Niedersachsen vs. NRW?, unentschieden im Streikverbot für Beamte, Anmerkung zu Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteile v. 19.08.2011, Az. 9 A 1/11 und 9 A 2 /11

Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat heute die Klagen zweier Lehrer, die sich jeweils gegen eine ihnen von der Landesschulbehörde auferlegte Geldbuße in Höhe von 100,- € gewendet hatten, abgewiesen. Hintergrund war die Teilnahme der beiden Beamten an einer Streikmaßnahme der Gewerkschaft GEW im Februar 2009. Infolgedessen konnten die Lehrer ihrer Unterrichtsverpflichtung nicht nachgehen. Die Landesschulbehörde hatte den Verlust der Dienstbezüge für diesen Tag festgestellt und den Beamten darüber hinaus die o.g. Disziplinarmaßnahme auferlegt.

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit den in Art. 33 Abs. 5 GG normierten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Darin enthalten ist nach der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts auch das allgemeine Streikverbot für Beamte. Hingegen hatte der Europäische Gerichtshof für Menschrechte hinsichtlich des türkischen Streikverbots für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes eine funktionsbezogene Unterscheidung gefordert, d.h. ein allgemeines Streikverbot für unzulässig erklärt. Eine solche funktionsbezogene Differenzierung lasse sich – so das Verwaltungsgericht – trotz völkerrechtsfreundlicher Auslegung der deutschen Verfassung mit dem Kernbestand des Grundgesetzes nicht vereinbaren. Zu einer Änderung der Auslegung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums wäre allein das Bundesverfassungsgericht befugt.

Das Gericht hat die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Anmerkung:

Die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit ergibt sich bereits aus der vom Verwaltungsgericht selbst vorgenommenen Auslegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Hieraus hatte noch das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 15.12.2010 (Az. 31 K 3904/10.O) gegensätzliches abgeleitet und eine weit höhere Geldbuße, nämlich 1.500,- €, aufgehoben. Auch dort wurde die Berufung zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zugelassen. Eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfrage scheint dringend notwendig.