Mit Disziplinarverfahren lässt sich nach dem Gesetz kein Geld verdienen. So kann man wohl eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf den Punkt bringen. In einer seltenen Konstellation hatte das Oberverwaltungsgericht darüber zu entscheiden, in welcher Höhe die Kosten für einen Bevollmächtigten (eine Rechtsanwaltskanzlei) durch die Gegenseite zu erstatten waren. Zwar lautet der Beschluss des Senats vom 26.10.2016 in der gleichen Sache „Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.“ Mit der aktuellen Entscheidung darf sich die Antragsgegnerin aber gleichwohl freuen: die Kosten werden nämlich schlicht nicht festgesetzt. Dreimol Null es Null, bliev Null.
Zum rechtlichen Hintergrund:
Der Dienstherr betrieb über einige Jahre hinweg ein behördliches und gerichtliches Disziplinarverfahren in der Hauptsache. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde die Beamtin vorläufig des Dienstes enthoben und ihre Bezüge wurden anteilig einbehalten.
Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 05.07.2016 entschieden hatte, dass die Beamtin nicht entfernt, sondern nur zurückgestuft werden solle, wandte sich die Beamtin gegen die Einbehaltung der Dienstbezüge. Für dieses spezielle gerichtliche Verfahren nach § 63 LDG NRW ist das „Gericht der Hauptsache“ zuständig. Dies war zwischenzeitlich das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geworden, weil der Dienstherr Berufung eingelegt hatte.
Das Oberverwaltungsgericht gab dem Antrag der Beamtin statt und entschied am 26.10.2016:
Die durch Verfügung des Antragsgegners vom 28. Juli 2011 angeordnete vorläufige Einbehaltung der Dienstbezüge wird ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Hierauf beantragte der Prozessbevollmächtigte am 27.10.2016 eine Grundgebühr in Disziplinarverfahren nach Ziff. 6200 VV RVG und eine Verfahrensgebühr in Disziplinarverfahren (erster Rechtszug) nach Ziff. 6203 VV RVG nebst Telekommunikationskostenpauschale und Umsatzsteuer festzusetzen.
Zunächst hielt sich das Oberverwaltungsgericht nicht für den Kostenfestsetzungsantrag für zuständig, schließlich entschied es, lehnte aber ab. Die Begründung lautet schlicht: es gibt keine gesonderten Gebühren für das Verfahren nach § 63 LDG NRW, sie gehen in den allgemeinen Gebühren für das Hauptsacheverfahren auf.
Das kann nicht überzeugen. Denn dann würden die Kostengrundentscheidungen in derartigen Nebenverfahren stets ins Leere gehen. Jedes Verfahren nach § 63 LDG NRW setzt denklogisch voraus, dass ein Hauptsache-Disziplinarverfahren besteht für das bereits andere Anwaltsgebühren entstehen können oder entstanden sind.
Rechtsprechung zu dieser Frage ist allerdings bislang nicht bekannt, sodass das Oberverwaltungsgericht – ausschließlich zugunsten der Dienstherrn und zu Lasten betroffener Beamten – nun kleine Rechtsgeschichte geschrieben hat.
Nur der Vollständigkeit halber sollte vielleicht auch auf die wirtschaftliche Dimension hingewiesen werden: streitig ist die Erstattung von 476,- € zzgl. Zinsen. Letztere belaufen sich zwischenzeitlich auf 61,67 €.
Es geht also nicht darum, dass sich ein betroffener Beamter an der Staatskasse bereichert, sondern dass die immensen Verteidigungskosten durch die vom Senat bereits vor über drei Jahren ausgesprochene Kostenerstattung marginal vom Dienstherrn mitgetragen werden.
Der ablehnende Beschluss lautet im Volltext:
wird der Kostenfestsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 27.10.2016 zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
Der Antragsteller-Vertreter beantragte mit Schriftsatz vom 27.10.2016 die gesonderte Festsetzung der Vergütung für das vorliegende Verfahren auf Aussetzung der Einbehaltung von Dienstbezügen gem. § 63 LDG NRW gegen den Antragsgegner. Mit der Zwischenverfügung vom 08. November 2016 teilte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit, dass eine Festsetzung der Gebühren nicht in Betracht kommt, da das vorliegende Nebenverfahren auf Aussetzung der Einbehaltung von Dienstbezügen gem. § 63 LDG NRW zum Disziplinarverfahren gehört (BVerwG 11.11.09, 2 AV 4/09, NVwZ-RR 2010, 166). Auch die im Nebenverfahren entstandenen Kosten gehören zu den Kosten des Hauptverfahrens (OVGE 29, 300). Im Einverständnis mit dem Antragsteller-Vertreter wurde das Festsetzungsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache ausgesetzt. Mit Schreiben vom 09.09.2019 bat der Antragsteller-Vertreter um Fortgang des Kostenfestsetzungsverfahrens und teilte mit, dass die in der Zwischenverfügung vom 08.11.2016 zugrunde gelegte Rechtsprechung der Festsetzung nicht entgegensprechen würde. Dieser Auffassung wird nicht gefolgt. Die Argumentation des Antragsteller-Vertreters, dass es sich bei dem Hauptsacheverfahren und dem Nebenverfahren um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 17 RVG handelt und sich dadurch ein separater Gebührenanspruch nach § 13 RVG ergibt läuft fehl. Die Vergütung im Disziplinarverfahren richtet sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Teil 6 Abschnitt 2, Vorbemerkung 6.2 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Daraus folgt, dass die Gebühren nach Nr. 6200 ff. die gesamte Tätigkeit im Disziplinarverfahren abgelten. Gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 BDG umfasst das Disziplinarverfahren auch das gegen eine Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen gerichtete gerichtliche Verfahren nach § 63 Abs. 1 BDG, sodass sich kein gesonderter Gebührenanspruch ergibt.