Ernennung eines Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09

amtliche Leitsätze:

Die Ernennung des in einem Stellenbesetzungsverfahrens erfolgreichen Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der in die Rechte der unterlegenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift.

 

Der Grundsatz der Ämterstabilität steht der Aufhebung der Ernennung auf Klage eines unterlegenen Bewerbers nicht entgegen, wenn dieser daran gehindert worden ist, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszuschöpfen.

 

Der Dienstherr muss nach Obsiegen im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht mit der Ernennung angemessene Zeit zuwarten, um dem unterlegenen Bewerber die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu ermöglichen.

 

Einer dienstlichen Beurteilung fehlt die Aussagekraft für den Leistungsvergleich der Bewerber, wenn der für die Erstellung Zuständige keine Beiträge Dritter eingeholt hat, obwohl er die dienstliche Tätigkeit des beurteilten Bewerbers nicht aus eigener Anschauung kennt. „Ernennung eines Bewerbers ist ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung, Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil vom 04.11.2010, Az. 2 C 16.09“ weiterlesen

Beigeordneter darf Dienstgeschäfte ausüben, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 27.10.2010, Az. 1 B 1425/10

1 B 1425/10
Beschluss
in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

des … Antragstellers,

Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte Dr. Obst & Hotstegs, Mozartstraße 21, 40479 Düsseldorf,

gegen

die Stadt Ratingen, vertreten durch den Bürgermeister der Stadt Ratingen, Minoritenstraße 2 – 6, 40878 Ratingen,
Antragsgegnerin,

Prozessbevollmächtigte:    Rechtsanwälte Wolter – Hoppenberg, Südring-Center, Südring 4,59065 Hamm,

wegen eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte;
hier: Zurücknahme des Antrags auf Erlass einer Zwischenregelung über die Aussetzung der Vollziehung während des Beschwerdeverfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes

hat der 1. Senat des
OBERVERWALTUNGSGERICHTS FÜR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN
am 27. Oktober 2010
durch
die Richterin am Verwaltungsgericht    F e l s c h,

nach Zurücknahme des Antrags durch die Antragsgegnerin in Anwendung des § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwGO (Zuständigkeit der Berichterstatterin für die Entscheidung)

beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt. „Beigeordneter darf Dienstgeschäfte ausüben, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 27.10.2010, Az. 1 B 1425/10“ weiterlesen

Neue Entwicklung im Disziplinarrecht – zum Verhältnis von Strafverfahren und Disziplinarverfahren – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts v. 19.08.2010, Az. 2 C 5.10 und Az. 2 C 13.10

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in zwei Entscheidungen vom 19.08.2010 maßgebliche Aussagen zum Verhältnis der Disziplinarstrafe zum Strafverfahren getroffen. Die beiden Verfahren betrafen zwar den Sonderfall des Vorwurfs von Kinderpornografie, sind aber auch anderweitig für alle Disziplinarfälle relevant, in denen dem Disziplinarverfahren ein Strafverfahren vorausgegangen ist. Das BVerwG hat in den beiden Urteilen zum Ausdruck gebracht, dass auch die Höhe der Strafandrohung für die Tat, welche der Beamtin / dem Beamten vorgeworfen wird, maßgebliche Bedeutung für die später auszusprechende Disziplinarsanktion hat. „Neue Entwicklung im Disziplinarrecht – zum Verhältnis von Strafverfahren und Disziplinarverfahren – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts v. 19.08.2010, Az. 2 C 5.10 und Az. 2 C 13.10“ weiterlesen

Beamtenentlassungen flächendeckend rechtswidrig – Gleichstellungsbeauftragte müssen beteiligt werden (Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 03.09.2009, Az. 6 A 3083/06)

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat nun anhand des Falls einer Lehrerin ausgeführt, dass Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis rechtswidrig sind, wenn die Gleichstellungsbeauftragte der jeweiligen Behörde nicht beteiligt wurde. Nach unserer Einschätzung sind hierdurch flächendeckend Entlassungen von Beamten rechtswidrig. Betroffene Beamte haben nun die Möglichkeit gegen Ihre Entlassung zu klagen.

Obwohl die Gleichstellungsbeauftragte nach den Vorschriften des Landesgleichstellungsgesetzes nur „zu beteiligen“ ist und sie im Ergebnis eine Entlassung nicht verhindern können soll, sanktioniert das Oberverwaltungsgericht dadurch alle Behörden, die Gleichstellungsbeauftragte nicht in das Verfahren einbinden. „Beamtenentlassungen flächendeckend rechtswidrig – Gleichstellungsbeauftragte müssen beteiligt werden (Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 03.09.2009, Az. 6 A 3083/06)“ weiterlesen

„Was lange währt, wird endlich gut!“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 18.08.2010, Az. 31 K 2315/10.O

VG Düsseldorf zur vorläufigen Einbehaltung von Dienstbezügen in überlangen Disziplinarverfahren

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 18.08.2010 (Az. 31 K 2315/10.O) entschieden, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen gem. § 92 DO NRW (ab 2005: § 38 LDG NRW) aufzuheben ist, wenn sie allein aufgrund der überlangen Dauer des Disziplinarverfahrens gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.

„Die Anordnung der teilweisen Einbehaltung von Bezügen gemäß § 92 DO hat nicht den Charakter einer Disziplinarmaßnahme, sondern ist eine vorläufige Maßnahme zur vorübergehenden Ordnung eines Zustands, der erst endgültig auf Grund eines einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird. Dabei wird von Amts wegen und ohne bestandskräftige Feststellung eines pflichtwidrigen Verhaltens in eine Rechtsposition eingegriffen.“ „„Was lange währt, wird endlich gut!“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 18.08.2010, Az. 31 K 2315/10.O“ weiterlesen

OVG Münster: Wegen rechtswidriger Altershöchstgrenze von 35 Jahren nicht verbeamtete Lehrer haben Recht auf Neubescheidung, beck-online, 05.08.2010

Im Jahr 2009 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Laufbahnverordnung von Nordrhein-Westfalen, nach der die Altersgrenze zur Verbeamtung von Lehrern bei 35 Jahren liegt, für verfassungswidrig erklärt (NVwZ 2009, 840). Daraufhin hatte die alte Landesregierung eine neue Laufbahnverordnung in Kraft gesetzt, die nunmehr 40 Jahre als Höchstaltersgrenze vorsieht. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat jetzt in zwei Urteilen vom 27.07.2010 dazu Stellung genommen, welche Rechte sich nach der BVerwG-Entscheidung für Lehrer ergeben, denen eine Verbeamtung verweigert wurde, weil sie die Höchstaltersgrenze von ehemals 35 Jahren überschritten hatten. Die jetzt ergangenen OVG-Entscheidungen seien deutlicher Rückenwind für alle betroffenen Lehrer, fasst Rechtsanwalt Robert Hotstegs von der Kanzlei Obst & Hotstegs die Gerichtsentscheidungen in einer Stellungnahme vom 04.08.2010 zusammen. „OVG Münster: Wegen rechtswidriger Altershöchstgrenze von 35 Jahren nicht verbeamtete Lehrer haben Recht auf Neubescheidung, beck-online, 05.08.2010“ weiterlesen

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 09.06.2010, Az. 5 AZR 122/09

„Wer Recht mit Gerechtigkeit gleichsetzt, hat Unrecht“
(c) Helga Schaeferling, geb. *1957

 

Seit kurzem liegt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 09.06.2010 in dem Verfahren 5 AZR 122/09 schriftlich vor. Dort ging es um die Klage eines Chefarztes gegen seinen Arbeitgeber (seine Klinik), mit dem er ein höheres Gehalt erstreiten wollte. In seinem ursprünglich abgeschlossenen Arbeitsvertrag wurde eine jährliche Gehaltserhöhung nach dem Bundesangestelltentarif (BAT) vorgesehen. Obwohl der Chefarzt selber nicht dem Tarifvertrag unterlag, fand sich in seinem Arbeitsvertrag eine Individualverweisung auf die Erhöhungsvorschriften des BAT. Am 13. September 2005 wurde von der Gewerkschaft Ver.di der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) geschlossen, der an die Stelle des BAT trat. Kurze Zeit zuvor, nämlich am 11.09.2005, wurde vom Marburger Bund -der wichtigsten Interessenvertretung der Ärzte- die Tarifgemeinschaft mit Ver.di aufgekündigt und es wurde ein eigenständiger Tarifvertrag für Ärzte gefordert. Am 17.08.2006 haben der Marburger Bund als Vertreter der Ärzte und der Verband der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) einen eigenständigen Tarifvertrag (TV-Ärzte/VKA) abgeschlossen. In Berlin kam es zu einem gesonderten Tarifvertrag, nämlich dem TV/Ärzte/Vivantes. Diese Tarifverträge sahen ebenfalls Erhöhungen vor, allerdings andere als der TVöD. In der Folgezeit verweigerte eine Vielzahl der kommunalen Krankenhäusern den Chefärzten eine Gehaltssteigerung entsprechend den Regelungen des TV-Ärzte/VKA und war lediglich bereit, eine Erhöhung nach dem TVöD zu gewähren.

In der Folgezeit wurde hierum vor zahlreichen Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten gestritten, da viele Chefärzte eine entsprechende Klausel in ihren Verträgen hatten. Vor den Landesarbeitsgerichten ging die Tendenz eindeutig dahin, den Chefärzten Recht zu geben und eine (größere) Erhöhung nach dem TV-Ärzte/VKA zu gewähren. Lediglich das Landesarbeitsgericht Hessen nahm eine andere Position ein und wies die Klage der Chefärzte ab. In einem Aufsehen erregendem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht den Streit nun als oberste Instanz der Fachgerichte entschieden, und zwar gegen die Chefärzte. Dabei mag es auch ein wenig eine Rolle gespielt haben, dass die Chefärzte kommunaler Krankenhäuser allgemein als hochbezahlt gelten und oftmals noch Nebenverdienstmöglichkeiten durch Privatliquidation und Gutachten haben.

Das BAG hat entschieden, dass allgemein der Verweis in Arbeitsverträgen, die früher nach BAT anzupassen waren, jetzt nicht nach dem TV-Ärzte/VKA und ähnlichen Tarifverträgen des Marburger Bundes angepasst werden, sondern alleine nach den Regeln des TVöD.

Das BAG beginnt seine Auslegung nicht mit den üblichen Auslegungsregeln für Vertragswerke, sondern mit den Auslegungsregeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen, für die etwas andere Regeln gelten. Das Gericht betont dann weiter, dass der TVöD zuerst dagewesen sei und der nachfolgende TV-Ärzte/VKA dann nicht zu einer „Zweitersetzung“ geführt habe. Außerdem sei der TV-Ärzte/VKA nicht der „speziellere“ Tarifvertrag. Zum einen gelte der TV-Ärzte/VKA gar nicht direkt für Chefärzte, zum anderen habe der TV-Ärzte/VKA gegenüber dem BAT ein völlig neues Vergütungssystem geschaffen. Dem Vergütungssystem des BAT entspreche eher dem TVöD.

Zum Schluß führt das Gericht aus, es gäbe auch keinen allgemeinen Grundsatz, dass der Chefarzt als Vorgesetzter mehr Geld verdienen müsse, als die leitenden Oberärzte, seine Untergebenen.

Klagen auf eine Vertragsanpassung, die auf eine Vergütung nach den TV-Ärzte/VKA zielen, haben nach dieser Entscheidung keine nennenswerten Erfolgsaussichten mehr, da wenig Chancen bestehen, dieses negative Ergebnis über das Verfassungsgericht oder europäische Gerichte (etwa den EGMR) zu korrigieren.

Die Frage ist nun, welche Konsequenz daraus zu ziehen ist. Wo das Recht versagt, bleibt den Chefärzten nichts anderes übrig, als entweder mit individuellen Vertragsverhandlungen oder aber mit quasi „gewerkschaftlichen“ Mitteln für ihre finanziellen Rechte zu kämpfen. Es ist schon ein sehr eigenartiges Ergebnis, dass ein Tarifvertrag (TVöD) zur Auslegung der Arbeitsverträge von Chefärzten herangezogen wird, der bei Arbeitsverhältnissen von Ärzten keine oder keine nennenswerte Rolle gespielt hat und eigentlich für anderes Krankenhauspersonal geschaffen war.

Link zum Volltext:

Die Tragödie nach der Tragödie?, Anmerkungen zu den Folgen der tragischen Ereignisse der Loveparade 2010

Anmerkungen zu den Ereignissen von Duisburg und ihrer strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Aufarbeitung

„‚Unser Mitgefühl ist bei den Opfern, sowohl bei den Toten und ihren Familien, als auch bei den Verletzten und Schwerverletzten.‘ Dieser Satz ist richtig und wir schließen uns ihm an. Zugleich kennen wir aus der Vergangenheit die Gefahr, dass eine solche Tragödie noch eine weitere Tragödie nach sich ziehen kann, nämlich eine schwerwiegende Beschuldigung gegen alle Personen, die in irgendeiner Weise mit der Organisation und Genehmigung der Loveparade beschäftigt waren. Aus der Erfahrung mit früheren, ähnlichen Ereignissen und den daraus folgenden Prozessen wissen wir, dass jetzt für eine Vielzahl von Mitarbeitern der Stadtverwaltung Duisburg, ihrer Aufsichtsinstanzen und sogar für Angehörige der Polizei die Gefahr besteht, in langwierige Prozesse hineingezogen zu werden, die nicht nur den persönlichen Ruf sondern auch die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen ruinieren können. „Die Tragödie nach der Tragödie?, Anmerkungen zu den Folgen der tragischen Ereignisse der Loveparade 2010“ weiterlesen

Zahlen und Fakten von Gerichtsverfahren

In der Verwaltungsgerichtsbarkeit dauern erstinstanzliche Sachen im Bundesdurchschnitt 12,3 Monate. In den Ländern wird zum Teil die erste Instanz schon in knapp mehr als fünf Monaten beendet. Verschiedentlich dauern diese erstinstanzlichen Sachen auch 32 Monate. Bei den Oberverwaltungsgerichten beträgt die Durchschnittsdauer in ganz Deutschland ca. 14 Monate.

 

(C) Düsseldorfer Anwaltverein, Mitteilungen 6/2010

Sind alle Listenbeförderungen rechtswidrig? (Hessischer VGH, Urteil v. 09.03.2010, Az. 1 A 286/09)

Gesamtes Beförderungssystem der Finanzverwaltung könnte kippen – Aufsehenerregendes Urteil des 1. Senates des Hessischer Verwaltungsgerichtshofs vom 09. März 2010, Aktenzeichen 1 A 286/09 – noch nicht rechtskräftig, Revision zugelassen –

Leitsätze:

 

1. Die Einreihung in eine Beförderungsrangliste allein aufgrund der Gesamtnote der dienstlichen Beurteilungen ist mit dem Prinzip der Bestenauslese nicht vereinbar.

2. Ebenso wenig dürfen Frauen und Schwerbehinderte bei gleicher Gesamtnote einschränkungslos besser  eingestuft werden als nicht behinderte Männer. „Sind alle Listenbeförderungen rechtswidrig? (Hessischer VGH, Urteil v. 09.03.2010, Az. 1 A 286/09)“ weiterlesen