Standpunkt: Morden Beamte privat?, NJW-aktuell 40/2025, S. 15

Die Versorgung eines Beamten im Ruhestand ist verfassungsrechtlich garantiert. Sie gilt mit der Einschränkung: Nur die Verurteilung durch ein deutsches Gericht kann für Bundes- und die meisten Landesbeamten unmittelbar zur Aberkennung des Ruhegehalts führen. Das Bundesverwaltungsgericht hält am eindeutigen Wortlaut des Gesetzes fest.

Der in Leipzig verhandelte Fall (Urt. v. 4.9.2025 – 2 C 13/24) hat in der öffentlichen Berichterstattung besonders der Boulevardmedien Störgefühle hervorgerufen: Der „Höhlenmörder“ von Teneriffa muss vom deutschen Staat weiter versorgt werden. Und tatsächlich hat ein Ruhestandsbeamter des Bundes weiterhin Versorgungsansprüche, obwohl er wegen der Tötung seiner von ihm in Trennung lebenden Ehefrau sowie eines der zwei gemeinsamen Söhne in Spanien wegen zweifachen Mordes sowie versuchten Mordes des zweiten Sohnes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zu Freiheitsstrafen von 23 und 16 Jahren verurteilt worden war. Die Bundesagentur für Arbeit, bei der der Beamte zuletzt aktiv bis 2011 beschäftigt war, leitete ein Disziplinarverfahren ein und erhob 2022 Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts. Diese Klage, eine Klage sui generis nach altem Disziplinarrecht, sowie das anschließende Berufungs- und Revisionsverfahren sind ohne Erfolg geblieben. Die Disziplinarklage sei zwar zulässig, weil der Beklagte nicht schon aufgrund des spanischen Strafurteils seine Rechte als Ruhestandsbeamter verloren habe. Sie sei aber unbegründet. Nach geltendem Recht unterliege ein Ruhestandsbeamter nur noch eingeschränkten Dienstpflichten, insbesondere dürfe er sich nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen. Die vom Beklagten begangene Straftat werde hiervon nicht erfasst. Die Motive der Morde und des Mordversuchs seien „privater“ Natur.

Die Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts ist – entgegen der missverständlichen Pressemitteilung Nr. 62/2025 des Bundesverwaltungsgerichts – erst seit 2024 nach Bundesrecht dem deutschen Dienstherrn vorbehalten. Für den verhandelten Altfall obliegt ihm die Entscheidung über die Erhebung der Disziplinarklage, die Entfernungs- und Aberkennungsentscheidung wiederum den Disziplinargerichten. Wie im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung die Begehung einer Straftat nicht zum Verlust des Anspruchs auf Altersrente führt, lässt auch die vom Ruhestandsbeamten im Ausland begangene Straftat seinen Pensionsanspruch unberührt. Nur eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des GG ist damit nicht vereinbar. Die Begehung einer Straftat genügt für sich genommen zur Aberkennung des Ruhegehalts dagegen nicht. Dies gilt für Mord und sogar für die Begehung eines Femizids, der aber weder in der deutschen Rechtsordnung definiert noch durch das spanische Strafgericht ausdrücklich nicht festgestellt worden war. Auf diese enge Auslegung, die sich zwingend aus dem Wortlaut des § 41 BBG und des § 59 BeamtVG ergibt, hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits 2018 hingewiesen (NVwZ-RR 2018, 393). Es befindet sich damit in einer Linie schon mit der über 100 Jahre alten Rechtsprechung des Reichsdisziplinarhofs, der in ähnlichen Konstellationen streng entschied (Urt. v. 22.9.1924 – 110/24). Gleichwohl hat der Bundestag hieraus bei der Novelle des Bundesdisziplinarrechts 2024 keinen Änderungsbedarf abgeleitet.

Lückenschließung durch Gesetzgeber

Wer gleichwohl rechtspolitisch der Meinung sei, die automatische Aberkennung des Ruhegehalts müsse auch auf EU-ausländische Urteile ausgedehnt werden, kann für sich in Anspruch nehmen, dass der Strafklageverbrauch konsequenterweise auch auf das Disziplinarrecht ausgedehnt würde. Nach der spanischen Verurteilung war für eine deutsche Strafverhandlung und Verurteilung kein Raum mehr. Insofern musste die im konkreten Fall entstandene Lücke entstehen. Sie kann durch den Gesetzgeber geschlossen werden, aber eben nur durch ihn. Dies betrifft die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wie auch der meisten Bundesländern. Brandenburg und Nordrhein-Westfalen haben dies bereits in § 11 I Nr. 1 BbgBeamtVG bzw. § 74 III LBeamtVG NRW vorgemacht. Dort gehen die Versorgungsansprüche verloren und die Betroffenen werden mit deutlich geringerem Ertrag in der DRV Bund nachversichert. Die Lücke kann bei Bedarf auch differenziert geschlossen werden, etwa ausschließlich für Kapitalverbrechen. In jedem Fall stünden die übrigen EU-Staaten dem nicht im Wege. Die Richtlinien 2005/36/EG und 2013/55/EU halten für die notwendige Informationsübermitteilung aus dem Ausland an deutsche Dienstherrn bereits notwendige Rechtsgrundlagen vor.

Rechtsanwalt Robert Hotstegs ist Geschäftsführer des Düsseldorfer Instituts für Dienstrecht (difdi)