In einem aktuellen Disziplinarverfahren ist die Selbstablehnung einer Kirchenrichterin für begründet erklärt worden, da sie auch Mitglied in einem Leitungsorgan der beteiligten Landeskirche ist.
Nach früherem Recht hatte das Kirchengericht in der „Vertreter:innen-Besetzung“ zu entscheiden, also ohne Mitwirkung des (selbst-)abgelehnten Kirchenrichters, aber auch ohne Beteiligung der beisitzenden Richter:innen (§ 54 Abs. 1 S. 2 DG.EKD a.F.) (Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Württemberg, Beschluss v. 24.09.2015, Az. DG 1/05, Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, Beschluss v. 17.09.2018, Az. KVwG 2/2017 (jetzt: 4/2018) und Disziplinarkammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 16.11.2018, Az. 0134/1-2018). Dies hat sich nunmehr geändert, sodass das Kirchengericht in vollständiger Vertreter:innen-Besetzung berät, lediglich der/die Vorsitzende den Beschluss aber unterzeichnet.
Die Entscheidung lautet im Volltext:
Die Selbstablehnung von Frau A. als rechtskundige Richterin ist begründet.
Gründe:
Frau A. gehört als rechtkundige Richterin der Disziplinarkammer an. Sie hat mit Schreiben vom 03.06.2025 angezeigt, seit … 2024 dem Moderamen der Gesamtsynode der Klägerin und damit einem Leitungsorgan der Klägerin anzugehören. Vor diesem Hintergrund halte sie sich im vorliegenden Fall für befangen und bittet um ihre Entbindung.
Die Beteiligten sind dazu angehört worden.
Die Selbstablehnung war gemäß §§ 52 Abs. 5, 1. Var., Abs. 3, Abs. 1 und Abs. 6 DG.EKD, 46 ZPO für begründet zu erklären, wobei an der Entscheidung die geschäftsplanmäßige Vertreterin der sich ablehnenden Richterin bereits mitzuwirken hatte, § 52 Abs. 3 Satz 2 DG.EKD.
Zwar ist das Moderamen nicht für die Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständig, ihm stehen aber unter anderem das Begnadigungsrecht und die Aufgaben des obersten Dienstherrn zu. Entsprechend ist es bereits im Vorfeld über die Ermittlungen gegen den Beklagten und deren Inhalt informiert worden. Auch das abgelehnte Mitglied des Kirchengerichts hat jedenfalls am 20.1 1.2024 an einer solchen Sitzung teilgenommen
Diese Umstände sind geeignet, Misstrauen des Beklagten gegen die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen, § 52 Abs. 1 DG.EKD.
Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 2 DG.EKD muss der Beschluss – nach der erfolgten Kammerberatung – nur vom Vorsitzenden Richter unterzeichnet werden.
(Vorsitzender Richter)
Vermerk vom 30. Juni 2025: Die Kammermitglieder haben am 30. Juni 2025 den Beschluss fernmündlich beraten und den aus dem Tenor ersichtlichen Beschluss gefasst.
(Vorsitzender Richter)