Bundespolizeiinspektionen sind keine Behörden, BGH, Beschluss v. 30.03.2010, Az. V ZB 79/10

In einem Verfahren über die Rechtmäßigkeit einer Abschiebehaft hatte der Bundesgerichtshof vor kurzem auch darüber zu entscheiden, welche Institutionen bei der Bundespolizei „Behörde“ im rechtlichen Sinne sind. Diese Frage ist entscheidend, da sich viele Zuständigkeiten nach dem Sitz der tätig werdenden Behörde richten und auch oftmals für Klageverfahren mitentscheidend ist, wo der Behördensitz zu verorten ist.

Der Bundesgerichtshof hat bei seiner Entscheidungsfindung auf seine eigene Rechtsprechung, ebenso wie auf die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts zurückgegriffen und kommt zu dem Ergebnis:

Die Bundespolizeiinspektionen sind keine Behörden. Der Begriff der Behörde ist in allen gesetzlichen Vorschriften in einem einheitlichen Sinn aufzufassen, und zwar im Sinn des Staats- und Verwaltungsrechts (st. Rechtspr., vgl. BGH, Beschl. v. 12. Juli 1951, IV ZB 5/51, NJW 1951, 799; Beschl. v. 16. Okto-ber 1963, IV ZB 171/63, NJW 1964, 299). Danach ist eine Behörde eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein (BGH, Beschl. v. 16. Oktober 1963, aaO; BVerfGE 10, 20, 48; BVerwG NJW 1991, 2980). Es muss sich um eine Stelle handeln, deren Bestand unabhängig ist von der Existenz, dem Wegfall, dem Wechsel der Beamten oder der physischen Person, der die Besorgung der in den Kreis des Amtes fallenden Geschäfte an-vertraut ist (BGH Beschl. v. 12. Juli 1951, aaO). Dass das Bundespolizeigesetz und die Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden die Bundespolizeiinspektionen nicht nennen, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn selbst fehlerhaft errichtete Behörden und deren Träger sind im Interesse der Rechtssicherheit bis zur endgültigen Feststellung der Unwirksamkeit nicht als inexistent zu behandeln (BVerfGE 1, 14, 38; BVerwG NvWZ 2003, 995, 996).

Für den Begriff der Behörde ist eine organisatorische Selbständigkeit notwendig (Schliesky in Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl., § 1 Rdn 71; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 1 Rdn. 248). Indiz für eine Verselbständigung der Einrichtung zu einer Behörde ist insbesondere die Fähigkeit der Einrichtung, in eigenem Namen zu handeln, die ihrerseits durch eine gesetzliche Regelung zuerkannt oder durch Rechtsvorschriften zugewiesen wird (Schliesky in Knack/Hennecke, aaO, § 1 Rdn. 72, 73). Eine solche Befugnis findet sich für die Bundespolizeiinspektionen weder im Bundespolizeigesetz noch in der Verordnung über die Zuständigkeiten der Bundespolizeibehörden. Die Bundespolizeiinspektionen sind unselbständige Untergliederungen der Bundespolizeidirektionen (Wagner, JURA 2009, 96, 97). Sie stehen den Arbeitseinheiten einer Behörde wie Ämtern und Dienststellen gleich (vgl. hierzu Schliesky in Knack/Hennecke, aaO, § 1 Rdn. 71; Schmitz in Stelkens/Bonk/ Sachs, aaO, § 1 Rdn. 248). Solchen Ämtern kommt eine Behördeneigenschaft nur dann zu, wenn sie kraft gesetzlicher Regelung gebildet werden müssen (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, aaO, § 1 Rdn. 251). So verhält es sich mit den Bundespolizeiinspektionen anders als mit den früheren Bundespolizeiämtern (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 Bundespolizeigesetz in der bis zum 29. Februar 2008 geltenden Fassung) gerade nicht. Sie nehmen öffentliche Aufgaben im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG wahr, ohne dass ihnen eigener Behördencharakter zukommt (Wagner JURA 2009, 96, 97).

Als Untergliederung der Bundespolizeidirektion wird das Handeln der Bundespolizeiinspektion mangels Selbständigkeit der jeweils zuständigen Bundespolizeidirektion zugerechnet (Wagner JURA 2009, 96, 97). Anträge, die eine Bundespolizeiinspektion stellt, sind Anträge der übergeordneten Bundespolizeidirektion. Antragstellende Behörde ist die jeweilige Bundespolizeidirektion, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Antragstellerin ausgewiesen wird, sondern die Bundespolizeiinspektion als Antragstellerin erscheint. Deshalb ist es unschädlich, wenn der Antrag in Freiheitsentziehungssachen nicht (auch) die übergeordnete Bundespolizeidirektion nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 FamFG aufführt, da eine Bundespolizeiinspektion mangels eigener originärer gesetzlicher Zuständigkeiten nur als Vertreterin für die Bundespolizeidirektion auftreten kann. Dementsprechend ist die übergeordnete Bundespolizeidirektion und nicht (auch) die Bundespolizeiinspektion Beteiligte des Verfahrens im Sinne des § 418 Abs. 1 FamFG.“