welche Landesgrundrechte können geltend gemacht werden? Erste Antworten auf diese Fragen gibt nun der juristische Handkommentar des Düsseldorfer Fachanwalts Robert Hotstegs. Auf 228 Seiten gibt er einen Überblick über die Rechtsgrundlagen in Landesverfassung, Gesetzen und Geschäftsordnungen.

Ein Hauptaugenmerk der Kommentierung liegt dabei vor allem auf den
Vorschriften des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (VGHG NW),
sowie auf der seit Jahresbeginn neuen Geschäftsordnung des Gerichts. Der
Handkommentar richtet sich an Praktiker wie Studierende.

„Der Kommentar verzichtet dort auf Kommentierungen, wo sie bereits
vorhanden sind. Umgekehrt füllt er aber die Lücke, die derzeit noch
bestand“, erläutert Hotstegs.

So sind durchaus Überraschungen zu Tage getreten: die Norm der
Geschäftsordnung unter der Überschrift „Archivierung“ (§ 6 GOVGH) regelt
dieses Thema nicht; mit einer eigenen Robenpflicht für Rechtsanwälte (§
8 GOVGH) verstößt der Verfassungsgerichtshof selbst gegen Bundesrecht.
Auch Sorgen aus dem Gesetzgebungsverfahren bestätigt Hotstegs: „Der
Verfassungsgerichtshof ist weder personell noch strukturell auf eine
mögliche Vielzahl von Verfassungsbeschwerden vorbereitet. Gleichzeitig
fehlt jede Möglichkeit, ihn mit einer Verzögerungsbeschwerde im Falle
des Falles zu einer zügigeren Bearbeitung anzuhalten.“

Robert Hotstegs ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Lehrbeauftragter
der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW und ständiger
Beisitzer des Dienstgerichts für Richter.

Verfassungsbeschwerde.NRW Rechtsgrundlagen | Handkommentar
228 Seiten, 39,90 € ISBN 978-3-7481-5650-5

Kostenlose Rezensionsexemplare können direkt per Email unter
presse@bod.de angefordert werden.

::: Kontakt :::

Rechtsanwalt Robert Hotstegs
Tel.: 0211/497657-16
hotstegs@hotstegs-recht.de
Profil: www.hotstegs-recht.de/?people=robert-hotstegs

::: die Kanzlei :::

Seit 1985 berät die Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in den
Spezialgebieten des Verwaltungsrechts. Hierzu zählen insbesondere das
Beamten- und Disziplinarrecht, das Personalvertretungsrecht, sowie das
Recht der Bürgerbeteiligung und das Kommunalverfassungsrecht. Die
Kanzlei vertritt Mandanten vor dem Bundesverwaltungsgericht und allen
Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten.