Aussetzung der Einbehaltung der Dienstbezüge bei Zurückstufung in erster Instanz, Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 26.10.2016, Az. 3d B 1064/16.O

Disziplinarverfahren sind langlebig und vielschichtig. Umso wichtiger ist es, den jeweils passenden Rechtsschutz auch „unterwegs“ zu suchen.

In einem seit 2011 laufenden Disziplinarverfahren strebt das Land Nordrhein-Westfalen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Disziplinarsanktion an. Im behördlichen Disziplinarverfahren wurde daher die vorläufige Einbehaltung der Dienstbezüge (30%, später 15%) angeordnet. Bei der Entscheidung über die Disziplinarklage folgte das Verwaltungsgericht Düsseldorf dem Klageantrag nicht und erkannte statt einer Entfernung auf eine Zurückstufung um eine Besoldungsgruppe. Hiergegen legte das Land Berufung ein.

Einen Antrag auf Aussetzung der Einbehaltungsentscheidung lehnte der Dienstherr außergerichtlich ab. Hierauf wurde die Aussetzung bei Gericht beantragt. Da die Berufung bereits beim Oberverwaltungsgericht anhängig war, war dies auch für die Aussetzungsentscheidung erst- und letztinstanzlich zuständig. Der Antrag war erfolgreich. Ab dem Monat der Gerichtsentscheidung sind mithin die vollen Dienstbezüge auszuzahlen.

Nachtrag: Zwischen den Parteien ist die Kostentragung des Verfahrens auch noch 2019 streitig. Denn obwohl im Tenor der hier besprochenen Entscheidung der Antragsgegnerin die Kosten auferlegt wurden, hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22.11.2019 eine Kostenfestsetzung abgelehnt.

Die durch Verfügung des Antragsgegners vom 28. Juli 2011 angeordnete vorläufige Einbehaltung der Dienstbezüge wird ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 28. Juli 2011, soweit darin gemäß § 38 Abs. 2 LDG NRW die Einbehaltung der Dienstbezüge angeordnet worden ist.

Sie steht als Steueramtsinspektorin im Dienst des Antragsgegners. Im Rahmen eines vom Antragsgegner am 10. Februar 2011 eingeleiteten Disziplinarverfahrens ist die Antragstellerin mit Verfügung vom 28. Juli 2011 gemäß § 38 Abs. 1 LDG NRW vorläufig des Dienstes enthoben worden. Gleichzeitig hat der Antragsgegner gemäß § 38 Abs. 2 LDG NRW die Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 30 v.H. angeordnet. Die Höhe der vorläufig einbehaltenen Dienstbezüge hat der Antragsgegner kurze Zeit später mit Verfügung vom 14. September 2011 auf 15 v.H. verringert.

Im gerichtlichen Disziplinarverfahren, in dem der Antragsgegner die Entfernung der Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis begehrt, hat die 1. Landesdisziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf die Antragstellerin mit Urteil vom 5. Juli 2016 in das Amt einer Steuerhauptsekretärin versetzt. Gegen dieses Urteil hat der Antragsgegner mit dem Ziel, die Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis entfernen zu lassen, Berufung eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 12. September 2016 hat die Antragstellerin beantragt,

„die Einbehaltungsanordnung vom 28. Juli 2011 auszusetzen“.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und vertritt unter Bezugnahme auf seine Berufungsbegründung die Auffassung, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entschieden werden wird, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Verhängung der Höchstmaßnahme abgesehen habe.

Der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 63 Abs. 1 LDG NRW hat Erfolg. An der Rechtmäßigkeit der Einbehaltung der Dienstbezüge bestehen bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel (vgl. § 63 Abs. 2 LDG NRW).

1) Mit Blick auf den Wortlaut der Antragsschrift, mit der die Antragstellerin beantragt, „die Einbehaltungsanordnung vom 28.07.1011 auszusetzen“, richtet sich der Antrag nach § 63 Abs. 1 LDG NRW ausschließlich gegen die Einbehaltung der Dienstbezüge.

2) Nach § 63 Abs. 2 LDG NRW ist die Einbehaltung von Bezügen auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Gemäß § 38 Abs. 2 LDG NRW ist Voraussetzung für die Einbehaltung von Dienstbezügen, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Die materielle Rechtmäßigkeit der Einbehaltung von Dienstbezügen hängt demgemäß von der Prognose ab, ob das Disziplinarverfahren voraussichtlich zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 63 Abs. 2 LDG NRW sind daher zu bejahen, wenn nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass das gegen die Antragstellerin geführte Disziplinarverfahren zu ihrer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen wird.

Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 20. April 2011 – 16b DS 10.1120, juris, Rdnr. 34; OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 16. Mai 2012 – DB B 2/12, juris, Rdnr. 19 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2009 – 2 AV 4.09, juris, Rdnr. 12 f. jeweils zu §§ 38, 63 BDG].

Da im gerichtlichen Verfahren nach § 63 LDG NRW für eingehende Beweiserhebungen kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur summarisch möglichen Beurteilung des Sachverhalts auf der Grundlage des aktuellen Sach- und Streitstandes entscheiden, ob die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher ist, als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2007 – 21d B 1024/07. BDG -‚ juris, Rdnr. 4; Bayerischer VGH a.a.O.; BVerwG a.a.O., Rdnr. 14 [jeweils zu §§ 38, 63 BDG].

Hiervon ausgehend ist derzeit zumindest nicht wahrscheinlicher, dass die Antragstellerin aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden wird, als dass gegen sie eine darunter liegende Disziplinarmaßnahme verhängt werden wird.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 5. Juli 2016 nach mehrtägiger Beweisaufnahme auf eine Zurückstufung gemäß § 9 LDG NRW erkannt. Eine offensichtliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ist nicht ersichtlich. Bei summarischer Prüfung lässt sich derzeit nicht hinreichend verlässlich feststellen, dass die vom Antragsgegner zur Begründung seiner Berufung vorgebrachten Gesichtspunkte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Höchstmaßnahme führen werden. Das gilt sowohl hinsichtlich seiner Einwendungen gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung als auch bezüglich seiner Erwägungen zum Disziplinarmaß unter besonderer Berücksichtigung mildernder Gesichtspunkte.

Die Aussetzung wirkt ab Ergehen der gerichtlichen Entscheidung (ex nunc).

Vgl. OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 16. Mai 2012 – DB B 2112 -, juris, Rdnr. 33.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 74 Abs. 1 LDG NRW, 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 3 Abs. 1 LDG NRW, 152 Abs. 1 VwGO).

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