Neuer Streit um Direkci-Ausbruch, Rheinische Post vom 03.12.2009

VON SEBASTIAN PETERS

Krefeld (RP) Nach der spektakulären Flucht von zwei Gefängnis-Insassen aus der JVA Aachen werden Erinnerungen an die Flucht eines Gefangenen der Krefelder Justizvollzugsanstalt wach. Auch zwei Jahre nach der Flucht von Rahim Direkci aus der Justizvollzugsanstalt Nordstraße ist das Disziplinarverfahren gegen einen JVA-Beamten nicht abgeschlossen. Seine Anwälte mutmaßen, dass die JVA-Leitung einen Sündenbock sucht.

In nur wenigen Minuten wurden am 12. Oktober 2007 aus ganz normalen JVA-Beamten vier Hauptverdächtige. An diesem Tag, einem Freitag, flüchtete der Bankräuber Rahim Direkci aus Zelle Nr. 314 der Krefelder JVA – und ist seitdem verschwunden.

Noch am selben Abend fiel der Verdacht auf die vier diensthabenden Beamten. Ihre Spinde wurden kontrolliert, sogar die Privatwohnungen wurden durchsucht. Mehr als zwei Jahre sind seitdem vergangen, alle Strafverfahren sind abgeschlossen. Doch noch immer läuft ein Disziplinarverfahren gegen einen der Beamten. Dagegen wehrt sich jetzt sein Anwalt Robert Hotstegs: „Mein Mandant arbeitet immer unter dem Damoklesschwert, Direkcis Flucht mit verantwortet zu haben.“

Noch Klärungsbedarf

JVA-Leiterin Beate Peters bestätigte das offene Verfahren: „An bestimmten Stellen gibt es noch Klärungsbedarf. Wir sind in den letzten Zügen.“ Doch auch wenn diese letzten Fragen geklärt seien, könne damit die Flucht von Direkci nicht erklärt werden. Der Fall scheint eine Kette von Versäumnissen zu sein. Doch machten die JVA-Beamten wirklich arbeitsrechtliche Fehler? Das Disziplinarverfahren soll genau dies feststellen.

Bis zum Frühjahr befragten die Ermittlungsführer der JVA Willich (als Hauptstelle der JVA Krefeld) sämtliche Kollegen. Passiert ist seitdem nichts. „Dieser Zustand ist unhaltbar“, so Hotstegs. Er verweist darauf, dass Disziplinarverfahren „in einem Zeitraum von sechs Monaten“ zu führen seien. Verlängerungen gewähre der Gesetzgeber nur in Ausnahmefällen.

Seine Erklärung für das Zögern des Arbeitgebers: „In der Justizöffentlichkeit will man dokumentieren: ,Wir finden schon einen Schuldigen.‘ Manchmal werden Disziplinarverfahren auch bewusst von den Behörden verschleppt, weil man gegenüber der Presse oder den Vorgesetzten einen Sündenbock braucht“, sagt Hotstegs, der mit seinem Kollegen viele JVA-Beamte vertritt.

Viele seiner Mandanten im Land stünden unter großem Druck. „Ich kenne einen JVA-Beamten, bei dem die Dienstkleidung eines Abends in ein Zentimeter dicken Streifen zerschnitten auf dem Bett lag. Ein Häftling hatte dies einem Verbindungsmann außerhalb des Gefängnisses aufgetragen. Erpressungen und Bedrohungen gegen die Familien sind an der Tagesordnung.“ Den Druck hätten auch die vier Krefelder Beamten gespürt. Zusätzlich mussten sie bis vor Kurzem mit dem Vorwurf der Gefangenenbefreiung leben.

Auch die drei anderen Beamten mussten warten, ehe ihr Disziplinarverfahren beendet wurde. Die JVA-Leitung wollte alle vier Fälle gemeinsam abwickeln. Im Februar 2009 entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass dieses „Sammeldisziplinarverfahren“ unzulässig sei, dass jeder Beamte das Recht auf ein individuelles Verfahren habe. Scharf rügte damals das Gericht die internen Ermittlungen. Der Richter sprach von „dürftigen, von Orientierungslosigkeit gekennzeichneten Untersuchungshandlungen des Ermittlungsführers“ (VG Düsseldorf 31 K 8051/08.0).

Wie lange wird das Disziplinarverfahren noch dauern? In wenigen Wochen will Hotstegs das Verfahrensende beantragen: „Sofern die JVA das nicht selbst macht.“

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