Rechtswidrige Entlassung eines Stabsgefreiten aus der Bundeswehr wegen Schwarzfahrens, Verwaltungsgericht Minden, Urteil v. 04.10.2011

Das Verwaltungsgericht Minden hat mit Urteil die Entlassung eines Soldaten auf Zeit aus der Bundeswehr für rechtswidrig erklärt und aufgehoben. Das Urteil stellt insofern eine Besonderheit dar, als das Verfahren gegen die Disziplinarmaßnahme nicht mehr vom Soldaten/Beamten selbst, sondern von seinen Eltern nach dessen Tod fortgeführt wurde. Das Gericht sah in diesem Umstand kein Zulässigkeitsproblem, da die Eltern ein Interesse an der Rehabilitation des Sohnes geltend machen konnten.

Die offizielle Pressemitteilung führt aus:

Die Bundeswehr hatte den in Augustdorf stationierten, damals 24-jährigen Stabsgefreiten im Juni 2009 entlassen, nachdem dieser von sich aus mitgeteilt hatte, einen Bahnberechtigungsausweis für Wehrpflichtige verfälscht und sodann für mehrere (ihm als Zeitsoldat nicht zustehende) kostenlose Fahrten in seine Heimatstadt Leizig benutzt zu haben. Der Kläger zeigte sich reuig und begründete sein Verhalten damit, dass er viel Geld aufgrund fehlerhafter Anlageberatung verloren habe und sich daher selbst gelegentliche Heimfahrten nicht mehr habe leisten können. Die Bundeswehr schaltete die Staatsanwaltschaft Detmold ein. Diese stellte das Verfahren gegen den Kläger wegen geringer Schuld und geringen Schadens ein. Der für den Kläger zuständige Kompaniechef hatte sich gegen eine Entlassung ausgesprochen – der Kläger gehöre zu seinen Spitzenkräften und zeichne sich durch großes Engagement sowie hohe Zuverlässigkeit aus; daher sei die Ahndung seines Fehlverhaltens durch eine Disziplinarmaßnahme völlig ausreichend.

Gleichwohl verfügte die zuständige Stelle der Bundeswehr die Entlassung des Klägers wegen der Schwere seiner Tat und einer großen Nachahmungsgefahr und bestätigte diese Entscheidung auch im Beschwerdeverfahren. Nachdem er einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hatte, verstarb der Kläger am 27. Januar 2010; dem Vernehmen nach handelte es sich um Selbstmord.

Die Eltern des Klägers führten das Verfahren fort, um eine Rehabilitierung ihres Sohnes zu erreichen. Das Gericht gab ihnen Recht: Die Belassung des Klägers im Dienst hätte voraussichtlich weder die militärische Ordnung noch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Angesichts der Gesamtpersönlichkeit des Soldaten hätte es ausgereicht, seine Verfehlungen disziplinarisch zu ahnden, zumal das Vertrauensverhältnis zu den Dienstvorgesetzten in seiner Einheit nicht zerstört gewesen sei.

Urteil des VG Minden vom 04.10.2011

Quelle: Pressemitteilung des VG Minden vom 20.10.2011