Übernachtungssteuer teilweise verfassungswidrig, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 11.07.2012

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass Gemeinden Steuern nur auf privat veranlasste entgeltliche Übernachtungen erheben dürfen, nicht aber auf solche, die beruflich zwingend erforderlich sind.

Die Revisionsklägerinnen betreiben Hotels in Trier und Bingen am Rhein. Beide Städte erheben nach ihren Satzungen eine sog. Kulturförderabgabe für entgeltliche Übernachtungen in ihrem Stadtgebiet. Die Normenkontrollanträge gegen die Satzungen sind bei dem Oberverwaltungsgericht erfolglos geblieben. Auf die Revisionen hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Satzungen für unwirksam erklärt.

Die Kulturförderabgabe auf Übernachtungen ist eine örtliche Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts erfassen Aufwandsteuern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, dass die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf (Konsum) über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht. Diese Voraussetzung liegt zwar vor bei entgeltlichen Übernachtungen aus privaten, insbesondere touristischen Gründen. Sie fehlt aber bei entgeltlichen Übernachtungen, die beruflich zwingend erforderlich sind. Solche Übernachtungen dienen bei einer wertenden Betrachtung nicht der Verwendung, sondern der Erzielung von Einkommen und unterliegen daher nicht der Aufwandbesteuerung.

Eine Aufwandsteuer darf darüber hinaus einer bundesgesetzlich geregelten Steuer nicht gleichartig sein. Die Aufwandsteuern für privat veranlasste Übernachtungen sind nach einer Gesamtbewertung nicht als gleichartig mit der Umsatzsteuer anzusehen. Zwar weisen sie Ähnlichkeiten mit der Umsatzsteuer auf, unterscheiden sich jedoch von ihr erheblich: Sie erfassen den Steuergegenstand „Entgelt für Übernachtung“ nur in einem Teilbereich (private Übernachtung) und werden nach den hier angegriffenen Satzungen nur zeitlich begrenzt für vier bzw. sieben zusammenhängende Übernachtungstage erhoben, während die Umsatzsteuer alle Lieferungen und sonstigen Leistungen des Unternehmers betrifft und ohne eine derartige zeitliche Grenze anfällt. Die Satzungen sehen einen Steuerpauschalbetrag vor, während die Umsatzsteuer sich nach einem Hundertsatz vom Übernachtungsentgelt berechnet; zudem wird die Übernachtungssteuer anders als die Umsatzsteuer nur von Erwachsenen erhoben.

Die Satzungen sind gleichwohl nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfang unwirksam, weil sie nicht teilbar sind. Es fehlt jegliche Regelung, wie berufsbedingte Übernachtungen von privaten zu unterscheiden sind und wie entsprechende Angaben kontrolliert werden sollen. Das führt zur Ungewissheit über die Besteuerungsvoraussetzungen, die auch nicht für eine Übergangszeit hingenommen werden kann.

BVerwG 9 CN 1.11 und 2.11 – Urteile vom 11. Juli 2012

Vorinstanz:
BVerwG 9 CN 1.11:
OVG Koblenz, 6 C 11408/10.OVG – Urteil vom 17. Mai 2011 –

BVerwG 9 CN 2.11:
OVG Koblenz, 6 C 11337/10.OVG – Urteil vom 17. Mai 2011 –

 

Kurzkommentar „Wie man sich bettet, so liegt man.“:

Die Frage nach der Verfassungswidrigkeit der sogenannten „Bettensteuern“ ist in vielen Kommunen und Bundesländern Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten geworden. Gerade die finanziell knappen Kassen der Städte und Gemeinden haben die Kreativität befördert, neue Abgaben einzuführen. Hiergegen haben sich in der Regel einzelne (unechte) Musterkläger gefunden, die entsprechende Normenkontrollanträge verfolgt haben. In Bundesländern, die keine direkte Normenkontrolle ermöglichen – wie z.B. Nordrhein-Westfalen – war es sogar erforderlich, zunächst einen Abgabenbescheid abzuwarten und gegen diesen sodann Klage zu erheben.

Auch wenn die Kernfrage der Verfassungswidrigkeit nun geklärt ist, stellen sich nun viele Nachfolgeschwierigkeiten: denn die bereits (verfassungswidrig) erhobenen Abgaben können nun auch nachträglich wieder zurückgefordert werden. Es ist zu erwarten, dass nicht nur der bürokratische Aufwand, sondern auch noch einmal eine neue Zahl von verwaltungsgerichtlichen Verfahren dazu führen wird, dass das Thema in der öffentlichen Diskussion weiter erhalten bleibt.

In eine „zweite Runde“ geht die juristische Auseinandersetzung dann, wenn die Kommunen ihre Satzungen nachbessern und diese erneut einer Normenkontrolle unterworfen werden.

Auch dann gilt das Sprichwort: „Wie man sich bettet, so liegt man.“, das vor allen Dingen beschreibt, dass man für die Konsequenzen seines eigenen Handelns selbst verantwortlich ist und darüber nachdenken sollte, bevor man die Handlung setzt.