Der Kirchengerichtshof der Ev. Kirche in Deutschland hat zu zwei grundlegenden prozessualen Fragen in einem Urteil vom 23.11.2018 Stellung bezogen. Die Entscheidung ist Ende März 2019 den Parteien zugestellt worden.
Ausgangspunkt des Verfahrens war ein verzögertes Kostenfestsetzungsverfahren. Nachdem ein Kirchenbeamter vor der Disziplinarkammer in einem Verfahren obsiegte, wurde sein Kostenfestsetzungsantrag anschließend nicht beschieden. Auch eine förmliche Verzögerungsrüge und die später erhobene Entschädigungsklage änderten hieran zunächst nichts. Der Kostenfestsetzungsbeschluss erging erst rund 28 Monate nach Antragstellung.
In dem Verfahren hatte der Verwaltungssenat des Kirchengerichtshofs zunächst zu klären, ob er selbst zuständig war und auch wirksam zuständig geworden war. Hierfür war die Frage entscheidend, ob der Verwaltungssenat ein Gericht oder „nur“ einen Spruchkörper innerhalb eines Gerichts darstellt. Der Kirchengerichtshof entschied, dass jedenfalls ab dem Jahr 2011 Verwaltungshof (als Verwaltungssenat) und Disziplinarhof (als Disziplinarsenat) Spruchkörper des einen Kirchengerichtshofs seien. Zwischen ihnen seien daher formlose Abgabe anstelle von förmlichen Verweisungsbeschlüssen möglich.
Ob dies mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar ist, der weiterhin den Verwaltungsgerichtshof wie den Disziplinarhof zur jeweils zweiten Instanz bestimmt und ihnen etwa auch eigenständige Geschäftsstellen zuweist, ist ebenso fraglich, wie die bisherige gerichtliche Praxis, wonach jedenfalls bis zum Jahr 2015 noch Entscheidungen als Verwaltungsgerichtshof und bis 2013 als Disziplinarhof ergangen sind. Diese Widersprüche löst das aktuelle Urteil nicht auf.
Darüber hinaus hat der Senat seine bereits in einem vorangegangenen Gerichtsentscheid geäußerte Rechtsauffassung bestätigt, dass die Regelungen zur überlangen Verfahrensdauer und zur Entschädigungsklage weder durch einen Verweis aus dem VwGG.EKD, noch aus dem DG.EKD Anwendung finden. Sie bedürften eines ausdrücklichen Anwendungsbefehls und würden überdies Fremdkörper im kirchlichen Prozessrecht darstellen.
Auch die Beantwortung dieser Frage muss kritisiert werden. Denn im Ergebnis nimmt damit die kirchliche Rechtsprechung für sich zeitliche Narrenfreiheit in Anspruch. Dies entspricht zunächst natürlich sowohl der innerkirchlichen Unabhängigkeit der Gerichte wie auch der Selbstverwaltung der Religionsgesellschaften gegenüber dem Staat (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV). Der Kirchengerichtshof übersieht aber die Konsequenz seiner Lesart: stellen weder die Kirchengerichte selbst, noch der kirchliche Gesetzgeber einen effektiven und damit auch zeitnahen Rechtsschutz sicher, obliegt es weiterhin dem Staat diese Rechtsschutzlücke zu schließen. Betroffene sind daher zukünftig angehalten, parallel zu laufenden kirchengerichtlichen Verfahren auch staatlichen Rechtsschutz zu suchen, um sich bei überlanger Verfahrensdauer effektiv zur Wehr setzen zu können. Der Staat wiederum wäre nach der EMRK verpflichtet, hier für entsprechenden Schutz zu sorgen. Damit wäre es die Kirche selbst, die staatliches Handeln in eigenen Selbstverwaltungsangelegenheiten erforderlich macht.
Die Entscheidung lautet im Volltext:
„keine Entschädigung für überlange Verfahrensdauer vor ev. Kirchengerichten, Kirchengerichtshof der EKD, Urteil v. 23.11.2018, Az. 0135/3-2018“ weiterlesen