In einem Verfahren über einen Antrag auf Zulassung der Berufung hatte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Beschluss vom 19.04.2018 genau diese beantragte Zulassung abgelehnt. Statistisch ist dies (leider) nicht auffällig. Allerdings hatten wir genau am Tag des Beschlusses einen Schriftsatz an das Gericht gerichtet und für das gleiche Datum war eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angekündigt.
Dies war Anlass genug, Akteneinsicht in die Gerichtsakte zu beantragen und so möglichst nachzuvollziehen, wer wann in Kenntnis welcher Informationen an der Entscheidung mitgewirkt hat.
Das Ergebnis ist ernüchternd:
Die Gerichtsakte zeigte anhand ihrer Chronologie, dass der Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingegangen war. Das Bundesverwaltungsgericht hatte bestätigt, dass per Email an zwei Gerichtsadressen die Pressemitteilung des gleichen Tages verschickt worden war. Die Geschäftsstelle hatte sodann den Schriftsatz der Berichterstatterin mit einem Verfügungsentwurf vorgelegt, der vorsah den Schriftsatz der Gegenseite zuzusenden und anschließend eine neue Wiedervorlage zu verfügen. Die Berichterstatterin änderte den Verfügungsentwurf ab und verfügte die Zustellung des Beschlusses über die Ablehnung der Berufung. Anhaltspunkte dafür, dass der Senat im Ganzen aber den Schriftsatz überhaupt zur Kenntnis genommen hat, gibt es nicht. Umgekehrt ist auch nicht ersichtlich zu welchem Zeitpunkt welche Richter die Entscheidung gezeichnet haben.
Das verblüfft umso mehr, als es auch anwaltliche Pflicht ist zu überprüfen, ob überhaupt eine verfahrensbeendende Entscheidung vorliegt. Dies haben wir im Rahmen einer Anhörungsrüge geltend gemacht und erneut um Berücksichtigung des letzten Schriftsatzes ersucht.
- Mit dem nachfolgenden Beschluss weist der Senat die Anhörungsrüge zurück. Ob der Originalbeschluss zum Zeitpunkt der Zustellung bereits von allen Berufsrichtern unterzeichnet war, wissen wir immer noch nicht. Denn die Originalentscheidung bleibt uns vorenthalten, sie ist geheim in der sogenannten Senatsakte abgeheftet. Zwischen den Zeilen lesen wir: „Glauben Sie uns, wir haben bestimmt unterschrieben.“ Das mag sein, gleichwohl kennt die Rechtsprechung Scheinbeschlüsse und Scheinurteile in allen Gerichtsbarkeiten. Diese können schon nach der Definition nur dadurch entstehen, dass nicht alle Richter ordnungsgemäß unterzeichnet haben und dennoch (!) an die Parteien zugestellt wird. Die beglaubigte Abschrift und ihre Zustellung sind daher aus anwaltlicher Sicht zwar Indizien für eine korrekte Beschlussfassung, ein Beweis sind sie nicht.
- Darüber hinaus bestätigt der Senat nun, dass er den letzten Schriftsatz nicht zur Kenntnis genommen hat. Dieser habe nur der Berichterstatterin vorgelegen. Der Pflicht, die Richtigkeit des Beschlusses noch einmal vor der Zustellung zu überprüfen und den Schriftsatz zu berücksichtigen, ist der Senat daher nicht nachgekommen. Da tröstet es wenig, dass er nun nachträglich feststellt, der Schriftsatz habe ihn auch inhaltlich nicht umstimmen können. „nur gelesen und geheim abgeheftet!, Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss v. 12.07.2018, Az. 6 A 1503/18“ weiterlesen