Zulagengewährung nur im Einzelfall, Kommentar zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2011, Az. 2 C 30/09

Im Vorfeld der vollständigen Urteilsveröffentlichung hat es zahlreiche Pressemeldungen gegeben, die das Urteil und seine Rechtsfolgen missverständlich dargestellt haben. Zum Teil gab es die Auffassung, dass jeder Beamte, der zeitweise höherwertige Aufgaben wahrnimmt, automatisch einen Anspruch auf Zulagen habe. Zum Teil wurde sogar die Auffassung vertreten, man solle in derartigen Fällen der Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben pauschal jeweils einen Antrag auf Zulagengewährung stellen. Ein solcher Antrag ist zwar letztlich nicht schädlich, wird aber in vielen Fällen nach der genauen Urteilsauswertung keinen Erfolg haben. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ist zur Regelung in § 46 Abs. 1 BBesG ergangen. Der Wortlaut dieser Norm lautet:

„Werden einem Beamten oder Soldaten die Aufgaben eines höherwertigen Amtes vorübergehend vertretungsweise übertragen, erhält er nach 18 Monaten der ununterbrochenen Wahrnehmung dieser Aufgaben eine Zulage, wenn in diesem Zeitpunkt die haushaltsrechtlichen und laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses Amtes vorliegen“.

Das Bundesverwaltungsgericht benennt nun drei Tatbestandsmerkmale, die erfüllt sein müssen, bevor ein Anspruch nach dieser Norm gegeben ist. Zudem beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht mit wichtigen allgemeinen Grundsätzen des Beamtenrechts. Insbesondere bestätigt es, dass es zum Kernbestand der Strukturprinzipien des Beamtenrechts (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG) gehört, dass stets eine Verknüpfung vom besoldungsrechtlichen Status und der ausgeübten Funktion besteht. Die Funktionsämter, d.h. die konkreten Aufgabenbereiche, müssen der Wertigkeit des Statusamts entsprechen. Das Bundesverwaltungsgericht deutet zugleich an, dass dies auch nicht dadurch unterlaufen werden kann, dass die Dienstherrn „systematisch Beamte ohne die erforderliche Beförderungsreife mit Vakanzvertretungen beauftragen, um bereitgestellte Haushaltsmittel einzusparen“. Dies bedeutet, obwohl nur ein konkreter Fall angesprochen wird, dass nicht höherwertige Aufgaben übertragen werden dürfen, ohne dass eine entsprechende statusrechtliche Anhebung des Beamten erfolgt. Die Frage, ob Statusamt und Funktion auseinanderfallen können, stellt sich in der Praxis auch aus anderen Anlässen, etwa, wenn bei Kommunen mit Haushaltssperren keine Beförderungen mehr ausgesprochen werden, die Beamten gleichwohl in höherwertigen Stellen eingesetzt werden. Bei derartigen Fällen wird die vorliegende Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen sein.

Die hier besprochene Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht beschäftigt sich jedoch konkret mit der Frage, wann eine Zulage nach § 46 Abs. 1 BBesG gewährt werden muss.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt hierzu drei Voraussetzungen auf.

Die erste Voraussetzung ist, dass für das Funktionsamt, in dem der Beamte vertretungsweise eingesetzt wird, bereits eine haushaltsrechtlich vorgesehene Planstelle existiert. Ist dies nicht der Fall, d.h. gibt es eine freie Planstelle nicht, scheitert der Anspruch von vornherein, so das Bundesverwaltungsgericht. Nach der Bewertung des Bundesverwaltungsgericht ergibt sich dies aus der Motivation des Gesetzgebers, dass durch die Gewährung der Zulage keine Mehrkosten entstehen sollen und die Zulage alleine aus bereitstehenden Haushaltsmitteln bestritten werden kann.

Schon an dieser Voraussetzung wird es vielfach fehlen, denn oftmals werden Beamten höherwertige Aufgaben übertragen, ohne dass eine Planstelle besteht. Die Existenz einer Planstelle ist jedoch nach dem Bundesverwaltungsgericht eindeutig notwendig, s. insbesondere Rz. 12.

Die zweite Voraussetzung für die Gewährung des Zulagenanspruchs ist es nach dem genannten Urteil, dass der Beamte, dem die Vertretung übertragen wird, sämtliche laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung der freien Planstelle besitzt. Es müsste also möglich sein, ihn „in einer logischen Sekunde“ zu befördern. Dies ist z.B. dann nicht möglich, wenn bestimmte beförderungsrechtliche Wartezeiten nicht eingehalten sind. Dies gilt etwa dann, wenn die letzte Beförderung der Beamtin / des Beamten erst kurze Zeit zurückliegt und die einschlägige laufbahnrechtliche Vorschrift eine bestimmte Wartezeit vor der nächsten Beförderung vorschreibt. In diesem Fall entsteht der Anspruch auf die Zulage frühestens dann, wenn die Wartezeit abgelaufen ist. Da das Bundesverwaltungsgericht mehrfach betont, dass „sämtliche laufbahnrechtlichen Voraussetzungen“ für die Übertragung des höherwertigen Amts vorliegen müssen, wären aber auch andere Voraussetzungen zu überprüfen. Diese könnten im Einzelfall darin bestehen, dass nach den einschlägigen Beförderungsrichtlinien, bzw. laufbahnrechtlichen Vorschriften bestimmte Beurteilungsergebnisse (z.B. Bestnoten) für die Beförderung vorgesehen sind, jedoch vom jeweiligen Beamten nicht erreicht werden. Möglicherweise könnten auch gesundheitliche Bedenken gegen eine Beförderung bestehen. Dann allerdings wäre es auch fürsorgepflichtwidrig, den Beamten eine längerfristige Vertretung höherwertiger Aufgaben zu übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht betont nämlich, mit Instumentarium solle auch „Beamten ein Anreiz geboten werden, die Aufgaben gerade dieses höherwertigen Amts zu übernehmen“. Ist dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, verbietet sich auch die Übertragung als solche.

Auch das zweite notwendige Kriterium, die abstrakte Beförderungsfähigkeit, wird in vielen Fällen einen Anspruch nach § 46 Abs. 1 BBesG ausschließen.

Das Bundesverwaltungsgericht beschäftigt sich weiterhin damit, wann noch von einer vorübergehenden Vertretung gesprochen werden kann. Es führt hierzu aus, die Form der Vertretung sei nicht maßgeblich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Vertretung als dauerhaft oder als endgültig oder aber nur als vertretungsweise bezeichnet werde. Ebenso komme es nicht darauf an, ob es sich um eine Vakanzvertretung oder eine Verhinderungsvertretung i.S.d. Bundesverwaltungsgericht-Urteils vom 28.04.2005 -2 C 29.04- handelt. In diesem Punkt kommt das Bundesverwaltungsgericht den Beamten flexibel entgegen. Andernfalls wäre es dem Dienstherrn möglich, alleine durch die Bezeichnung der Vertretung oder die Dauer ihres Ausspruchs darüber zu entscheiden, ob eine Zulagepflicht besteht oder nicht. Der Anspruch der Beamten ist ohnehin dadurch begrenzt, dass der Zulagenanspruch erst nach einer Vertretungsdauer von 18 Monaten entsteht. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Bedenken, dass Vertretungen unter 18 Monaten verfassungsrechtlich zulässig aus dem Anwendungsbereich des § 46 BBesG ausgeschlossen werden. Bei Vertretungen unter 18 Monaten ist somit die Zulage ebenfalls nicht zu gewähren.

Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass bei der Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben stets eine Zulage zu zahlen ist, lässt sich aus dem besprochenen Urteil mithin nicht herauslesen. Gleichwohl wird die Darstellung des Bundesverwaltungsgericht in einigen Fällen auch Beamtinnen und Beamten helfen, Zulagen durchzusetzen. Der Empfängerkreis ist allerdings kleiner, als es zunächst die Pressemitteilung des Gerichts zu verstehen zuließ.