Bürgerbegehren – zu kompliziert und unattraktiv?, wdr.de v. 16.06.2016

Von Martin Teigeler

  • Verein „Mehr Demokratie“: 2015 waren 12 von 23 Bürgerbegehren in NRW erfolgreich
  • Forderung nach bürgerfreundlicheren Regeln bei der direkten Demokratie
  • Sorge vor Instrumentalisierung der Bürgerbegehren durch Rechtspopulisten

Der Verein „Mehr Demokratie“ fordert eine Modernisierung der direkten Demokratie in NRW. Viele Bürgerbegehren würden von den Kommunen für unzulässig erklärt, da die notwendige Unterschriftenzahl verpasst werde, sagte Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und „Mehr Demokratie“-Mitglied am Donnerstag (16.06.2016) in Düsseldorf. Oft liege dies an formalen Fehlern. Darum wäre es besser, bereits während der laufenden Unterschriften-Sammlung eine rechtsverpflichtende Prüfung durch die Kommune einzuführen. Während es in Niedersachsen eine solche Möglichkeit der Prüfung bereits gebe, liege das Risiko in Nordrhein-Westfalen allein bei den Initiatoren.

Mehr als ein Drittel der Bürgerbegehren (36 Prozent) werden wegen Verfahrensmängeln für unzulässig erklärt. Außerdem sei es an der Zeit, eine Online-Beteiligung wie sie bei der Europäischen Bürgerinitiative auf EU-Ebene bereits üblich sei, auch in NRW einzuführen. 2015 waren 12 von 23 Bürgerbegehren in NRW erfolgreich – in sieben Fällen davon, weil der jeweilige Stadtrat dem Begehren zustimmte.

Umstrittene Kostenfrage

Kritik äußerte der Verband auch an der umstrittenen Kostenfrage. „Mehr Demokratie“ fordert, die Kostenschätzung, die Verwaltungen für Bürgerbegehren erstellen, als Anforderung an direktdemokratische Initiativen aus der Gemeindeordnung zu streichen. Sind langwierige Unterschrift-Sammlungen für ein Bürgerbegehren angesichts der Konkurrenz von Online-Petitionen heutzutage zu kompliziert und unattraktiv? Vereinsvertreter Hotstegs räumte ein, dass es Konkurrenz durch Beteiligungsformate im Internet gebe. Bürgerbegehren müssten deshalb gestärkt und durch den Gesetzgeber modernisiert werden.
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gibt es seit 1994 in NRW als zweistufiges Verfahren für mehr direkte Demokratie auf kommunaler Ebene. Wenn die Bürger einer Kommune anstelle des Stadtrats etwa über den Bau einer neuen Schule entscheiden wollen, müssen sie ein Bürgerbegehren einreichen und dafür Unterschriften sammeln. Je nach Größe der Gemeinde müssen zwischen 10 Prozent (bis 10.000 Einwohner) und 3 Prozent (über 500.000 Einwohner) der Einwohner unterschreiben, damit es zum Bürgerentscheid kommt.

Für den Erfolg des Bürgerentscheids, also der Schlussabstimmung, sind zwei Hürden zu nehmen: Die Mehrheit der Teilnehmer der Abstimmung muss erreicht werden, und die Ja-Stimmen müssen zugleich ein Mindestquorum erreichen – je nach Größe der Gemeinde zwischen 10 und 20 Prozent der Einwohner.

Oft Sozial- und Bildungsthemen

Themenschwerpunkte von Bürgerbegehren in NRW sind nach Angaben des Vereins öffentliche Sozial- und Bildungseinrichtungen (38 Prozent), öffentliche Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen (18,9 Prozent), Verkehrsprojekte (16,2 Prozent) und Wirtschaftsvorhaben (10,8 Prozent). Seit 1994 gab es in NRW insgesamt 704 Bürgerbegehren und 17 Ratsbürgerentscheide.

Sorge vor Rechtspopulisten

Kritisch sieht der Verein, dass die rechtspopulistische AfD bundesweit versucht, das Thema Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung offensiv zu besetzen. Der Verein sei parteipolitisch neutral, sagte Hotstegs. Es sei aber „bedauerlich“, wenn mit Bürgerbegehren Politik „gegen einzelne Bevölkerungsgruppen“ gemacht werde. In Thüringen will die dortige AfD zum Beispiel ein Bürgerbegehren gegen einen Moscheebau.

Vereinssprecher Hotstegs äußerte sich knapp ein Jahr vor der NRW-Landtagswahl auch über die rot-grüne Landesregierung. Man habe sich von Rot-Grün „mehr erwartet“ für einen Ausbau der direkten Demokratie, kritisierte der Rechtsanwalt. Hotstegs kritisierte insbesondere die neue 2,5-Prozent-Sperrklausel in den Kommunalparlamenten. Diese Regelung sei grundgesetzwidrig. Die sich abzeichnende Absenkung des Wahlalters auf 16 könne dies nicht ausgleichen.

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