Nicht jeder Fehler im Bewerbungsverfahren begründet einen Schadensersatzanspruch, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 29.11.2012, Az. 2 C 6.11

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass nicht jeder Fehler im Auswahlverfahren zu einem Schadensersatzanspruch des nicht berücksichtigten Bewerbers führt.

Im Streitfall hatten sich der Kläger und drei Mitbewerber auf die Stelle eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht (OLG) beworben. Der Dienstherr setzte das Verfahren zunächst aus, um einem der Bewerber die Abordnung an das OLG zu ermöglichen. Im Anschluss an diese Abordnung zogen sowohl dieser Mitbewerber als auch die beiden anderen Mitbewerber ihre Bewerbungen zurück und es bewarb sich ein weiterer Mitbewerber. Der Dienstherr traf sodann eine Auswahlentscheidung zugunsten des neuen Mitbewerbers, der mit der Höchstnote beurteilt worden war. Der Kläger, der mit der zweithöchsten Note beurteilt worden war, wandte sich hiergegen im Eilverfahren; das Oberverwaltungsgericht (OVG) untersagte die Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Konkurrenten, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beurteilung des Klägers bestünden. Daraufhin brach der Dienstherr das Auswahlverfahren ab. Ein vom Kläger gegen diesen Abbruch eingeleitetes Eilverfahren wurde eingestellt, nachdem der Kläger mittlerweile auf eine andere Stellenausschreibung hin zum Vorsitzenden Richter am OLG befördert worden war. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung. Nach seiner Ansicht hätte das Verfahren nicht ausgesetzt werden dürfen, sondern der Dienstherr hätte bereits zum damaligen Zeitpunkt eine Auswahlentscheidung treffen müssen, die zu seinen Gunsten ausgegangen wäre. Das OVG hat die Klage abgewiesen, weil das Verfahren rechtmäßig abgebrochen worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Beamte und Richter haben dann Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Dienstherr eine ihnen gegenüber bestehende Pflicht rechtswidrig und schuldhaft verletzt und diese Rechtsverletzung kausal für den Schaden geworden ist; zudem dürfen sie es nicht versäumt haben, den Eintritt des Schadens durch zumutbare Rechtsbehelfe abzuwenden. Rechtsfehler im Verlauf eines Auswahlverfahrens können dann einen Schadensersatzanspruch begründen, wenn sie sich auf die abschließende Auswahlentscheidung ausgewirkt haben, ihr also „anhaften“. Hiervon ausgehend stellte im Streitfall die Aussetzung des Verfahrens zur Abordnung des Mitbewerbers an das OLG zwar eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der übrigen Mitbewerber dar. Dieser Rechtsverstoß hat sich aber nicht mehr auf die anschließende Auswahlentscheidung des Dienstherrn ausgewirkt, weil der bevorteilte Bewerber vorher aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden war. Der Schadensersatzanspruch ist auch deshalb ausgeschlossen, weil der Dienstherr nach den Feststellungen des OVG das Auswahlverfahren abgebrochen hätte, wenn er die Rechtswidrigkeit der Aussetzung erkannt hätte.

Der spätere tatsächliche Abbruch des Auswahlverfahrens war formell und materiell rechtmäßig, da er den Bewerbern gegenüber bekannt gemacht worden war und ein sachlicher Grund für den Abbruch vorlag. Der sachliche Grund war hier die abschließende gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, mit der dem Dienstherrn vorläufig untersagt worden war, die Stelle mit dem von ihm ausgewählten Bewerber zu besetzen.

BVerwG 2 C 6.11 – Urteil vom 29. November 2012

Vorinstanzen:
OVG Greifswald, 2 L 209/06 – Urteil vom 28. Oktober 2009 –
VG Greifswald, 6 A 1096/03 – Urteil vom 4. Mai 2006 –