Einstellungsaltersgrenze von 40 Jahren wohl verfassungsgemäß, Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2011, Az. 2 B 2/11

Achtung: Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben worden. Siehe: Altershöchstgrenzen für die Verbeamtung in NRW verfassungswidrig, Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 21.05.2015.

Wie bereits mehrfach berichtet (u.a. hier) ist die Altersgrenze für Verfahren auf Verbeamtung in NRW heftig umstritten. Die ursprüngliche Altersgrenze von 35 Jahren wurde nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Februar 2009 aufgehoben und im Juli 2009 vom Verordnungsgeber durch die neue 40-Jahres-Grenze ersetzt. Hiergegen richten sich eine Vielzahl von Klagen. Erstmals hatte das Bundesverwaltungsgericht nun über die zugrundeliegenden Rechtsfragen im Rahmen einer sogenannten „Nichtzulassungsbeschwerde“ zu entscheiden.

Dem war eine negative Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vorangegangen gegen die das Gericht selbst keine Revision zugelassen hatte. Hiergegen richtete sich der betroffene Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Leider hatte diese nun keinen Erfolg. In der erst jetzt veröffentlichten Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem amtlichen Leitsatz aus:

Die Einstellungsaltersgrenze von 40 Jahren (§§ 6, 52 Abs. 1 und 84 Abs. 2 LVO NRW in der ab 18. Juli 2009 geltenden Fassung) ist mit höherrangigem Recht vereinbar und findet auch auf diejenigen Anträge auf Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis Anwendung, die im Zeitraum zwischen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 (BVerwG 2 C 18.07BVerwGE 133, 143 = Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 6) und dem 18. Juli 2009 gestellt worden sind.

 

Und in den Gründen der ablehnenden Entscheidung heißt es sodann ausführlich:

„2. Der Sache nach wirft die Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, ob § 6, § 52 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 LVO NRW n.F. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam sind. Diese Frage kann jedoch anhand der vorliegenden Senatsrechtsprechung im verneinenden Sinne beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines (weiteren) Revisionsverfahrens bedarf.

2.1 Nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. darf als Laufbahnbewerber für die Laufbahnen u.a. der Lehrer an Schulen in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Eine derartige Einstellungsaltersgrenze schränkt den Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) ein, dessen Geltung für den Zugang zu öffentlichen Ämtern unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird. Bewerber dürfen nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Das Lebensalter kann nur dann ein Eignungsmerkmal sein, wenn die Annahme berechtigt ist, dass ein Bewerber typischerweise den Anforderungen eines Amtes nicht mehr genügt, wenn er ein bestimmtes Alter überschreitet (vgl. zum Polizeivollzugsdienst BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – BVerwG 2 C 31.08 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 44; zum Feuerwehrdienst EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 – C-229/08 Wolf -, NVwZ 2010, 244). Im Übrigen können Altersgrenzen den Leistungsgrundsatz nur einschränken, soweit sie im Lebenszeitprinzip als einem durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums angelegt sind und die beiden gegenläufigen Verfassungsgrundsätze in einen angemessenen Ausgleich bringen (Urteil vom 19. Februar 2009 – BVerwG 2 C 18.07BVerwGE 133, 143 <145 f.> = Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 6).

Gemessen an diesen Anforderungen ist das Einstellungshöchstalter des vollendeten 40. Lebensjahres (§ 6 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 LVO NRW n.F.) nicht zu beanstanden. Das Lebensalter stellt für den Lehrerberuf zwar kein Eignungsmerkmal dar. Die Regelung ist jedoch gerechtfertigt. Sie beruht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (§ 5 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen). Der mit ihr verfolgte Zweck, ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sicherzustellen und dem Interesse des Dienstherrn an ausgewogenen Altersstrukturen zu entsprechen, bringt die beiden gegenläufigen Verfassungsgrundsätze des Leistungsgrundsatzes sowie des Lebenszeitprinzips in einen angemessenen Ausgleich. Der Verordnungsgeber hat den ihm zukommenden Spielraum bei der Festlegung einer Altersgrenze auch nicht überschritten. Denn er hat die Verhältnismäßigkeit des normierten Höchstalters durch mehrere dem Gesetzesvorbehalt entsprechende Ausnahmemöglichkeiten gesichert. § 6 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. sind auch am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und des Unionsrechts nicht zu beanstanden (vgl. zum AGG und zur Richtlinie 2000/78/EG, bezogen auf die alte Fassung der LVO NRW, Urteil vom 19. Februar 2009, a.a.O., S. 146 ff.).

2.2 Die Neufassung der nordrhein-westfälischen Laufbahnverordnung ermöglicht eine Überschreitung der Altersgrenze zunächst in den typischen Verzögerungsfällen, in denen sich die Einstellung oder Übernahme wegen der Ableistung einer Dienstpflicht nach Art. 12 a GG, wegen der Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr, wegen der Geburt oder Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen verzögert hat, ohne dass die Verwaltung insoweit eine Ermessensentscheidung zu treffen hätte (§ 6 Abs. 2 LVO NRW n.F., vgl. Urteil vom 19. Februar 2009, a.a.O., S. 152 f.). Zudem ist die Altersgrenze zugunsten von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen auf 43 Jahre festgesetzt (vgl. Urteil vom 19. Februar 2009 – BVerwG 2 C 55.07 – Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 7). In Fällen, in denen eine Verbeamtung an Verhaltensweisen der Bewerber scheitern würde, die im öffentlichen Interesse liegen, ist damit ein nicht der freien Entscheidung der Verwaltung überlassener Ausgleich geschaffen worden.

Zusätzlich können nach § 84 Abs. 2 Nr. 1 LVO NRW n.F. Ausnahmen vom Einstellungshöchstalter zugelassen werden, wenn in Einzelfällen oder Gruppen von Fällen der Dienstherr ein erhebliches dienstliches Interesse an der Gewinnung oder Bindung von Bewerbern hat. Diese Regelungen werden auch im Hinblick auf die darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe dem rechtsstaatlichen Gebot der Normklarheit gerecht. Sie ermöglichen eine vorhersehbare und einheitliche Verwaltungspraxis, weil insbesondere der Begriff des erheblichen dienstlichen Interesses durch § 84 Abs. 2 Satz 2 LVO NRW n.F. näher bestimmt wird und im Zusammenhang des geregelten Sachgebiets sachgerecht ausgelegt werden kann (vgl. Urteile vom 13. August 2008 – BVerwG 2 C 41.07 – Buchholz 237.7 § 48 NWLBG Nr. 2, Rn. 10, vom 30. März 2006 – BVerwG 2 C 23.05 – Buchholz 236.2 § 76 c DRiG Nr. 1, und vom 25. Juni 2009 – BVerwG 2 C 68.08 – Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1). Er zielt auf die für die Einstellung von Lehrern in den Schuldienst praktisch relevante und häufig anzutreffende Situation eines Bewerbermangels bei bestimmten Fächern oder Fächerkombinationen; in solchen Situation kann es erforderlich sein, durch die begrenzte Abweichung von dem geltenden Einstellungshöchstalter Anreize zu schaffen, um die Versorgung der Schulen mit qualifiziertem Lehrpersonal zu sichern. In welchem Umfang Abweichungen von § 6 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 LVO NRW n.F. jeweils ermessensgerecht sind, welche Fächer bzw. Fächerkombinationen betroffen sind und welche Umstände der jeweiligen Bedarfssituation in die Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme vom Einstellungshöchstalter einzufließen haben, sind hingegen Fragen des Einzelfalles, die sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren entziehen.

Eine weitere Ausnahme vom Einstellungshöchstalter ist nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 LVO NRW n.F. in Einzelfällen unverschuldeter Verzögerung des beruflichen Werdegangs zulässig, in denen die Anwendung der Altersgrenze unbillig wäre. Auch diese Regelung ist in einer dem Gebot der Normklarheit genügenden Weise als eng gefasste und an eine Nachweisobliegenheit des Bewerbers geknüpfte Ausnahme vom Einstellungshöchstalter zu verstehen und bietet der Verwaltung nicht die Möglichkeit, ohne jede Bindung an normative Vorgaben eine Praxis im Widerspruch zur Laufbahnverordnung zu begründen. Auch insoweit ist allerdings im Revisionsverfahren die abschließende Klärung aller einzelfallbezogenen Aspekte der Rechtsanwendung nicht möglich.

2.3 Eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Frage ist auch nicht im Hinblick darauf anzunehmen, dass höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nur zu einer früheren Fassung der Laufbahnverordnung, nicht aber zu der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung ergangen ist. Denn es bedarf keines Revisionsverfahrens, wenn sich – wie hier – die aufgeworfene Frage auf der Grundlage der bisher ergangenen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt. Der Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 lassen sich die relevanten Maßstäbe für die Auslegung und Anwendung der im vorliegenden Fall geltenden Neufassung der Vorschrift – die vom Verordnungsgeber in Umsetzung dieser Entscheidung geschaffen worden ist – entnehmen. Schließlich verleiht auch der Umstand, dass zahlreiche vergleichbare Fälle bei den Gerichten anhängig sind, der Rechtssache für sich genommen keine grundsätzliche Bedeutung.

Das Gericht selbst lehnt damit die Durchführung eines Revisionsverfahrens ab. Daher ist derzeit zu befürchten, dass auch die weiteren beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren, die u.a. auch durch mehrere Sprungrevisionen gegen gerichtliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte direkt möglich wurden, ebenfalls in diesem Sinne entschieden werden.

Es ist für alle laufenden Verfahren dringend zu überprüfen, inwieweit die neue Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Anwendung findet. Dies umso mehr, als das Gericht nämlich auch die vielfach vorgetragenen Rügen, dass die Gleichstellungsbeauftragten nicht hinreichend an den Verbeamtungsverfahren beteiligt und die neue Laufbahnverordnung nicht rechtmäßig zustande gekommen sei, ebenfalls nicht als „rechtsgrundsätzlich bedeutsam“ erachtet hat.

 

Volltext der Entscheidung