Standpunkt: Bürgerfreundlichere Pressearbeit der Gerichte, NJW-aktuell 48/2025, S. 15

Robert Hotstegs

Die Pressearbeit von Justizbehörden und Gerichten gehört nicht nur zum behördlichen Standard, sondern auch zum guten Ton. Die wenigen rechtlichen Grundlagen sehen aber stets eine Lücke vor: Pressearbeit richtet sich ausschließlich an die Medien. So kann es passieren, dass Parteien aus der Presse vom Ausgang „ihres“ Verfahrens erfahren. Das darf nicht sein.

Die Neubesetzung der Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts war diesem eine Pressemitteilung wert (v. 1.9.2025). Eine Richterin und ein Richter nehmen in Leipzig die Öffentlichkeitsarbeit war. Sie sind Mitglieder zweier Revisionssenate und entlastet für die Pressearbeit als Verwaltungsaufgabe des Gerichts. Eine im „Pakt für den Rechtsstaat“ 2019 vorgesehene weitere Stelle wurde seinerzeit nicht besetzt (lto.de v. 26.2.2020) und ist heute nicht mehr ausgeschrieben.

So handhaben es alle Gerichte: Richter werden teilweise für die Tätigkeit freigestellt, gelegentlich auch nicht. Gerade weil sie – nicht in eigenen Verfahren – die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, Jahrespressegespräche organisieren, Terminvorschauen sowie Interviews und gelegentlich sogar FAQ-Listen (VerfGH NRW, Fragen und Antworten zu den Urteilen vom 21.11.2017, Az. VerfGH 9, 11, 15, 16, 17, 18, 21/16) herausgeben, verblüfft es, dass die Prozessparteien unberücksichtigt bleiben. Die Pressestellen sprechen über sie, aber nicht mit ihnen.

Die Mitteilung an Beteiligte, dass ihr Verfahren in das Jahrespressegespräch oder eine Terminvorschau aufgenommen wird, ist nicht vorgesehen. Ob eine Pressemitteilung in einem Verfahren herausgegeben wird, erfahren sie zufällig. Presserichtlinien regeln nur die Information anderer Justizbehörden.

So wurde Ende April 2021 beim VerfG Bbg ein Eilverfahren (Az. VfGBbg 10/21 EA, BeckRS 2021, 11787) elektronisch eingeleitet. Obwohl das Gericht es ebenfalls elektronisch bearbeitete, veranlasste es am 5.5.2021 um 16:06 Uhr per Fax eine Zustellung seines Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis.

Das Verfahren betraf Fragen der Kommunalwahlen unter Corona-Bedingungen. Die Antragstellerkanzlei war vor Ort nicht besetzt, das Fax im Homeoffice noch nicht gesichtet und folgerichtig das Empfangsbekenntnis nicht abgegeben. Gleichwohl gab das Gericht, ohne die Zustellung abzuwarten, eine Pressemitteilung noch am selben Nachmittag heraus. Pressevertreter kontaktierten die Antragsteller am Abend mit der Bitte die negative Entscheidung zu kommentieren, weil in wenigen Minuten Redaktionsschluss sei. Nur eine schnelle Recherche ergab den Eingang per Fax, sodass noch eine Stellungnahme möglich war.

Ähnlich in einem Verfahren von Ratsmitgliedern und einer Stadtratsfraktion vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (1 K 6863/24): Die Klage berührte Informationsrechte und -pflichten anlässlich der Beratung einer Millionen-Investition im Stadtrat. Das Verfahren war in die Terminvorschau der Pressestelle aufgenommen worden. Die mündliche Verhandlung wurde von Medienvertretern besucht. Sie notierten anlässlich der Erörterung des Sach- und Streitstandes, dass die Richter äußerten, für einen Oberbürgermeister sei „die Information der Presse noch vor den Ratsmitgliedern nicht in Ordnung“ (Rheinische Post v. 29.8.2025).

Sodann zog sich die Kammer zur Beratung zurück und bot die telefonische Abfrage der Entscheidung an. Eine Verkündung sollte ohne Publikum erfolgen. Die Abfrage war bis zum Feierabend der Geschäftsstelle möglich, allerdings überschritt die Beratung der Kammer diesen Zeitpunkt. Die Folge lag auf der Hand: die Entscheidung wurde im leeren Saal verkündet, die Pressestelle verschickte eine vorbereitete Pressemitteilung an die Medien. Die Parteien erfuhren von diesen, wie das Verfahren entschieden war. War jetzt die Information der Presse vor den Beteiligten „in Ordnung“?

Das BVerfG beschreitet seit zwei Jahren einen anderen Weg. 2023 trat an die Stelle der vertraulichen Karlsruher Presseinformationen eine Wochenvorschau auf der Homepage des Gerichts, jeden Freitag um 9:30 Uhr. (ausführlich lto.de v. 01.09.2023) Entscheidungen werden den Parteien postalisch und wenigstens eine Stunde vor den Medien auch elektronisch übersandt.

Minimaler Aufwand, außerordentliche Wirkung

Das Prozess- und Gerichtsorganisationsrecht regelt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte nicht. Es ist den Justizministerien oder der Selbstverwaltung vorbehalten, durch Richtlinien die Zusammenarbeit mit den Medien zu ordnen. Genau hier liegt der einfachste Hebel, die Parteien der Verfahren nicht zum bloßen Objekt der Berichterstattung zu machen: die Pressestellen der Gerichte sind frei, die Spruchkörper zu informieren und können umgekehrt sogar in deren Auftrag die Parteien kontaktieren. Eine Übersendung einer Pressemitteilung an die betroffenen Verfahrensbeteiligten stellt einen organisatorisch eher geringen Mehraufwand dar. Die Wirkung bei den Betroffenen wäre aber außerordentlich groß. Wer macht den Anfang?

Rechtsanwalt Robert Hotstegs, Düsseldorf

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