Schlussanträge an den EuGH: Altersdiskriminierung von Beamten im Besoldungsrecht festgestellt

Der zuständige Generalanwalt Yves Bot hat heute seine Schlussanträge unter anderem zu der Frage vorgelegt, ob das frühere Besoldungssystem für deutsche Bundesbeamte und Berliner Landesbeamte gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstieß und die etwaige Diskriminierung im Rahmen der Berliner Überleitungsregelung für Bestandsbeamte noch fortbesteht. Die hierzu geführten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin sind auch für nordrhein-westfälische Verfahren von Interesse, so hat u.a. das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und das Verwaltungsgericht Düsseldorf entsprechende Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.

Nach der für Bundesbeamte bis zum 30.06.2009 und für Beamte des Landes Berlin bis zum 30.06.2011 geltenden Regelung des Bundesbesoldungsgesetzes a.F. (BBesG) hing die Ersteinstufung eines Beamten in eine Besoldungsstufe ausschließlich von seinem Lebensalter ab. Die für Bundesbeamte seit dem 01.07.2009 geltende Neufassung des Bundesbesoldungsgesetzes stellt hingegen auf Erfahrungsstufen ab, die sich an den zurückgelegten Dienstzeiten orientieren. Die seit dem 01.08.2011 geltende Berliner Neuregelung stellt für die Ersteinstufung von Neubeamten des Landes ebenfalls nicht mehr auf deren Lebensalter ab, sondern auf die absolvierte Dienstzeit, wobei frühere Berufserfahrung berücksichtigt werden kann. So regeln es auch viele andere Bundesländer. Aufgrund einer Überleitungsregelung wird bei „Altbeamten“ für deren Überleitung in eine Besoldungsstufe der neuen Besoldungsstruktur lediglich das frühere Grundgehalt berücksichtigt wird. Die Überleitungsregelung sieht außerdem vor, dass für Stufenaufstiege nur die seit dem Inkrafttreten dieser Überleitungsregelung erworbene Berufserfahrung berücksichtigt wird.

Verschiedene Beamte des Landes Berlin und des Bundes, deren Ersteinstufung noch nach dem Lebensalter erfolgt war, rügen vor dem VG Berlin die Berechnung ihrer Besoldung und machen geltend, dass sie wegen ihres Alters diskriminiert würden. Das VG Berlin hatte den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung des Unionsrechts ersucht.

Der Generalanwalt hat dem EuGH in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen, die Fragen des VG Berlin wie folgt zu beantworten:

1. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Geltungsbereich) ist dahin auszulegen, dass er für die Bedingungen des Arbeitsentgelts von Beamten gilt. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Arbeitnehmerbegriff, der im Wesentlichen auch auf deutsche Beamte anwendbar ist.

2. Die Art. 2 der Richtlinie 2000/78 (Verbot der Altersdiskriminierung) und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 (zulässige Ungleichbehandlungen wegen des Alters) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, nach der die Höhe des Grundgehalts eines Beamten bei Begründung des Beamtenverhältnisses maßgeblich von seinem Lebensalter abhängt und anschließend vor allem in Abhängigkeit von der Dauer des Beamtenverhältnisses ansteigt.

3. Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einem Überleitungssystem wie dem in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen entgegenstehen, das bei der Zuordnung von Bestandsbeamten zu den Stufen des neuen Besoldungssystems lediglich dem vorherigen Grundgehalt Rechnung trägt und für den Aufstieg in höhere Stufen nur die ab Inkrafttreten dieses Überleitungssystems erworbene Erfahrung berücksichtigt, unabhängig von der absoluten Erfahrungszeit des Beamten.

4. Im Fall der Feststellung einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung kann, solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung getroffen wurden, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dadurch gewahrt werden, dass die diskriminierten Beamten in dieselbe Besoldungsstufe eingestuft werden wie ein älterer Beamter, der über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügt.

5. Das Unionsrecht, insbesondere die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf), steht einer nationalen Vorschrift wie der in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten fraglichen, nach der ein Beamter Ansprüche auf Geldleistungen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahrs geltend machen muss, nicht entgegen, sofern die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die für Klagen, mit denen finanzielle Ansprüche geschützt werden sollen, die sich aus dem innerstaatlichen Recht ergeben, und sofern eine solche nationale Vorschrift für den Einzelnen keine mit der Ausschlussfrist verbundenen Verfahrensnachteile mit sich bringt, die geeignet sind, die Ausübung der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte übermäßig zu erschweren; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Hinsichtlich des Fortbestehens der Altersdiskriminierung im Rahmen der Überleitungsregelung und des grundsätzlich legitimen Interesses, den Besitzstand der Bestandsbeamten zu wahren, hat der Generalanwalt darauf hingewiesen, dass Gesetzgeber ein Überleitungssystem hätte vorsehen können, das die Auswirkungen der Diskriminierung in zeitlicher Hinsicht beseitige, indem es sich nach und nach dem neuen, auf der Berufserfahrung ohne Berücksichtigung des Lebensalters beruhenden Besoldungssystem annähere. So wäre es, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt habe, möglich gewesen, eine Übergangsregelung anzuwenden, die dem unangemessen bevorzugten Bestandsbeamten die Besoldung in der vorherigen Höhe so lange garantiere, bis er die nach dem neuen Besoldungssystem für die Erreichung einer höheren Besoldungsstufe erforderliche Erfahrung erworben habe. Dadurch wäre die Diskriminierung schrittweise beseitigt worden, ohne die Besoldung der gegenüber jüngeren Beamten im Vorteil befindlichen Bestandsbeamten schlagartig herabzusetzen.

Es bleibt nun abzuwarten, ob der Gerichtshof der Europäischen Union den Schlussanträgen folgt. Dies dürfte dann nicht nur Auswirkungen auf die Berliner Verfahren, sondern auch auf viele andere Verfahren anderer Bundesländer haben.

Schreibe einen Kommentar