Beschäftigung eines Oberstaatsanwalts über gesetzliche Altersgrenze hinaus, Verwaltungsgericht Frankfurt, Urteil v. 20.08.2012, Az. 9 K 4663/11.F

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat das Land Hessen verpflichtet, einen Oberstaatsanwalt über die gesetzliche Altersgrenze hinaus zu beschäftigen. Die Entscheidung ist von großer Bedeutung, insbesondere weil andere Gerichte ähnliche Fälle negativ entschieden haben (so das Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 08.03.2012, Az. 13 K 6883/09 für das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand im Falle eines Richters). Hier kommen daher die Besonderheiten des jeweiligen Landes- oder Bundesbeamtenrechts zum Tragen.

Der Kläger war ein Oberstaatsanwalt, der aufgrund der Vollendung seines 65. Lebensjahres kraft Gesetzes in den Ruhestand getreten ist. Er hatte beim Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa beantragt, den Eintritt in den Ruhestand aufzuschieben. Nachdem das Ministerium diesen Antrag abgelehnt hatte, hat er hier gegen Klage erhoben und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Nachdem das VG Frankfurt am Main das Land Hessen im Eilverfahren verpflichtet hatte, den Kläger über die Altersgrenze hinaus weiter zu beschäftigen, weil die beamtenrechtlichen Altersgrenzenregelungen in Hessen mit dem Verbot der Altersdiskriminierungim europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar seien, hob der Verwaltungsgerichtshof Kassel in einer unanfechtbaren Entscheidung diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag des Klägers im Eilverfahren ab. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat im vorliegenden Klageverfahren dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die beamtenrechtlichen Altersgrenzenregelungen in Hessen mit dem Verbot der Altersdiskriminierung mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar seien. Der EuGH kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass eine Diskriminierung wegen des Alters bei Vorliegen von Rechtsfertigungsgründen als rechtens anzusehen sei und gelangte weiterhin zu dem Ergebnis, dass die Überprüfung des Vorliegens von Rechtfertigungsgründen bzw. die Feststellung der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse den nationalen Gerichten zur Entscheidungzugewiesen sei. Das Verwaltungsgericht hat sodann weitere Ermittlungen bei dem beklagten Land veranlasst.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat jetzt der Klage stattgegeben und das beklagte Land verpflichtet, den Kläger über die gesetzliche Altersgrenze hinaus weiter zu beschäftigen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung nach der Rechtsprechung des EuGH voraussetze, dass der Mitgliedstaat, hier also das Land Hessen, mit seiner Regelung ein erkennbares legitimes Ziel verfolge. Da die Altersbegrenzungsregelung selbst keine Zielbestimmung enthalte, könne sie nur dem Zusammenhang der Regelungen der vom Gesetzgeber selbst angegebenen Zielvorstellungen entnommen werden. Den Materialien des Hessischen Landtages lasse sich insoweit nur entnehmen, dass die Altersgrenze für den Ruhestand mit fehlender Weiterarbeitungsmöglichkeit eine ungünstige Altersschichtung vermeiden solle. Was im Einzeln eine ungünstige Altersschichtung ausmachen solle, lasse sich den Materialien aber nicht entnehmen.

Soweit man unterstelle, dieses Ziel schließe die Förderung von Neueinstellungen ein, könne das Verwaltungsgericht nach einer Erhebung von Personaldaten beim beklagten Land nicht feststellen, dass die Altersgrenze tatsächlich und systematisch für diesen Zweck eingesetzt werde. Die Zahl der ruhestandsbedingten Personalabgänge übersteige die Zahl der Neueinstellungen bei weitem, sodass die Altersgrenze in sehr erheblichen Umfang faktisch für Personaleinsparungen und damit für fiskalische Zwecke verwendet werde. Nach der Rechtsprechung des EuGH könnten fiskalische Ziele alleine jedoch keine Altersdiskriminierung rechtfertigen.

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Kassel beantragt werden.