Video: „Auf den Punkt“ Folge 5: Klagerecht der Fraktionen

Kommunalpolitiker sehen sich in ihrer täglichen politischen Arbeit immer wieder mit rechtlichen Fragen konfrontiert. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Robert Hotstegs nimmt die VLK NRW interessante rechtliche Fragenstellungen rund um die Kommunalpolitik, aktuelle Urteile und ihre Auswirkungen unter die Lupe und bringt die Sachverhalte für Sie „Auf den Punkt“!

Klagerecht der Fraktionen

Manchmal ist es passiert: das Kind ist in den Brunnen gefallen, man hat das Gefühl ich bin in meinen Rechten verletzt worden. Ich kann mein Mandat als Mitglied im Rat oder im Kreistag nicht so ausüben, wie ich das eigentlich möchte. Meine Informationsrechte werden vielleicht verletzt. Oder als Fraktion: ein Antrag, der von der Fraktion eingebracht worden ist, wird nicht auf die Tagesordnung gesetzt; wird auf die Tagesordnung gesetzt, aber nicht ordnungsgemäß abgestimmt; der weitest gehende Antrag wird nicht vorgezogen, als erstes abgestimmt.

Die Konstellationen sind beliebig denkbar. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man eben feststellt, dass jemand eine Rechtsverletzung für sich in Anspruch nimmt und das aber im Gespräch mit den übrigen Mitgliedern des Gremiums, oder mit der Verwaltung nicht durchsetzen kann. Die Frage ist: Wie kann man also im Fall des Falles ein solchen Streit klären lassen?

Rügepflicht im Rat/Kreistag

Grundsätzlich sind zwei bis drei unterschiedliche Wege denkbar. Zunächst der Weg im Gremium selbst. Der ist obligatorisch, der ist zwingend vorgesehen für alle Streitigkeiten in dem Moment, wo ein Ratsmitglied oder eine Fraktion eine Rechtsverletzung geltend machen muss. Die Gerichte sagen, es besteht eine Treuepflicht. Man muss im jeweiligen Gremium sich melden, sich zu Wort melden, zu Protokoll erklären: ich bin in meinen Rechten verletzt, ich bin anderer Rechtsauffassung. Das kann man vor einer Abstimmung machen, das kann man vor einem Beschluss über die Tagesordnung machen, das kann man notfalls auch im Nachhinein machen, wenn eben der Tagesordnungspunkt abgearbeitet worden ist, dann noch eine Wortmeldung abgeben.

Es soll sich aber in dem Protokoll der jeweiligen Sitzung niederschlagen. Nicht nur weil es auf dem Papier stehen soll, sondern, weil das jeweilige Gremium die Möglichkeit haben soll im allerletzten Moment einen Fehler, den es vielleicht gemacht hat, zu korrigieren.

Jetzt ist das leider nicht der Regelfall. Abstimmungen werden nicht wiederholt, Informationen nicht nachgereicht. Also es kann sein, dass dokumentiert ist, dass eine Rechtsverletzung gerügt wird, aber das Gremium nicht anders handelt, oder der Bürgermeister nicht anders handelt. Dann unterscheiden wir grundsätzlich den außergerichtlichen oder den gerichtlichen Weg.

Der Weg zur Kommunalaufsicht

Außergerichtlich ist immer der Weg offen zur Kommunalaufsicht. Handelt es sich um einen Rechtsverstoß des Rates? Gibt es sogar innerhalb der Gemeinde die Möglichkeit den Bürgermeister aufzufordern ein Ratsbeschluss zu beanstanden? In seltenen Fällen tut er das, in den allermeisten tut er das in der Regel nicht, weil er als Vorsitzender des Rates auch an dem Ablauf im Rat beteiligt war. Also zunächst aber den Bürgermeister aufzufordern den Ratsbeschluss zu beanstanden ist der eine Weg, die Kommunalaufsicht im Übrigen ist der andere Weg. Also den Landrat, die Bezirksregierung oder das Ministerium einzuschalten. Der Weg muss nicht zwingend in dieser Reihenfolge abgearbeitet werden, man kann notfalls eben auch mehrere Ebenen der Kommunalaufsicht parallel, gleichzeitig oder unabhängig voneinander einschalten.

Die Kommunalaufsicht entscheidet selber, ob sie tätig wird oder nicht. Das hat vor allem damit zu tun, dass Kommunalaufsicht Aufgabe des Landes ist. Das heißt jede Institution die Kommunalaufsicht ausübt muss sich fragen, hat dieser Rechtsverstoß eine Bedeutung für das Land Nordrhein-Westfalen? Und ehrlicherweise muss man sagen, ganz viele Rechtsverstöße haben für das Land als solches keine Bedeutung. In diesen Fällen greift in der Regel dann die Kommunalaufsicht nicht ein.

Der Organstreit vor Gericht

Wenn sich der Weg nicht anbietet oder er eben erfolglos war, bleibt immer der Weg vor die Verwaltungsgerichte. In der Regel handelt es sich um eine Organstreitigkeit. Organstreitigkeit deswegen, weil man eben als Teil eines Organs – zum Beispiel des Rates oder des Ausschusses – eben um seine Rechte streitet, die man als Mitglied oder als Fraktion in dem Organ inne hat.

Grundsätzlich stehen dafür Eilverfahren, sowie auch Klageverfahren zur Verfügung. Die Klageverfahren sind in der Praxis ein langsames Vehikel. Momentan haben wir Verfahrenslaufzeiten in der 1. Instanz von einem Jahr bis anderthalb Jahren. In der zweiten, notfalls in der dritten Instanz würde sich das entsprechend fortsetzen. Wenn man das einmal durchrechnet, stellt sich schlicht und einfach die Frage: existiert diese Fraktion eigentlich am Ende des Rechtsstreits noch, in dieser Form, in diesem Gremium, oder hat die nächste Kommunalwahl nicht alles schon wieder überholt? Deswegen sind in vielen Fällen auch Eilverfahren sinnvoll.

Eilverfahren sind rein schriftliche Verfahren, die vor zwei Instanzen geführt werden. In der 1. Instanz vor dem Verwaltungsgericht, in der 2. Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Die Kosten für ein solches Verfahren sind, soweit es die gesetzlichen Gebühren betrifft, überschaubar. Grundsätzlich trägt derjenige die Kosten, der das Verfahren am Ende verliert. Wenn man allerdings als Teil eines Organs Rechte geltend macht, dann besteht eben ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Gemeinde oder gegen den jeweiligen Kreis.

Das Güterichterverfahren

Ein Stichwort sollte man auf jeden Fall im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Verfahren gehört haben: das sogenannte Güterichterverfahren. Das Güterichterverfahren ist ein besonderes Verfahren, das es bei allen Gerichten gibt, aber eben auch bei den Verwaltungsgerichten. Das hat aus meiner Sicht einen unschlagbaren Vorteil: es ist schneller und es kostet vor allem nicht mehr Geld, als drittes wäre vielleicht auch noch zu nennen, man kommt wieder ins Gespräch.

Der Güterichter ist jemand, der kein Urteil am Ende fällt, sondern der wirklich den Weg bereiten soll, dass die beiden Konfliktparteien oder womöglich auch, wenn alle Fraktionen betroffen sind, alle Fraktionen wieder an einen Tisch holt und eine konstruktive Lösung findet. Das ist unter Kostengesichtspunkten vor allem, aber auch unter den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, allen anderen Verfahren meines Erachtens vorzuziehen, weil man eben eine Rechtssicherheit hat und vor Ort wieder weiter arbeiten kann, ohne jahrelang auf die nächste Gerichtsentscheidung warten zu müssen.