Kurzgutachten zum Bürgerbegehren „Für eine zukunftsfähige Schullandschaft“ vorgelegt – Bürgerbegehren kommt zu spät, Information für die Presse

Da der Rat der Stadt Iserlohn über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden hat, haben die Fraktionen von SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP und Die Linke den Düsseldorfer Fachanwalt für Verwaltungsrecht Robert Hotstegs mit einem Kurzgutachten beauftragt. Sein Ergebnis legte Hotstegs am Dienstag Nachmittag vor: danach ist das Bürgerbegehren unzulässig, weil es die 3-Monats-Frist der Gemeindeordnung nicht eingehalten hat. „Die Frist hat nämlich nicht am 3. Juli begonnen, wie Bürgerinitiative und Verwaltung dargelegt haben, sondern bereits im Oktober 2011. Damals hat der Rat bereits grundsätzlich die Errichtung der neuen Gesamtschule beschlossen.“, so Hotstegs.

1. Sachverhalt

Der Rat der Stadt Iserlohn hat am 03.07.2012 beschlossen, eine zweite Iserlohner Gesamtschule zu errichten. Die Schule soll vierzügig ausgestaltet sein und im Stadtteil Hennen angesiedelt werden. Das Bürgerbegehren will, dass „der Beschluss des Rates vom 3.7.2012, eine zweite Iserlohner Gesamtschule in Hennen zu errichten, aufgehoben wird“. Die Verwaltung schlägt vor, der Rat möge feststellen, dass das Bürgerbegehren „zulässig“ ist.

2. rechtliche Bewertung

Der Rat hat seinen Beschluss über die Zulässigkeit nach § 26 GO NRW zu treffen. Zu dieser Norm ist eine umfangreiche Einzelfall-Rechtsprechung ergangen.
In weiten Teilen ist der Bewertung der Beratungsvorlage zu folgen. Insbesondere ist das Bürgerbegehren schriftlich eingebracht worden. Es stellt eine Fragestellung im
Zuständigkeitsbereich der Gemeinde und der Organkompetenz des Rates zur Abstimmung. Die Frage ist begründet und mit einer Kostenschätzung (der Verwaltung) versehen worden. Die von der Bürgerinitiative begehrte Antwort ist „ja“. Ein Ausschlusstatbestand des § 26 Abs. 5 GO NRW ist nicht berührt. Es sind drei Vertretungsberechtigte benannt. Die Unterschriftstabelle entspricht der notwendigen Form. Zweifel an dem Überschreiten des Quorums sind nicht geäußert worden.

3. Frage des zutreffenden Sachverhalts und richtiger Fristbeginn

Die Beratungsvorlage des Bürgermeisters geht allerdings zu unrecht davon aus, dass der Sachverhalt des Bürgerbegehrens und auch die Entstehungsgeschichte des angegriffenen Ratsbeschlusses vom 03.07.2012 zutreffend dargestellt ist.
Gemessen an der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung genügt die Begründung des Bürgerbegehrens den Anforderungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NRW nicht, da sie in wesentlichen Punkten unvollständig ist. Zum einen unterschlägt sie den Umstand, dass eine sogenannte „Trendabfrage“ unter den potentiellen Eltern der Schüler einer (zweiten) Gesamtschule durchgeführt wurde. Stattdessen wird missverständlich formuliert, dass die neue Gesamtschule „gegen den Willen von Schülern [und] Eltern“ errichtet werde. Zum anderen lässt sie den Ratsbeschluss unerwähnt, mit dem das sogenannte ASSMANN-Gutachten eingeholt wurde.

Noch gravierender ist aber, dass das Bürgerbegehren auch den Ratsbeschluss vom 18.10.2011 unerwähnt lässt. Seinerzeit hatte der Rat, auf Empfehlung des Schulausschusses, beschlossen: „Die Stadt Iserlohn erklärt – vorbehaltlich der förmlichen Feststellung des Bedarfs – die Absicht, schnellstmöglich eine zweite, vierzügige Gesamtschule mit Gymnasialer Oberstufe am Standort Hennen zu errichten.“

vgl. Drucksache 8/1329 vom 04.10.2011, sowie Niederschrift über die Sitzung des Rates der Stadt am 18.10.2011 (vom 27.10.2011).

Hierin hat der Rat der Stadt Iserlohn einen Grundsatzbeschluss gefasst. Hierunter versteht die Rechtsprechung den groben Entwurf eines Regelungskonzeptes, das durch nachfolgende Ratsbeschlüsse oder Aufträge an die Verwaltung näher ausgestaltet wird. Der Grundsatzbeschluss löste bereits die Frist zur Einreichung eines Bürgerbegehrens binnen drei Monaten aus, ein späterer (Details-)Beschluss, hier also der Beschluss vom 03.07.2012, verlängert die Frist nicht und kann auch nicht separat mit einem Bürgerbegehren angefochten werden.

Dass das Bürgerbegehren den Beschluss vom 18.10.2011 nicht ausdrücklich aufheben will, sondern dies lediglich impliziert, ändert an der rechtlichen Bewertung nichts.

4. Zwischenergebnis

Das vorgelegte Bürgerbegehren dürfte unzulässig sein, da es verfristet ist. Hierüber entscheidet der Rat nach Maßgabe des § 26 GO NRW, ein politisches Ermessen besteht insoweit nicht (ständige Rechtsprechung).

Düsseldorf, den 30.10.2012

Robert Hotstegs
Rechtsanwalt

 

Rechtsanwalt Robert Hotstegs ist Partner der Dr. Obst & Hotstegs Rechtsanwaltspartnerschaft. Er ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Lehrbeauftragter für Verfassungsrecht an der FOM Hochschule. Die Düsseldorfer Kanzlei ist seit rund 25 Jahren spezialisiert auf das Verwaltungsrecht, insbesondere auch die Betreuung und Beratung von direktdemokratischen Initiativen wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, Volksinitiativen und Volksbegehren.