Behörden müssen grundsätzlich Aussagegenehmigungen für Beamte erteilen, Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 04.09.2015, Az. 6 B 837/15

Im Rahmen eines laufenden, komplexen Strafverfahrens hat ein Angeklagter die Zeugenbefragung einer Staatsanwältin beantragt. Hierfür ist nach dem Beamtenrecht eine Aussagegenehmigung erforderlich. Diese wurde aber verweigert. Der Streit hierum wurde dann parallel zum laufenden Strafverfahren bei den Verwaltungsgerichten geführt. Der Antragsteller gewann in beiden Instanzen: bereits im Eilverfahren wurde die Staatsanwaltschaft verpflichtet, die notwendige Aussagegenehmigung zu erteilen.

Leitsätze des Gerichts:

Erlass einer vom Angeklagten beantragten einstweiligen Anordnung, mit der die Generalstaatsanwaltschaft verpflichtet wird, eine Aussagegenehmigung (§ 37 BeamtStG) für eine Zeugenaussage im Strafverfahren zu erteilen.

§ 37 Abs. 4 BeamtStG räumt dem Interesse an der Wahrheitsfindung grundsätzlich den Vorrang gegenüber dem Interesse an der Geheimhaltung dienstlicher Angelegenheiten ein. Die Versagung einer Aussagegenehmigung wegen ernstlicher Gefährdung oder erheblicher Erschwerung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (§ 37 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG) erfordert das Vorliegen von Gründen mit besonderem Gewicht.

Zur Vernehmung einer mit der Sitzungsvertretung betrauten Staatsanwältin zu behaupteten Fehlern im Ermittlungsverfahren.

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OVG NRW trödelt: 51 Monate Verfahrensdauer sind zu lang, Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil v. 28.09.2015, Az. 13 D 27/14

Es gibt diese Akten, die bei Gericht liegen und eine Entscheidung ist nicht in Sicht. Das ist besonders ärgerlich, wenn es sich über lange Zeit um Verfahrensabschnitte ohne mündliche Verhandlung handelt. Hier lag nun der Antrag auf Zulassung der Berufung über 4 Jahre lang dem Senat vor, ohne dass das Verfahren voranschritt. Erst als eine Verzögerungsrüge erhoben wurde, ging dann alles „ganz schnell“. Entschädigung gab es aus besonderen Gründen des Übergangsrechts dennoch nicht.

eigene Leitsätze:

1. Der Begriff der überlangen Verfahrensdauer ist anhand des gesamten Verfahrens von Klageerhebung bis Rechtskraft zu bestimmen. Ein behördliches Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) wird nicht hinzugerechnet.

2. Die förmliche Verzögerungsrüge ist von der formlosen Sachstandsanfrage mit Beschleunigungsbitte abzugrenzen. Nur „echte“ Verzögerungsrügen können Entschädigungsansprüche auslösen.

3. Der Gesetzgeber wollte anständige Prozessbeteiligte nicht bestrafen. Grundsätzlich rügt die Verzögerungsrüge daher die vorangegangene und die nachfolgende Verzögerung.

4. Art. 23 Satz 2 ÜGRG findet nur auf Verfahren Anwendung, die bereits zum 03.12.2011 überlang anhängig waren. Nur in diesen Fällen wirkt die Verzögerungsrüge ausnahmsweise nur noch in die Zukunft. Auch die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer ist dann für die Zeit vor der Verzögerungsrüge ausgeschlossen. (Anschluss an Bundessozialgericht, Bundesfinanzhof, Bundesgerichtshof)

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ein Disziplinarverfahren darf man nicht „liegen lassen“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 28.09.2015, Az. 31 K 4167/15.O

Wir berichteten bereits im Frühjahr über den Polizeipräsidenten, der ein Disziplinarverfahren verzögert. Er tat es nicht nur einmal.

Nun hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf erneut die Notbremse gezogen und eine Frist für die Behörde gesetzt.

Solche Beschlüsse haben Seltenheitswert. Entsprechende Anträge im geeigneten Moment zu stellen gehört aber gerade deswegen zu unserer anwaltlichen Arbeit dazu. „ein Disziplinarverfahren darf man nicht „liegen lassen“, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 28.09.2015, Az. 31 K 4167/15.O“ weiterlesen

Kirchenbeamtin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Württemberg, Beschluss v. 24.09.2015, Az. DG 1/05

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 21. September 2015 gegen Kirchenverwaltungsdirektorin A. als Beamtenbeisitzerin wird für begründet erklärt.

Gründe:

Der Beklagte lehnt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21. September 2015 Kirchenverwaltungsdirektorin A., die in vorliegender Sache als Beamtenbeisitzerin zur Entscheidung berufen ist, als befangen ab.

Über diesen Antrag entscheidet der Vorsitzende gem. § 54 Abs. 1 Satz 2 DG.EKD ohne die beisitzenden Mitglieder alleine.

Das zulässig angebrachte Gesuch ist begründet. „Kirchenbeamtin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, Disziplinarkammer der Ev. Landeskirche in Württemberg, Beschluss v. 24.09.2015, Az. DG 1/05“ weiterlesen

Jubiläumsfeier: seit 30 Jahren gegen die Mühlen der Behörden | Kanzlei | Pressemitteilung 2015-07

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 25.08.2015

::: Pressemitteilung 7/2015 :::

Jubiläumsfeier: seit 30 Jahren gegen die Mühlen der Behörden
Fachkanzlei für Beamten-, Disziplinarrecht und Bürgerbeteiligung einmalig in NRW

Düsseldorf. Die Tinte unter dem alten Mietvertrag von 1985 ist kaum verblasst. Vor dreißig Jahren eröffnete die heutige Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in der Mozartstraße in Düsseldorf. Die Adresse wurde zur Visitenkarte für das Beamten- und Disziplinarrecht oder die Bürgerbeteiligung. Auch das DDR-Recht gehörte zu den Spezialgebieten – eine letzte Akte ist noch 2015 Zeugin dafür. „Jubiläumsfeier: seit 30 Jahren gegen die Mühlen der Behörden | Kanzlei | Pressemitteilung 2015-07“ weiterlesen

Entlassung eines Beamten trotz Vertrauen der Behörde?, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 27.05.2015, Az. 2 B 16.15

Wenn ein Beamter im Rahmen eines Disziplinarverfahrens mit der Entlassung bedroht wird, greift der Dienstherr zur höchsten Sanktion, die das Gesetz zulässt. Allerdings entscheidet nicht die Behörde selbst hierüber, sondern (mit Ausnahme von Baden-Württemberg) das zuständige Disziplinargericht. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun in einer neu veröffentlichten Entscheidung noch einmal deutlich gemacht, dass das Gericht völlig unabhängig vom Dienstherrn entscheidet. Es kann dem Antrag stattgeben oder ihn ablehnen und insbesondere kann ein Beamter auch entlassen werden, obwohl er das gesamte Verfahren über weiterhin im Dienst belassen wurde. Das so geäußerte „Rest-Vertrauen“ des Dienstherrn steht der Entlassung also ausdrücklich nicht entgegen.

Das ist nicht in jedem Fall nachvollziehbar, passt aber zur Systematik des Disziplinarrechts, das vorsieht, dass die Dienstherrn noch nicht einmal einen konkreten Antrag (z.B. auf Entlassung) stellen müssen. Und selbst wenn sie einen stellen, ist das Gericht hieran nicht gebunden.

Daneben betont das Bundesverwaltungsgericht auch noch einmal die Pflicht in der Verhandlung – spätestens vor dem Oberverwaltungsgericht – notwendige Beweisanträge zu stellen. Andernfalls würden Rechte des Beamten verloren gehen. „Entlassung eines Beamten trotz Vertrauen der Behörde?, Bundesverwaltungsgericht, Beschluss v. 27.05.2015, Az. 2 B 16.15“ weiterlesen

Krach im Knast – unter den Angestellten, bild.de v. 04.08.2015

25 Disziplinarverfahren

Von PETER POENSGEN und UWE WOJTUSCHAK

Wuppertal/Düsseldorf – Neuer Krach um die Jugend-JVA in Wuppertal-Ronsdorf, die doch eigentlich ein Vorzeige-Knast sein sollte: In diesem Fall geht es aber nicht um Knackis, sondern um den Chef.

Mehrere Bedienstete stecken in einem aus ihrer Sicht unbegründeten Disziplinarverfahren.

Zudem klagten fünf Mitarbeiter gegen dienstliche Beurteilungen und nicht erfolgte Beförderungen, berichtete am Montag der WDR. „Krach im Knast – unter den Angestellten, bild.de v. 04.08.2015“ weiterlesen

Verfahrenseinstellung, weil Behörde das Disziplinarrecht nicht kennt, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 22.07.2015, Az. 35 K 4346/15.O

Disziplinarverfahren sind eine Herausforderung und eine Belastung zu gleich. Für Beamte wie auch für die Behörden. Macht es dann einen Unterschied, ob eine in Ermittlungen unerfahrene Gemeinde ein Verfahren führt und sich erstmalig im Disziplinarrecht bewegt oder ob eine geübte Ermittlungsbehörde das Verfahren führt? Die Realität belegt diese Vermutung nicht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit einem Beschluss vom 22.07.2015, der heute den Parteien zugestellt wurde, ein Disziplinarverfahren eines Polizeipräsidenten eingestellt, weil dieser auch auf eine vorherige Frist des Verwaltungsgerichts hin nicht reagiert hatte und das Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen hatte.

Die Disziplinarklage, die der Polizeipräsident nach Ablauf der gesetzten Frist bei Gericht eingereicht hat, ist somit im Ergebnis auch unzulässig und muss daher zurückgewiesen werden.

Die Behörde kann aber gegen den heute zugestellten Beschluss noch Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen einlegen.

Der Einstellungsbeschluss lautet im Volltext: „Verfahrenseinstellung, weil Behörde das Disziplinarrecht nicht kennt, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 22.07.2015, Az. 35 K 4346/15.O“ weiterlesen

Einstellung des behördlichen Disziplinarverfahrens durch ein Gericht, Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss v. 05.05.2014, Az. 8 A 9/14

Disziplinarverfahren stellen eine große Belastung für die Behörde, insbesondere aber für den betroffenen Beamten dar. Deshalb haben der Bundesgesetzgeber im Bundesdisziplinargesetz und alle Landesgesetzgeber in den Landesdisziplinargesetzen (die Ev. Kirche im DG.EKD) den Beschleunigungsgrundsatz vorgeschrieben. Wird ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt und abgeschlossen, kann der betroffene Beamte einen Antrag auf Fristsetzung beim zuständigen Verwaltungsgericht stellen (hierzu ausführlich Polizeipräsident verzögert Disziplinarverfahren, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 02.03.2015, Az. 35 K 8625/14.O). Wird diese Frist nicht eingehalten, stellt das Gericht im nächsten Schritt das behördliche Disziplinarverfahren von Amts wegen ein. Hiervor muss die Behörde nicht „gewarnt“ werden, da sich die Rechtsfolge aus dem Gesetz ergibt.

Das hat das Verwaltungsgericht Magdeburg bereits im vergangenen Jahr in einem Beschluss deutlich gemacht. Im Volltext heißt es: „Einstellung des behördlichen Disziplinarverfahrens durch ein Gericht, Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss v. 05.05.2014, Az. 8 A 9/14“ weiterlesen

Außerdienstlicher Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien kann bei Polizeibeamten zur Entfernung aus dem Dienst führen, Bundesverwaltungsgericht, Urteile v. 18.06.2015, Az. 2 C 9.14, 2 C 19.14 und 2 C 25.14

Der außerdienstliche (d.h. private) Besitz von kinderpornographischen Bild- oder Videodateien hat bei Polizeibeamten wegen ihres Amtes und des in sie gesetzten Vertrauens stets den für eine disziplinarische Ahndung erforderlichen Amtsbezug. Der Orientierungsrahmen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist in solchen Fällen bis zur Höchstmaßnahme eröffnet, kann also zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in drei Revisionsverfahren entschieden und dabei seine Rechtsprechung zu Fällen dieser Art fortentwickelt. „Außerdienstlicher Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien kann bei Polizeibeamten zur Entfernung aus dem Dienst führen, Bundesverwaltungsgericht, Urteile v. 18.06.2015, Az. 2 C 9.14, 2 C 19.14 und 2 C 25.14“ weiterlesen