Bürgerbegehren droht das Aus, Neue Westfälische vom 07.10.2010

Bezirksregierung hält es für rechtswidrig / Initiative gegen Schulschließungen widerspricht
VON BIRGIT GUHLKE
Bielefeld. Der Zuspruch war immens. Nach nicht einmal zwei Wochen haben die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen die Grundschulschließungen mit rund 20.000 Unterschriften knapp doppelt so viele zusammen wie nötig. Jetzt kommt Einspruch von der Bezirksregierung Detmold. Darin heißt es: Das Bürgerbegehren sei rechtswidrig, die darin enthaltenen Forderungen unzulässig. Die Initiative widerspricht – und macht weiter.

Gestern Morgen allerdings sah die Welt für Silke Schüler und Anette Davidsohn als Initiatorinnen des Bürgerbegehrens „Chancengleichheit für Bielefelder Schüler“ reichlich düster aus. Sozialdezernent Tim Kähler hatte sie in seiner Funktion als Stellvertreter des derzeit im Urlaub weilenden Oberbürgermeisters um ein Gespräch gebeten – und über die Post aus Detmold informiert. Für Kähler war das ein Gebot der Fairness, „damit sie nicht unnötig weiter Unterschriften sammeln, die am Ende wertlos sind“.

Für Silke Schüler war es „der erwartete Gegenwind“. Der sie und ihre Mitstreiter allerdings nicht zum Aufgeben veranlasst. Sie haben gestern noch einmal juristischen Beistand gesucht und zusammen mit ihrem Rechtsanwalt Robert Hotstegs eine Erklärung verfasst. Darin erklären sie, das Bürgerbegehren, wie geplant, heute bei der Stadt einreichen zu wollen.

Denn ihrer Einschätzung nach ist das Bürgerbegehren nicht rechtswidrig. Die große Zustimmung – statt der erforderlichen 10.100 Unterschriften gab es bis gestern Abend bereits gut 20.000 – zeige deutlich, dass die Bürgerschaft eine Abstimmung wolle und damit sei ein wesentliches Kriterium der Gemeindeordnung schon erfüllt.

Gerd Kranzmann (SPD) hatte „bereits vor drei Wochen schon vermutet, dass das Bürgerbegehren rechtswidrig ist“. Denn die Stadt habe „ein Planungsermessen, wie sie die Schullandschaft plant, das im Schulgesetz verankert ist“. Und: „Das kann nicht durch ein Bürgerbegehren ausgehebelt werden“.

Die Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) will heute ihre Pläne zur weiteren Grundschulentwicklung vorstellen. Inge Schulze (Grüne) hofft nun, „dass wir die Bürgerinnen und Bürger von den notwendigen Veränderungen überzeugen können“. Beigeordneter Tim Kähler hat den Fraktionen nun zur Diskussion gestellt, das Thema „schulorganisatorische Maßnahmen“ erst in einer Sondersitzung (25. November) des Rates zu beraten und nicht in der Sitzung am 4. November. So gebe es die Möglichkeit, „gegebenenfalls ein neues Bürgerbegehren zu starten, das den rechtlichen Anforderungen genügt“, so Kähler. Bis zum 15. November allerdings müssen Eltern ihre Kinder für die Grundschulen anmelden.

Neu starten will die Initiative nicht. Ihr Rechtsanwalt beruft sich auf einen ähnlichen Fall aus Hagen. Da sei es vor zwei Jahren auch um Schulschließungen gegangen, auch dort gab es ein Bürgerbegehren gegen die Schulschließungen. Der Rat hatte das Bürgerbegehren laut Hotstegs für zulässig erklärt, die Bezirksregierung indes diesen Ratsbeschluss beanstandet und aufgehoben. Seinerzeit hatte die Bezirksregierung Arnsberg als Kommunalaufsicht die „Auffassung vertreten, die Stadt Hagen sei haushaltsrechtlich schon jetzt zur Auflösung der Schulen verpflichtet“, heißt es in der Erklärung des Oberverwaltungsgerichts NRW. Das OVG folgte dieser Argumentation nicht, setzte die Anordnung der Schulschließungen vorläufig außer Kraft (Az: 15 B 1755/08).

Andreas Rüther (CDU) verweist darauf, dass die Initiative ihr Bürgerbegehren bereits vorab habe juristisch prüfen lassen. Und sagt: „Wir bleiben bei unserer Haltung, die Grundschulen erhalten zu wollen“.