Weinheim, 17. März 2012. (red) Oberbürgermeister Heiner Bernhard und die Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” haben ihre Anwälte in Stellung gebracht und per juristischem Gutachten die jeweilige Position gestützt. Beide behaupten, Recht zu haben. Das aber kann nicht sein. Nur eine Seite kann Recht haben – juristisch entscheiden kann das nur ein Gericht. Politisch der Gemeinderat.
Von Hardy Prothmann
Wer Recht hat ist eine andere Frage als “wer Recht bekommt”. Laut der beiden Gutachten haben beide Recht – der OB, der Breitwiesen als Gewerbegebiet ausweisen will und die BI, die das verhindern möchte.
Juristisch ist dieser Streit abschließend nur vor Gericht zu klären. Erst vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe, dann vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim.
Die juristische Ausgangslage habe “es in sich”, sagte der Rechtsanwalt der BI Robert Hotstegs gestern bei der Info-Veranstaltung des Bündnisses, das die Breitwiesen als Ackerland erhalten will:
Sie können hier mit einer Klage Rechtsgeschichte schreiben.
Es geht um grundsätzliches: Nämlich, ob ein Aufstellungsbeschluss für eine Flächennutzungsplanänderung bereits eine Bauleitplanung ist oder nicht.
Das ist entscheidend für die Frage, ob ein Bürgerbegehren und damit auch ein Bürgerentscheid überhaupt zulässig ist oder nicht. Denn gegen Bauleitpläne sind Bürgerbegehren gemäß dem Negativkatalog der Gemeindeordnung eindeutig nicht zulässig. Das gilt für Baden-Württemberg. In Bayern oder Hessen ist dies sehr wohl zulässig – Bürgerbeteiligung also wesentlich freier.
Im Baugesetzbuch steht:
§ 1
Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
Es kommt auf den Standpunkt an
Wer juristisch spitzfindig ist, wird sagen, der Aufstellungsbeschluss für einen Antrag auf Änderung eines Flächennutzungsplans ist noch kein Flächennutzungsplan und somit ist ein Bürgerentscheid zulässig.
Wer das Gesetz “auslegt”, sagt, der Aufstellungsbeschluss ist der erste Schritt zum Flächennutzungsplan und damit quasi schon ein Teil und gegen Flächennutzungspläne sind Bürgerbegehren nicht zulässig.
Ein vergleichbarer Fall wurde in Baden-Württemberg noch nicht verhandelt – man weiß also nicht, zu welcher Auffassung die Gerichte in der Vergangenheit bereits tendiert haben. Insofern vertreten beide Gutachten Standpunkte, aber keine Gewissheit.
Beschlossen ist beschlossen – und weiter?
Beide Gutachten sind umfangreich, wobei die von der BI beauftragte Hamburger Kanzlei Graf von Westphalen sehr viel differenzierter argumentiert und auch grundsätzliche Behinderungen von Bürgerbeteiligungsverfahren durch eine ungenaue Gesetzgebung thematisiert.
Ein wichtige Einschätzung nahm Rechtsanwalt Hotstegs während der Info-Veranstaltung vor:
Juristisch ist es unerheblich, ob der Gemeinderat beschlossen hat, was er beschließen wollte oder etwas anderes. Ein Beschluss ist ein Beschluss.
Eine nachträgliche Änderung sei nicht möglich – nur die Aufhebung des Beschlusses, um dann möglicherweise einen neuen zu fassen.
Die Argumentation des Rechtsanwalts Dr. Thomas Burmeister im Sinne der Verwaltung, die Bürger hätten ausreichend Zeit gehabt, ein initiierendes Bürgerbegehren anzustreben, ist ebenfalls unerheblich, denn die BI hat ein “kassierendes Bürgerbegehren” verlangt. Der Unterschied: Im einen Fall wollen die Bürger etwas erreichen, im anderen etwas verhindern.
Zulässig oder nicht zulässig?
Vor Gericht dürfte nur der eine Aspekt zentral sein: Ist das Bürgerbegehren zulässig? Ja oder nein. Betrachtet man sich die beiden unterschiedlichen Argumentationsketten in den Gutachten, darf man davon ausgehen, dass dies eben nicht klar ist. Auch Burmeister formuliert oft in “Annahmen”.
Sollte der Gemeinderat beschließen, dass das Bürgerbegehren nicht zulässig ist, so kann jeder der fast 4.700 Unterzeichner gegen den Beschluss klagen.
Sollte der Gemeinderat das Bürgerbegehren zulassen, kann der OB Einspruch einlegen, es wird neu verhandelt, bleibt es bei dem Ergebnis, kann der OB erneut widersprechen, dann würde das Regierungspräsidium entscheiden und sollte dies im Sinne einer “Unzulässigkeit” geschehen, könnte wieder jeder Unterzeichner dagegen klagen.