Steuerschaden kann eingeklagt werden, Kommentar zum Sächsischen Landesarbeitsgericht, Urteil v. 27.01.2014, Az. 4 Ta 268/13

Kommt es zu Bezügenachzahlungen für Vorjahre, so können diese Zahlungen zusammen mit den laufenden Bezügen im Steuerjahr zu einer progressionsbedingten erhöhten Steuerbelastung führen. Dieser steuerliche Nachteil kann vom Beamten als Schaden geltend gemacht werden (sog. Steuerschaden).

Dass für diesen Steuerschaden bei arbeitsrechtlichen Vergütungsansprüchen der Rechtsweg zum Arbeitsgericht gegeben ist, hat in diesem Jahr das Sächsische Landesarbeitsgericht entschieden. „Übersetzt“ auf das Beamtenrecht sind für Steuerschäden die Verwaltungsgerichte zuständig. Hierzu gibt es auch vereinzelte Rechtsprechung.

Im Ausgangsfall hatten sich Mitarbeiter und Arbeitgeber um die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Die Kündigung war rechtswidrig und so kam es im Jahr 2012 zu einer Nachzahlung von Gehalt für die Jahre 2010 und 2011. Steuerlich darf dies aber nicht „zurückgerechnet“ werden. Es kam daher zu mehr als 6.000,- € höheren Steuern für den Mitarbeiter.

Das Landesarbeitsgericht führte hierzu aus:

„Die Beklagte hat vorliegend die Vergütung des Klägers für die Jahre 2010 und 2011 verspätet, nämlich in einer Gesamtsumme erst im Jahre 2012 gezahlt; sie befand sich damit im Schuldnerverzug.

Die Fälligkeit der Annahmeverzugsvergütung bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Vergütung bei ordnungsgemäßer Abwicklung fällig geworden wäre. Die Ansprüche entstehen auch während des Kündigungsschutzprozesses unbedingt und werden fällig, wie wenn die Dienste wirklich geleistet worden wären (vgl. nur BAG 10. April 1963 – 4 AZR 95/62BAGE 14, 156, 160; 4. Mai 1977 – 5 AZR 187/76BAGE 29, 152, 156; Großer Senat 27. Februar 1985 aaO BAGE 48, 122, 144 f., zu C II 1 b der Gründe). Es bedurfte keiner Abmahnung des Klägers. Die Zahlungen waren nach dem Kalender bestimmt (§ 284 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 614 Satz 2 BGB).

Kommt es zu Gehaltsnachzahlungen für Vorjahre, so können diese Zahlungen zusammen mit den laufenden Gehaltszahlungen im jeweiligen Steuerjahr zu einer progressionsbedingt erhöhten Steuerbelastung führen. Dieser steuerliche Nachteil kann vom Arbeitnehmer als Schaden im Sinne der §§ 249 ff. und 286 BGB bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen geltend gemacht werden.

Zu dem Verzugsschaden gem. § 286 Abs. 1 BGB kann auch ein durch die verspätete Zahlung entstandener Steuerschaden gehören (vgl. BAG, Urteile vom 23. September 1999 – 8 AZR 791/98 – nv.; vom 23. September 1999 – 8 AZR 792/98 – nv.; vom 27. Mai 1999 – 8 AZR 322/98 – nv.; vom 18. Februar 1999 – 8 AZR 320/97 – nv.; vom 14. Mai 1998 – 8 AZR 633/96 – nv.; vom 14. Mai 1998 – 8 AZR 634/96 – NZA-RR 199, 511; vom 14. Mai 1998 – 8 AZR 158/97AuA 1999, 34). Nach dem im Steuerrecht geltenden „Zuflussprinzip“ (§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 38 Abs. 2 Satz 2, § 38 a Abs. 1 EStG) sind Arbeitsvergütungen grundsätzlich im Steuerjahr des Zuflusses zu versteuern. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsvergütung für ein dem Steuerjahr vorangegangenes Beschäftigungsjahr an den Arbeitnehmer nachgezahlt wird. Kommt es danach, wie im Streitfall, zu Nachzahlungen aus den Vorjahren, so kann die einmalige Zahlung zusammen mit der Zahlung der laufenden Arbeitsvergütung im Steuerjahr zu einer ‚progressionsbedingten‘ erhöhten Steuerbelastung führen. Auch dieser steuerliche Nachteil kann als Verzugsschaden bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 286 Abs. 1, § 284 Abs. 2 Satz 1, § 285 BGB geltend gemacht werden. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dieser Steuerschaden könne dem Arbeitgeber nicht im Sinne von § 286 BGB normativ zugerechnet werden. Zwar beruht der finanzielle Nachteil des Arbeitnehmers auf einer Anwendung zwingender Steuervorschriften. Zu dem möglichen Steuerschaden ist es aber nur deshalb gekommen, weil die Beklagte als die Arbeitgeberin nicht fristgerecht geleistet hat. Indem das Gesetz dem Arbeitgeber die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten des Arbeitnehmers treuhänderisch auferlegt, bezweckt es gerade auch den Schutz der steuerlichen Interessen des Arbeitnehmers. Die regelmäßige Zahlung der Bruttovergütung soll ein gleichmäßiges und berechenbares Einkommen des Arbeitnehmers sichern. Die genannten steuerrechtlichen Nachteile sind daher von der Ersatzpflicht mit erfasst. Sie sind das spiegelbildliche Gegenstück für die Anrechnung von steuerlichen Vorteilen im Wege des Vorteilsausgleichs (vgl. BAG, Urteil vom 19.10.2000 – 8 AZR 20/00 – zitiert in juris, hierzu auch BGH 18. Dezember 1969 – VII ZR 121/67BGHZ 53, 132, 134).

Vorliegend hat der Kläger mit seiner Klage vom 08.05.2013 von der Beklagten gemäß §§ 286 Abs. 1, 280 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB Ersatz des Steuerschadens verlangt. Letztendlich hat die Beklagte dies mit Anerkenntnis, das sich im Anerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts vom 17.07.2012 unter Ziff. 1, Az.. 4 Ca 4072/12 befindet, dem Grunde nach diese Ansprüche bereits auch rechtskräftig anerkannt. Bei dem Anspruch des Klägers wegen Steuermehrbelastung bzw. Steuerschadens handelt es sich somit um einen arbeitsvertraglichen Anspruch gem. §§ 280, 249 ff. BGB.

Auch im Beamtenrecht ist der Ersatz für einen sogenannten Steuerschaden grundsätzlich möglich.

Voraussetzung für den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend zu machenden Schadensersatzanspruch wegen einer Fürsorgepflichtverletzung ist grundsätzlich, dass

  1. die Behörde eine entsprechende Verpflichtung dem Beamten gegenüber verletzt hat, dass
  2. dies schuldhaft geschah,
  3. die geltend gemachten Schäden kausal (und zurechenbar) auf diese Verletzung zurückzuführen sind und
  4. den Beamten kein überwiegendes Mitverschulden trifft (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Urteil v. 07.02.2001, Az. 2 L 437/99 mit weiteren Verweisen auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 17.10.1985, Az. 2 C 12.82, NVwZ 1986, 481 ff.; OVG Lüneburg, Urteil v. 28.11.2000, Az. 2 L 4819/97, S. 10 d. UA).

Diese Detailprüfung kann nach der Rechtsprechung dann entfallen, wenn die Behörde den Schaden „dem Grunde nach“ bereits anerkannt hat. Dies kann zum Beispiel in Schreiben und Bezügemitteilungen erfolgt sein, wenn dort etwa eine Amtszulage nachgezahlt wird. Dann sind diese Mitteilungen als ein solches Anerkenntnis eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach anzusehen. Zwar findet sich in diesen Schreiben typischerweise nicht ausdrücklich der Satz, dass „ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach anerkannt wird“. Dies ist aber nach der Rechtsprechung auch nicht erforderlich; ein solches Anerkenntnis kann vielmehr auch konkludent erfolgen. Ein solches konkludentes Anerkenntnis ergibt sich jedoch eindeutig aus dem Inhalt derartiger Schreiben und den darauf beruhenden Nachzahlungen (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Urteil v. 07.02.2001, Az. 2 L 437/99).

Ist allerdings ein Verschulden des Beamten ersichtlich oder liegt ein rechtlich grenzwertiger Ausgangsfall vor (hier: Entlassung war rechtswidrig, aber von einer gerichtlichen Instanz zunächst mitgetragen worden), ist ein solcher Schadensersatz auch von den Gerichten bereits abgelehnt worden. (VG München, Urteil v. 15.07.2003, Az. M 5 K 02.4236) Wir empfehlen daher in jedem Einzelfall eine eingehende Prüfung. Eine erste Einschätzung ist häufig auch schon in der Erstberatung möglich.

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