kirchenrechtlicher Wartestand bedroht den Arbeitsplatz nicht, Sozialgericht Chemnitz, Gerichtsbescheid v. 27.01.2017, S 28 AL 757/15

Erkrankt ein Beschäftigter dauerhaft und wird ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr festgestellt, gilt er als schwerbehindert im sozialrechtlichen Sinne. Dies gilt für alle Beschäftigungsverhältnisse, also für Angestellte wie auch für Beamte und Richter, auch für Kirchenbeamte oder Pfarrer. Wird ein Grad der Behinderung von 30 oder 40 festgestellt, kommt eine sogenannte „Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen“ in betracht. Hierüber entscheidet die zuständige Agentur für Arbeit.

Im vorliegenden Verfahren ist nun ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt worden und eine Pfarrerin mit der Versetzung in den Wartestand „bedroht“. Nachdem die Agentur für Arbeit den Antrag abgelehnt und auch dem Widerspruch nicht abgeholfen hat, versuchen wir die Gleichstellung gerichtlich zu erstreiten.

Das Verfahren weist gleich eine Vielzahl von interessanten Rechtsfragen auf. So war es für das Gericht entscheidend, wann ein Verlust des Arbeitsplatzes droht. Mit der Versetzung in den Wartestand – so meinen wir und beziehen uns auf den Wortlaut des landeskirchlichen Rechts – oder erst mit einer Versetzung in den Ruhestand – meint das Sozialgericht und lehnt unsere Klage ab.

Und darf darüber hinaus der Staat Geistliche von öffentlich-rechtlichen Körperschaften anders behandeln als Geistliche privater Organisationsformen? Was ist der sachliche Grund dafür, dass Pfarrer mit einem GdB >50 unter staatlichen Schutz fallen, die anderen nicht? Handelt es sich etwa um eine gesetzliche Diskriminierung wegen der Religion?

Gegen den im folgenden wiedergegebenen Gerichtsbescheid ist die Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht anhängig. (Az. L 9 AL 26/17)

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gleichstellung der Klägerin mit schwerbehinderten Menschen.

Die am …1960 geborene Klägerin steht als Pfarrerin auf Lebenszeit im Dienst der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens. […]

Mit Bescheid der Stadt … wurde bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

Am 1.6.2015 beantragte sie bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.

Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 13.8.2015 zurück.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2015 als unbegründet zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei als Pfarrerin nicht von der Gleichstellung ausgeschlossen, weil sie nicht Inhaberin einer Pfarrstelle sondern Pfarrerin im Wartestand sei. Darüber hinaus sei die Versetzung in den Wartestand eine Vorwegnahme der Versetzung in den Ruhestand. Somit drohe konkret der Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 13.8.20 15 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2015 zu verurteilen, die Klägerin gemäß § 2 Abs.3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen sowie die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids sowie den Inhalt der Verwaltungsakte. Der Zulassung der Sprungrevision tritt sie entgegen, weil deren Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Beteiligten wurden zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Darüber hinaus hat das Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze waren Gegenstand des Verfahrens. Hierauf und auf den weiteren Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Beteiligten zuvor gehört wurden, der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs.2 SGG.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit behinderten Menschen nach § 2 Abs.3 SGB IX.

Auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid, denen das Gericht sich anschließt, wird zunächst gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug genommen.

Eine Gleichstellung dürfte bereits deshalb ausgeschlossen sein, weil die Klägerin als Pfarrerin auch im Wartestand keinen Arbeitsplatz im Sinne von § 73 SGB IX innehat, sondern gemäß Abs.2 Ziff. 2 dieser Vorschrift als Geistliche einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft beschäftigt ist.

Dies kann hier letztlich jedoch dahinstehen, weil zumindest kein konkreter Verlust des Arbeitsplatzes droht.

Zwar sieht § 92 Abs.2 Satz 1 PfDG vor, dass Pfarrerinnen im Wartestand in den Ruhestand versetzt werden, wenn ihnen bis zum Ablauf von drei Jahren nach Beginn des Wartestands nicht erneut eine Pfarrstelle übertragen worden ist.

Wie die Klägerin selbst vorträgt kann eine Versetzung in den Ruhestand frühestens zum …2019 erfolgen, falls ihr bis dahin keine Pfarrstelle übertragen wird. Hierfür gibt es jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt noch ist vorgetragen, dass oder warum ihr gerade keine Pfarrstelle mehr übertragen werden soll.

Letztlich würde es selbst dann, wenn die Evangelische Landeskirche die Klägerin nach Ablauf von drei Jahren in den Ruhestand versetzen würde, an der zwingenden Kausalität zwischen Behinderung und Verlust des Arbeitsplatzes fehlen. Auch hierfür sind weder Anhaltspunkte gegeben noch erfolgte entsprechender Vortrag. Kausal für die Versetzung in den Ruhestand wäre dann vielmehr die zwingend vorgeschriebene Rechtsfolge des § 92 PfDG.

Da es für die Entscheidung hier nicht auf die vom Klägervertreter aufgeworfenen Rechtsfragen ankommt, sondern die Entscheidung des Gerichts einzig auf tatsächlichen Erwägungen beruht, sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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