Beurteilungspraxis im Finanzministerium NRW ist rechtswidrig, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil v. 02.05.2016, Az. 13 K 2279/15

Die Beurteilungspraxis des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen ist rechtswidrig. Das ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu einer Regelbeurteilung aus dem Jahr 2014. Denn das Ministerium erstellt seine dienstlichen Beurteilungen über die Beamten im eigenen Haus regelmäßig zu früh (nicht betroffen ist die Landesfinanzverwaltung, da dort andere Beurteilungsrichtlinien gelten). So werden nicht alle Leistungen der Beamtinnen und Beamten erfasst und die Beurteilungen decken den Beurteilungszeitraum nur unvollständig ab.

Darüber hinaus genügen die Beurteilungen nicht den Anforderungen an sogenannte „Ankreuz-Beurteilungen“.

Die gravierende Folge: nicht nur alle Beurteilungen können angefochten werden, sondern auch alle Beförderungsentscheidungen. Denn in diesen Auswahlverfahren ist maßgeblich aufgrund der letzten dienstlichen Beurteilung zu entscheiden. Ist diese fehlerhaft, „schlägt“ der Fehler auf die Auswahlentscheidung durch. Beamte, die nicht für eine Beförderung ausgewählt werden, können sich hiergegen mit einem Konkurrentenstreit wehren. Wir beraten bei Bedarf sehr kurzfristig zu den konkreten Erfolgsaussichten.

Die aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf lautet im Volltext:

Der Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger zum 30. Juni 2014 erteilte dienstliche Beurteilung aufzuheben und den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Zeitraum 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2014 erneut dienstlich zu beurteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der dem Kläger zum 30. Juni 2014 für den Zeitraum 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2014 erteilten dienstlichen Regelbeurteilung.

Der Kläger steht im Dienst des beklagten Landes und ist im Finanzministerium tätig. Im Beurteilungszeitraum war er dort als Referent dem Referat A zugeordnet. Am 21. Juni 2013 wurde er zum Regierungsdirektor (A15 BBesO) befördert.

Unter dem 5. Juni 2014 erstellte der Abteilungsleiter die dienstliche Beurteilung. Diese gliedert sich gemäß dem verwendeten Formular (u.a.) in eine Leistungsbeurteilung, eine Befähigungsbeurteilung und das Gesamturteil. Zur Beurteilung der Leistung gibt es vier jeweils durch Unterpunkte näher spezifizierte Leistungsmerkmale („Arbeitsweise“, „Arbeitsgüte“, „Sozialverhalten“ und „Führungsverhalten/Strategisches Denken und Handeln“), die durch Ankreuzen auf einer Skala von 1 bis 5 (von 1 = „entspricht nicht den Anforderungen“ bis 5 = „übertrifft erheblich die Anforderungen“) zu bewerten sind. Die Befähigungsbeurteilung gliedert sich in sieben ebenfalls jeweils durch Unterpunkte konkretisierte Befähigungsmerkmale („Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft“, „Auffassungsgabe und Analysefähigkeit“, „Entscheidungsfähigkeit“, „Verantwortungsbereitschaft und Kritikfähigkeit“, „Zuverlässigkeit“, „Verhandlungs- und Durchsetzungsfähigkeit“ sowie „Kommunikationsfähigkeit“); diese sind auf einer vierstufigen Skala (von 1 = „weniger ausgeprägt“ bis 4 = „sehr stark ausgeprägt“) durch Ankreuzen jeweils einem Ausprägungsgrad zuzuordnen. Das Gesamturteil besteht aus der Erteilung einer Note (wobei sieben Notenstufen – von „nicht bewährt“ bis „hervorragend‘ – zur Verfügung stehen) sowie dem Ausspruch zur Beförderungseignung.

Der Kläger erhielt das Gesamturteil „befriedigend“. Nach der (im Beurteilungsvordruck wiedergegebenen) Definition dieser Notenstufe handelt es sich um eine Beurteilung für Beamtinnen und Beamte, die nach Eignung, Befähigung und Leistung in jeder Hinsicht dem Durchschnitt ihrer Besoldungsgruppe entsprechen. Die Beförderungseignung wurde dem Kläger nicht zuerkannt.

Die Schlusszeichnung der dienstlichen Beurteilung durch den Staatssekretär erfolgte am 6. Juli 2014.

Mit Schreiben vom 21. November 2014 beantragte der Kläger die Abänderung der dienstlichen Beurteilung. Zur Begründung machte er geltend, die Beurteilung sei nicht in sich schlüssig und plausibel. So stehe das Gesamturteil in Widerspruch zu den Einzelbewertungen. Ohnehin seien dienstliche Beurteilungen, die auf dem System des Ankreuzens beruhten, rechtswidrig. Ferner sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ihm die Beförderungseignung abgesprochen worden sei, zumal er über ein breites Verwendungsspektrum verfüge. Schließlich sei ihm die Bewertung des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ mit 3 Punkten (= entspricht im Allgemeinen den Anforderungen) nicht erklärlich, da im Rahmen der Gesamtwürdigung in der dienstlichen Beurteilung sein Verhalten gelobt werde und auch im alltäglichen Umgang diesbezüglich keine Kritik geübt worden sei.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2015, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, lehnte der Beklagte den Abänderungsantrag ab. Wegen der Gründe wird auf die Ausführungen in dem Bescheid (Bl. 22-25 der Gerichtsakte) verwiesen.

Der Kläger hat am 23. März 2015 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er das Vorbringen in dem Abänderungsantrag vom 21. November 2014. Ergänzend und vertiefend trägt er im Wesentlichen vor: Die dienstliche Beurteilung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie sich nicht zu dem gesamten Beurteilungszeitraum verhalte; sie sei bereits am 5. Juni 2014 und damit vor dem Ende des Beurteilungszeitraums am 30. Juni 2014 gezeichnet worden. Die Widersprüchlichkeit zwischen den Einzelbewertungen und dem Gesamturteil werde durch den pauschalen Hinweis des Beklagten in dem Bescheid vom 27. Januar 2015 auf das insgesamt sehr hohe Leistungsniveau der Beamten der Besoldungsgruppe A15 nicht ausgeräumt; hierzu hätte es vielmehr substantiierter Darlegungen dazu bedurft, wie er im Leistungsvergleich mit den anderen Beamten der VergIeichsgruppe konkret abgeschnitten habe. Die dienstliche Beurteilung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die in den einschlägigen Beurteilungsrichtlinen vorgesehene Bindung des Beurteilers an die Ergebnisse der Gremiumsbesprechung einer hinreichenden Berücksichtigung der Bedeutung der Einzelmerkmale und einem höchstpersönlichen Werturteil des Beurteilers entgegengestanden habe. Die Behauptung des Beklagten in dem Bescheid vom 27. Januar 2015, das Sozialverhalten gegenüber Kollegen weise näher benannte Defizite auf, werde zurückgewiesen. Der Beklagte setze sich damit in Widerspruch zu der Bewertung des Leistungsmerkmals „Führungsverhalten/Strategisches Denken und Handeln“; dort sei seine Mitarbeiterorientierung – auch die Unterpunkte „Information/Begleitung“, „Einfühlungsvermögen und Vorbildfunktion/Loyalität“ – sowie seine Diplomatie mit 4 Punkten und damit als in vollem Umfang den Anforderungen entsprechend bewertet worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 27. Januar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die ihm zum 30. Juni 2014 erteilte dienstliche Beurteilung aufzuheben und ihn für den Zeitraum 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut dienstlich zu beurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die streitgegenständliche Beurteilung erfasse die dienstlichen Leistungen des Klägers im gesamten Beurteilungszeitraum. Mit der Zeichnung durch den Abteilungsleiter sei der Beurteilungsentwurf entstanden. Die Schlusszeichnung sei durch den Staatssekretär am 16. Juli 2014 erfolgt. In der Zeit vom 5. Juni 2014 bis 16. Juli 2014 hätten sich keine neuen Erkenntnisse zu Leistungen und Fähigkeiten des Klägers ergeben. Das Gesamturteil sei aus der Bewertung der Einzelmerkmale entwickelt worden. Die Auffassung des Klägers, es fehle ein innerer Zusammenhang zwischen den Einzelbewertungen und dem Gesamturteil, sei unzutreffend. Der Erstellung der Beurteilung sei eine Besprechung der Abteilungsleiter unter Leitung des Staatssekretärs vorausgegangen. Grundlage dieser Besprechung seien von den Abteilungsleitern erstellte Beurteilungspläne gewesen, die den Vorschlag eines Gesamturteils enthalten hätten. In der Besprechung habe man die vorgeschlagenen Gesamturteile unter Berücksichtigung der zu bewertenden Einzelmerkmale der Leistungs- und Befähigungsbeurteilung erörtert. Dabei sei auch die Bedeutung, die den Einzelmerkmalen am Maßstab der Anforderungen des statusrechtlichen Amtes zukomme, berücksichtigt worden. Wegen des hohen Leistungs- und Befähigungsniveaus der Vergleichsgruppe des Klägers liege die Gesamtpunktzahl, die sich aus einer Addition der Einzelpunktwerte ergebe, im Durchschnitt und damit in dem Bereich, in dem in der Regel das Gesamturteil „befriedigend“ vergeben werde. Die Angehörigen der Vergleichsgruppe hätten im Durchschnitt Leistungen erbracht und Fähigkeiten gezeigt, von denen sich die des Klägers bei einer Gesamtbetrachtung nicht abhöben. Die positiven Elemente seien in der zusammenfassenden Würdigung (Abschnitt V. der dienstlichen Beurteilung) besonders hervorgehoben. Demgegenüber bestünden Defizite insbesondere beim Sozialverhalten; dazu werde auf die Darlegungen im Bescheid vom 27. Januar 2015 Bezug genommen. Die Ausführungen des Klägers zur Bindung des Beurteilers an die Ergebnisse einer Gremiumsbesprechung gingen fehl; die hier einschlägigen Beurteilungsrichtlinien sähen eine solche Bindungswirkung nicht vor. Bei der Bewertung der Beförderungseignung habe die Verwendungsbreite des Klägers keine Rolle gespielt; generell hätten sieh die Abteilungsleiter und der Staatssekretär darauf verständigt, dieses Kriterium unberücksichtigt zu lassen. Die Bewertung des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ sei im Bescheid vom 27. Januar 2015 hinreichend plausibilisiert worden. Den Darlegungen liege eine Vielzahl von Eindrücken aus dem Verhalten des Klägers zugrunde, die der Gruppenleiter und der Abteilungsleiter teilweise selbst gewonnen hätten und die ihnen teilweise von anderen Beschäftigten vermittelt worden seien. Diese Eindrücke ließen sich dahin zusammenfassen, dass das Auftreten des Klägers häufig nicht durch die wünschenswerte Verbindlichkeit und Sensibilität gegenüber den Erwartungen der Gesprächspartner geprägt gewesen sei und dadurch zu Verunsicherung und Ablehnung geführt habe. Sein Auftreten sei von Vielen als nicht diplomatisch wahrgenommen worden. Eine Erklärung für dieses Verhalten könne in der manchmal deutlich zu bemerkenden Ungeduld des Klägers in Gesprächen hegen. Die Beurteiler hatten diese Verhaltensweisen nicht im Einzelnen aufgezeichnet. Ein Widerspruch zu der Bewertung des Leistungsmerkmales „Führungsverhalten/Strategisches Denken und Handeln“ bestehe nicht. Beide Leistungsmerkmale überschnitten sich. Führungsverhalten sei immer auch Sozialverhalten, erschöpfe sich darin aber nicht. Andererseits greife Sozialverhalten über die Wahrnehmung von Führungsaufgaben weit hinaus.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die zum 30. Juni 2014 erstellte dienstliche Beurteilung aufhebt und ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut beurteilt. Denn die dienstliche Beurteilung ist rechtswidrig und verletzt den Klägern seinen Rechten. Demgemäß war der Bescheid vom 27. Januar 2015, mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers auf Abänderung der Beurteilung abgelehnt hat, vom Gericht aufzuheben.

Dienstliche Beurteilungen sind nach ständiger Rechtsprechung verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob und in welchem Grad ein Beamter die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Befähigung und fachliche Leistung aufweist, ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die gerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob die jeweiligen Amtsträger gegen Verfahrensvorschriften oder -regeln des Beurteilungsrechts verstoßen haben, der gesetzliche Rahmen oder die anzuwendenden Begriffe verkannt worden sind ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden ist oder ob ein Beurteiler allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob diese mit den gesetzlichen Regeln in Einklang stehen.

vgl BverwG, Urteil vom 24. November 2005 – 2 C 34.04-. juris, Rz. 8; OVG NRW, Beschluss vom 5 Juni 2012 – 1 B 368/12-. juris; Rz. 9 VG Düsseldorf, Urteil vom 8. März 2013 – 13K 2289/12-, juris, Rz. 45.

1. Ausgehend von diesen Maßstäben leidet die dienstliche Beurteilung zum 30. Juni 2014 an mehreren Rechtsfehlern.

1. Die dienstliche Beurteilung ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da sie vor Ablauf des Beurteilungszeitraums am 30. Juni 2014, nämlich bereits am 5. Juni 2014 erstellt wurde, so dass sie sich nicht auf den gesamten Beurteilungszeitraum erstreckt. Dieser Fehler wiegt umso schwerer, als Beobachtungen und Eindrücken gegen Ende des Beurteilungszeitraums eine besondere Aussagekraft zukommt, da sie am ehestens in der Lage sind, zuverlässig ein aktuelles Bild von der Persönlichkeit und dem Leistungsvermögen des Beamten zu geben. Diese Zielsetzung wird von der streitgegenständlichen Beurteilung verfehlt, da sie nahezu den gesamten letzten Monat des Beurteilungszeitraums ausblendet.

Der Umstand, dass die Schlusszeichnung durch den Staatssekretär erst am 16. Juli 2014, also nach Ablauf des Beurteilungszeitraums erfolgt ist, vermag an dem aufgezeigten Verahrensfehler nichts zu ändern. Gemäß Ziffer 4.1 der hier einschlägigen Richtlinien für die Beurteilung und Beförderung der Beamtinnen und Beamten des Finanzministeriums des Landes (BuBR-FM 2011) werden die dienstlichen Beurteilungen von der Abteilungsleiterin/dem Abteilungsleiter im Benehmen mit den Vorgesetzten der zu Beurteilenden erstellt und nach Zeichnung durch die Abteilungsleitung II von der Staatssekretärin/dem Staatssekretär abschließend gezeichnet. Mithin sehen die BuBR-FM 2011 kein zweistufiges Verfahren mit Trennung zwischen Erst- und Endbeurteilung, sondern ein einheitliches Beurteilungsverfahren vor, in dem die Funktion des Beurteilers von der Abteilungsleiterin/dem Abteilungsleiter wahrgenommen wird (vgl. Ziffer 4.1 BuBR-FM 2011: Die Beurteilungen werden von der Abteilungsleiterin/vom Abteilungsleiter … erstellt ..“). Dies entspricht den Festlegungen im Ablaufplan zum Beurteilungsverfahren (Anlage VIII zu den BuBR-FM 2011), wonach sich die Funktion des Staatssekretärs im Beurteilungsverfahren – neben der Leitung der abschließenden Abteilungsleiterbesprechung, Ziffer 4.4 Absatz 2 BuBR-FM 2011, in deren Anschluss die Abteilungsleitungen die Beurteilungen erstellen – auf die Schlusszeichnung beschränkt. Hieraus folgt, dass die (in der Klageerwiderung verneinte) Frage, ob sich im letzten Monat des Beurteilungszeitraums neue Erkenntnisse zu Leistungen und Fähigkeiten des zu Beurteilenden ergeben haben, unmittelbar Gegenstand der Beurteilung sein muss und allein von der zuständigen Abteilungsleitung im Benehmen mit den unmittelbar Vorgesetzten zu beantworten ist, zumal der Staatssekretär mangels persönlicher Anschauungen und Kenntnisse hierzu in der Regel auch gar nicht in der Lage wäre.

2. Ferner genügt die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung, die im sog. Ankreuzverfahren gefertigt wurde, in mehrfacher Hinsicht nicht den rechtlichen Anforderungen, die inhaltlich an eine solche Beurteilung zustellen sind.

Der Dienstherr kann in seinen Beurteilungsrichtlinien ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertungen ohne zusätzliche individuelle textliche Begründungen vorsehen, sofern die Bewertungskriterien hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sind. Er muss aber auf Verlangen des Beamten die im Ankreuzverfahren vorgenommenen Einzelbewertungen im weiteren Verfahren plausibilisieren. Dies kann auch noch im Klageverfahren geschehen. Ferner bedarf das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung – im Unterschied zu den Einzelbewertungen – in der Regel einer gesonderten Begründung, um erkennbar zu machen, wie es aus den Einzelbegründungen hergeleitet wird. Einer Begründung bedarf es insbesondere dann, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Begründung für das Gesamturteil umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung für das Gesamturteil nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf null – geradezu aufdrängt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 – 2 C 27/14- u.a., juris, Rz. 11,30, 36 f.

Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben weist die streitgegenständliche Beurteilung mehrere Pausiblisierungs- bzw. Begründungsdefizite auf:

a) Dem Beklagten ist es zunächst nicht gelungen, auf den substantiierten Einwand des Klägers in dessen Schreiben vom 21. November 2014

– die Bewertung des Leistungsmerkmals Sozialverhalten. mit 3 Punkten („entspricht im Allgemeinen den Anforderungen“) sei ihm nicht erklärlich, da im Rahmen der Gesamtwürdigung in der dienstlichen Beurteilung sein Verhalten gelobt werde und auch im alltäglichen Umgang diesbezüglich keine Kritik geübt worden sei –

näher zu erläutern und plausibel zu machen, in welcher Weise der Beurteiler sein diesbezügliches Werturteil zum Leistungsmerkmal „Sozialverhalten“ gebildet hat. In dem Bescheid vom 27. Januar 2015 führte der Beklagte hierzu aus, die Bewertung dieses Merkmals sei im Hinblick auf de Kompetenzen, die für de angestrebte Funktion der Referatsleitung erforderlich seien, erfolgt; weiter legte er die Aufgaben einer Referatsleitung dar (u.a. Klärung komplexer Fragestellungen mit unterschiedlichen Gesprächspartnern) und stellte sich unter Verweis auf das Anforderungsprofil Referatsleitung (Anlage IV B zu den BuBR-FM 2011) auf den Standpunkt, dass der Kläger angesichts bestimmter Defizite im Sozialverhalten diesen Anforderungen voraussichtlich nicht gerecht werden würde. Diese Darlegungen können nur so verstanden werden, dass die Bewertung des Leistungsmerkmals „Sozialverhalten“ nicht gemessen an den Anforderungen des vom Kläger ausgeübten statusrechtlichen Amtes der Besoldungsgruppe A 15, sondern mit Blick auf die Beförderungseignung des Klägers für das nächsthöhere Statusamt unter Berücksichtigung der Anforderungen, die an eine Referatsleitung zu stehen sind, erfolgt ist. Damit hat der Beklagte den Maßstab für die Leistungsbewertung, nämlich die Anforderungen des ausgeübten Statusamtes, verfehlt. Im Verlauf des Klageverfahrens bat er die gebotene Plausibilisierung auch nicht nachgeholt. In der Klageerwiderung vom 13. Mai 2015 nimmt der Beklagte (auf Seite 2) zunächst Bezug auf die fehlerhaften Ausführungen im Bescheid vom 27. Januar 2015, um sodann (auf Seite 3) zu behaupten, Maßstab für die Bewertung des Sozialverhaltens seien die Anforderungen des statusrechtlichen Amtes der Besoldungsgruppe A 15 gewesen. Letzteres trifft jedoch nach der Begründung des Bescheides vom 27. Januar 2015, wie oben gezeigt, nicht zu. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte das Merkmal „Sozialverhalten“ zweimal bewertet hat, einmal im Rahmen der Leistungsbewertung (bezogen auf die Anforderungen des statusrechtlichen Amtes der Besoldungsgruppe A 15) und ein weiteres Mal bei der Beförderungseignung (bezogen auf die Anforderungen des statusrechtlichen Amtes der Besoldungsgruppe A 16). Es bestand kein Anlass, das Sozialverhalten bei der Entscheidung über die Zuerkennung der Beförderungseignung einer eigenständigen Bewertung zu unterziehen, weil bei dem vergebenen Gesamturteil „befriedigend“ mit dem die streitgegenständliche Beurteilung endet, die Zuerkennung der Beförderungseignung ohnehin ausgeschlossen war (siehe Ziffer 8 BuBR-FM 2011).

Angemerkt sei mit Blick auf das Vorbringen des Klägers, es sei ihm nicht erklärlich, welche Vorfälle und Situationen gemeint seien, wenn sein Sozialverhalten kritisiert werde, dass tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufgenommen werden müssen. Der Dienstherr bzw. der für diesen tätig werdende Beurteiler kann zwar einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile auf Grund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke und Einzelbeobachtungen während des Beurteilungszeitraumes beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, auch in abgestufter Form nebeneinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen.

BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1980 -2 C 8.78 -, BVerwGE 60, 245 = juris. Rz. 20f. m.w.N. und vom 17. September 2015 – 2C 27/14 – juris; Rz. 17, VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Februar 2015 – 13 L 2239/14 -‚ juris, Rz. 38.

b) Hinzu kommt dass die zusammenfassende Würdigung (Abschnitt V. der dienstlichen Beurteilung) keine Gewichtung und Abwägung der Einzelbewertungen enthält und daher nicht erkennen lässt, wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen hergeleitet wurde, Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dies erfordert keine Folgerichtigkeit nach rechnerischen Gesetzmäßigkeiten etwa in der Art, dass die Gesamtwertung das arithmetische Mittel aus den Einzelnoten sein müsste. Vielmehr ist umgekehrt die rein rechnerische Ermittlung des Gesamturteils ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage sogar unzulässig. Sie verbietet sich bei dienstlichen Beurteilungen, bei denen die Bildung eines Gesamturteils vorgesehen ist, mit dem die Einzelwertungen in einer nochmaligen eigenständigen Wertung zusammengefasst werden. Denn bei der Bildung des Gesamturteils wird die unterschiedliche Bedeutung der Einzelwertungen durch eine entsprechende Gewichtung berücksichtigt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. März 2007 – 2 C 2/06-, juris, Rz. 14 und vom 17. September 2015 – 2 C 27/14- u.a., juris, Rz. 33.

In die höchstpersönliche Einschätzung des Beurteilers können auch solche Überlegungen einfließen, die bei den Einzelbewertungen nicht vollständig zum Ausdruck kommen. Insbesondere kann der Beurteiler den einzelnen Merkmalen unterschiedliche Bedeutung für die zusammenfassende Bewertung zumessen. Erst wenn die unterschiedliche Gewichtung eine Abweichung zwischen Einzelmerkmalen und Gesamtbewertung nicht mehr erklären kann, leidet die dienstliche Beurteilung an einem unlösbaren Widerspruch.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 13. Dezember 2007 – 6 A 1414/05-, juris, Rz. 38 f. und vom 7. Juli 2015 – 6 A 360/14 -‚ juris. Rz. 95.

Bei einer, wie hier, im Ankreuzverfahren erstellten dienstlichen Beurteilung ist regelmäßig erforderlich, dass die dargestellten Überlegungen in der Begründung des Gesamturteils zum Ausdruck kommen, weil sonst nicht erkennbar ist, wie das Gesamturteil aus den Einzelbegründungen hergeleitet wurde. Ferner ist zu erläutern, wie sich unterschiedliche Bewertungsskalen zueinander verhalten und in das Gesamturteil übersetzt wurden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 – 2 C 27/14 – u.a., juris, Rz. 30, 36; zu letzterem Gesichtspunkt siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2016 – 1 B 1459/15 -, juris.

An einer diesen Anforderungen genügenden Begründung des Gesamturteils fehlt es hier. Auf welche Weise der Beurteiler die in den einzelnen Teilbereichen vorgenommenen Bewertungen und Zuordnungen zu dem Gesamtergebnis der Beurteilung zusammengeführt hat, ergibt sich aus der Begründung nicht. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die zusammenfassende Würdigung da, wo sie wertet und nicht nur beschreibt, sich ausnahmslos positiv über ihn äußert. Eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung von Einzelmerkmalen lässt sich dem umfangreichen Text nicht entnehmen. Einer besonderen Begründung des Gesamturteils bedurfte es jedoch, und zwar allein schon wegen der Inkongruenz der drei zur Anwendung gebrachten Bewertungsskalen (fünfstufige Skala bei der Leistungsbeurteilung, vierstufige Skala bei der Befähigungsbeurteilung und siebenstufige Skala beim Gesamturteil). Das Leistungs- und Befähigungsbild des Klägers stellt sich auch nicht als einheitlich dar, so dass sich die Vergabe des Gesamturteils „befriedigend“ vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null geradezu aufdrängen würde. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass bei einer – bis auf das Merkmal „Sozialverhalten“ – durchweg überdurchschnittlichen Bewertung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale, wie sie hier erfolgt ist, das einer nur durchschnittlichen Leistung entsprechende Gesamturteil „befriedigend“ allein das Ergebnis einer konkreten Würdigung, Gewichtung und Abwägung der Einzelmerkmale im Wege einer Gesamtbetrachtung sein kann. Diese Wertungen des Beurteilers hätten offengelegt werden müssen. Der Einwand des Beklagten, die Vergabe des Gesamturteils „befriedigend“ sei die Folge des allgemein hohen Leistungs- und Befähigungsniveaus der Vergleichsgruppe, bei seiner Einordnung in diese Gruppe finde sich der Kläger im Durchschnitt wieder, vermag nicht zu überzeugen. Der Beklagte übersieht, dass ein Quervergleich mit den anderen Bediensteten der Besoldungsgruppe A 15 nicht erst auf der Ebene des Gesamturteils stattgefunden haben kann. Gemäß Ziffern 7.1 und 7.2 BuBR-FM 2011 sind schon die Einzelmerkmale im Vergleich zu den übrigen Beamtinnen und Beamten derselben Besoldungsgruppe zu bewerten. Dass die bereits dort, bei den Einzelmerkmalen, hergestellte Relation zwischen dem Kläger und den anderen Bediensteten derselben Besoldungsgruppe sich im Gesamturteil nicht widerspiegelt, sondern „verzerrt“ ist, kann daher nur die Folge davon sein, dass der Beklagte beim Gesamturteil mit Erwägungen wertender und gewichtender Art (etwa zum Sozialverhalten), die als solche zulässig sein mögen, jedoch in der Begründung keinen Niederschlag gefunden haben, zu einem abweichenden, nämlich durchschnittlichen Ergebnis gekommen ist.

II. Sonstige Gründe, die zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung führen, bestehen nicht.

1. Soweit der Kläger geltend macht, die dienstliche Beurteilung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die in den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Bindung des Beurteilers an die Ergebnisse der Gremiumsbesprechung einer hinreichenden Berücksichtigung der Bedeutung der Einzelmerkmale und einem höchstpersönlichen Werturteil des Beurteilers entgegengestanden habe übersieht er, dass hier die BuBR-FM 2011 einschlägig sind, die eine solche Bindung des Beurteilers nicht vorsehen.

2. Die Nichtzuerkennung der Beförderungseignung steht entgegen der Auffassung des Klägers in keinem Zusammenhang mit einer unzureichenden Verwendungsbreite (§ 42 LVO NRW Gemäß Ziffer 8 BuBR-FM 2011 ist die Zuerkennung der Beförderungseignung zunächst an die Vergabe eines bestimmten Gesamturteils (‚hervorragend‘ bis ‚vollbefriedigend‘) gebunden ein solches hat der Kläger nicht erreicht und muss er auch bei der Neubeurteilung nicht zwingend erreichen.

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