Impfbefehl für Soldat:innen?, Bundesverwaltungsgericht, Az. 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelte heute erst- und letztinstanzlich über zwei Anträge von Offizieren gegen die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ab 24. November 2021 die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A 840/8 „Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen“ dahingehend geändert, dass neben der Tetanus-, Diphterie-, Pertussis-, Influenza-, Hepatitis- und FSME-Impfung nunmehr auch die Covid-19-Impfung verbindlich ist. Dementsprechend sind die Antragsteller angehalten worden, Impfangebote gegen das Coronavirus zu nutzen. Für diese Impfung bestehe nunmehr eine gesetzliche Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.

Die Antragsteller bestritten die Rechtsmäßigkeit der Änderung dieses Erlasses. Die Covid-19-Impfung sei nicht zur Verhütung übertragbarer Krankheiten geeignet. Sie verhindere eine Infektion oder Erkrankung nicht. Es sei auch nicht belegt, dass die Impfstoffe die Gefahr einer schweren Covid-19-Erkrankung verminderten. Die Verwendung der neuartigen mRNA-Impfstoffe stelle keine Impfung im herkömmlichen Sinne dar, sondern die Verabreichung einer genbasierten, experimentellen Substanz. Der Einsatz dieser Gentechnik sei hinsichtlich der Nebenwirkungen und Langzeitfolgen unzureichend erforscht. Darum liege nur eine bedingte Arzneimittelzulassung vor. Die Erforschung der Impfnebenwirkungen und -komplikationen werde in einem großen Feldversuch bei der Anwendung in der Gesamtbevölkerung nachgeholt. Dabei würden die tatsächlich eingetretenen Impfnebenwirkungen und -komplikationen von den Behörden erheblich untererfasst. Es drohten erhebliche Impfschäden, weswegen die Anordnung der Impfung unverhältnismäßig und unzumutbar sei. Der Impfzwang verstoße insbesondere gegen die Grundrechte der Antragsteller aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes sowie gegen Europa- und Völkerrecht. Die Verwendung der Impfstoffe sei sogar nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3a AMG strafbar, weil dieses Arzneimittel durch die Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln in seiner Qualität erheblich gemindert sei.

Das Bundesministerium der Verteidigung hielt den Antrag bereits für unzulässig, weil die Änderung der Verwaltungsvorschriften noch nicht in die Rechtssphäre des Soldaten eingreife. Im Übrigen sei die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der generell durchzuführenden Basisimpfungen rechtmäßig. Das Grundrecht der Soldaten auf körperliche Unversehrtheit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirksam eingeschränkt worden. Die Vorschrift erlaube die Anordnung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus Sars-Cov-2. Die Impfung diene der Verhütung einer übertragbaren Krankheit, auch wenn sie keinen vollständigen Schutz biete. Es genüge, dass sie die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und die Gefahr schwerer Verläufe reduziere. Dies sei auf Grund aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen und nach den Erhebungen des Robert-Koch-Instituts erwiesen. Mit der Schutzimpfung seien auch keine überproportional hohen Impfrisiken verbunden. Die Impfstoffanwendung werde laufend durch die zuständigen europäischen Stellen und das Paul-Ehrlich-Institut überwacht. Dieses komme in seinem Sicherheitsbericht zu dem Ergebnis, dass schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten auftreten und das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfung nicht ändern würden. Die Impfung verstoße auch nicht gegen nationale oder internationale Vorschriften.

Das Ergebnis der Beratungen wurde noch nicht bekannt.

NRW-Besoldung der Richter:innen und Beamt:innen in den Jahren 2013 und 2014 verfassungswidrig, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse v. 29.04.2022, Az. 26 K 2275/14, 26 K 6317/14, 26 K 258/15

Mit heute in öffentlicher Sitzung verkündeten Beschlüssen hat die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Regelungen über die Besoldung der Richter und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (konkret: Grundgehälter der Besoldungsgruppen R 1, R 2 und B 3) in den Jahren 2013 und 2014 mit dem sog. Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes vereinbar sind.

Die Kläger in drei Parallelverfahren sind zwei Richter (Besoldungsgruppen R 1 und R 2) sowie ein – inzwischen im Ruhestand befindlicher – Beamter (Besoldungsgruppe B 3) im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie machen mit ihren Klagen geltend, sie seien in den Jahren 2013 und 2014 nicht amtsangemessen besoldet worden.

Mit dem Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 erhöhte der Gesetzgeber die Grundgehälter der Beamten und Richter gestaffelt nach Besoldungsgruppen. Die Grundgehälter für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 wurden entsprechend dem Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst erhöht. Die Erhöhung für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 blieb hinter dem Tarifabschluss zurück. Für alle anderen Beamten sowie für die Richter und Staatsanwälte war keine Erhöhung vorgesehen. Mit Urteil vom 1. Juli 2014 – VerfGH 21/13 – entschied der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, dass diese Regelung verfassungswidrig war. Daraufhin erließ der Landtag ein Änderungsgesetz, das auch für die Besoldungsgruppen ab A 13 eine – allerdings gegenüber dem Tarifabschluss geringere – Erhöhung der Grundgehälter vorsieht. Nach der Überzeugung der Kammer ist diese Regelung, soweit sie die Besoldungsgruppen der Kläger betrifft, verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen materielle Anforderungen an die Besoldungsgesetzgebung herausgearbeitet. Außerdem ist eine besoldungsrechtliche Regelung bereits dann verfassungswidrig, wenn der Besoldungsgesetzgeber eine Besoldungsanpassung nur unzureichend begründet hat. Das ist hier der Fall. Die Gesetzgebungsmaterialien lassen nicht nachvollziehbar erkennen, anhand welcher Methode der Gesetzgeber die Besoldung fortgeschrieben hat und welche Tatsachen der Entscheidung zugrunde liegen. Ob das Gesetz auch gemessen an den materiellen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu beanstanden ist, hat die Kammer offen gelassen.

Da die Entscheidung über die Gültigkeit eines Gesetzes den Verfassungsgerichten vorbehalten ist, musste das Verwaltungsgericht die Verfahren aussetzen. Es hat das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit der besoldungsrechtlichen Regelung angerufen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht nur für die Kläger der vorliegenden Verfahren, sondern auch für zahlreiche Beamte, Richter und Staatsanwälte relevant, die gegen die Besoldung der Jahre 2013 und 2014 Widersprüche eingelegt haben, über die das zuständige Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen – mit Rücksicht auf anhängige Gerichtsverfahren – noch nicht entschieden hat. Beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen sind weitere Parallelverfahren anhängig.

Pressemitteilung v. 27.04.2022

Kürzung der Dienstbezüge im ausgesetzten Disziplinarverfahren, Dienstgericht für Richter bei dem LG Düsseldorf, Beschluss v. 15.03.2022, Az. DG-2/2021

(C) Landgericht Düsseldorf

Die Entscheidung lautet im Volltext:

1. Von den monatlichen Dienstbezügen der Antragsgegnerin werden 30 Prozent einbehalten.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die am … geborene Antragsgegnerin trat am … als Richterin auf Probe in den richterlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen ein. Am … wurde sie zur Richterin am Amtsgericht am Amtsgericht Lüdenscheid ernannt. Mit Wirkung vom … wurden ihr durch die Geschäftsverteilung im Wesentlichen Familien- und Strafsachen zur Bearbeitung zugewiesen.

Mit Verfügung vom … leitete der Präsident des Landgerichts R. ein Disziplinarverfahren gegen die Antragsgegnerin ein, das mit Verfügungen vom … und … ausgedehnt wurde. Im Wesentlichen wird der Antragsgegnerin vorgeworfen

in insgesamt acht Strafverfahren entgegen der gesetzlichen Fristen Urteilsgründe über Zeiträume bis zu 16 Monate nicht schriftlich abgefasst zu haben und die Vollstreckung bzw. den Fortgang der Verfahren erheblich verzögert zu haben,

in mindestens zwei weiteren Strafverfahren die mit vollständigen Gründen versehenen Urteile nicht oder bis zu 202 Tage nach Ablauf der Absetzungsfrist zu den Akten gebracht zu haben,

weitere 41 Verfahren inhaltlich nicht oder nur verzögert gefördert zu haben,

in vier Straf- und drei Familiensachen für den Verlust der Verfahrensakten verantwortlich zu sein und

in einem weiteren Strafverfahren das Protokoll der Hauptverhandlung eigenhändig abgeändert zu haben, um zu verschleiern, dass in dem Termin ein Urteil verkündet wurde.

Darüber hinaus wurde der Vorwurf erhoben, die nachträgliche Abfassung der Urteile sei durch Rückdatierungen verschleiert und die Fristüberschreitung verheimlicht worden. In einem Fall sollen auch gegenüber Verfahrensbeteiligten bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht und ein Beschluss zurückdatiert worden sein.

Der Antragsteller hat bei dem hiesigen Dienstgericht mit Antrag vom 16.11.2020 (Az. DG-12/2020) die vorläufige Dienstenthebung der Antragsgegnerin beantragt. Auf den Antrag hin hat das Dienstgericht mit Beschluss vom 21.07.2021 die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen. Die Beschwerde zum Dienstgerichtshof hat dieser mit Beschluss vom 05.01.2022 (Az. 1 DGH 1/2021) zurückgewiesen. Die Entscheidung ist somit rechtskräftig.

Wegen des dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts ist ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Antragsgegnerin eingeleitet und Anklage durch die Staatsanwaltschaft G. erhoben worden. Das Landgericht Hagen hat die Antragsgegnerin mit Urteil vom 18.11.2021 (Az. 46 KLs – 31 Js 264/20 – 8/21) wegen Rechtsbeugung in zehn Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in sechs Fällen in Tateinheit mit Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Antragsgegnerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt.

Die Antragsgegnerin ist zuletzt im April 2017 mit dem Gesamtergebnis „überdurchschnittlich“ dienstlich beurteilt worden.

Sie ist seit dem … durchgängig dienstunfähig erkrankt.

Am 28.06.2021 hat der Antragsteller den Antrag auf Einbehaltung der Dienstbezüge gestellt. Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, es sei voraussichtlich mit der Entfernung der Antragsgegnerin aus dem Dienst zu rechnen und eine Einbehaltung von 50 % der Dienstbezüge sei ihr auch wirtschaftlich zumutbar.

Der Antragsteller beantragt,

50 Prozent der monatlichen Dienstbezüge der Antragsgegnerin gemäß §§ 77 Abs. 1, 81 Abs. 1 LRiStaG NRW i.V.m. § 38 Abs. 2 LDG NRW einzubehalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin im Wesentlichen vor, die angeschuldigten Dienstpflichtverletzungen seien ihr im Hinblick auf ihre Erkrankung nicht vorwerfbar bzw. nicht verschuldet. Die Entscheidung im Strafverfahren sei noch nicht rechtskräftig, für sie gelte daher die Unschuldsvermutung. Überdies sei die Kürzung der Dienstbezüge dem Umfang nach nicht gerechtfertigt, da der Antragsteller in unzulässiger Weise notwendige Ausgaben unberücksichtigt gelassen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der Personalakten und Disziplinarvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.

1. Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 Landesrichter- und Staatsanwältegesetz (LRiStaG), § 77 Abs. 1 LRiStaG, § 38 Abs. 2 Landesdisziplinargesetz Nordrhein-Westfalen (LDG NRW) kann das Dienstgericht auf Antrag des Justizministeriums gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

Der Einbehalt der Dienstbezüge setzt zunächst voraus, dass die vorläufige Dienstenthebung angeordnet worden ist.

vgl. Fischer, Disziplinarrecht und Richteramt, S. 162.

Die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung ist im Zeitpunkt der dienstgerichtlichen Entscheidung gegeben. Sie wurde mit Beschluss des Dienstgerichtshofs vom 05.01.2022 (Az. 1 DGH 1/2021) rechtskräftig.

Darüber hinaus muss die Richterin eines Dienstvergehens dringend verdächtig sein, das ihre Entfernung aus dem Amt rechtfertigen würde. Die Voraussetzungen liegen auch vor, wenn eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung im Strafverfahren oder gerichtlichen Disziplinarverfahren mit ihrer Rechtskraft den Verlust des Richteramtes nach sich zieht.

vgl. Fischer, Disziplinarrecht und Richteramt, S. 162 m.w.N.

Das Disziplinarverfahren ist in der Hauptsache gegen die Antragsgegnerin noch nicht abgeschlossen. Das Dienstgericht hat in seinem Beschluss vom 21.07.2021 (Az. DG-12/2020) ausgeführt:

„Es kann offenbleiben, ob im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf eine Entfernung aus dem Richterdienstverhältnis erkannt werden wird, weil dies maßgeblich auch von den medizinischen und therapeutischen Feststellungen und deren Bewertung im Rahmen der Schuldzumessung und des Verschuldens abhängig sein dürfte.

Vgl. insbesondere auch Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26. Juli 2012, Az. 1 DGH 2/11, juris.

Der Antrag auf vorläufige Dienstenthebung des Antragsgegners kann aber dessen ungeachtet mit Erfolg auf § 81 Abs. 1 S. 1 LRiStaG, § 77 Abs. 1 LRiStaG, § 38 Abs. 1 S. 2 LDG NRW gestützt werden.

Gemäß § 77 Abs. 1 LRiStaG, § 38 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW kann ein Richter vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn durch das Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Eine vorläufige Diensthebung setzt hiernach zunächst voraus, dass durch das Verbleiben des Richters im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden.

Dies ist vorliegend der Fall. Zwar gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass durch den Verbleib der Antragsgegnerin im Dienst die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden, d.h. bei ihrem Verbleib im Dienst die nahe liegende Gefahr bestehen würde, dass das disziplinarrechtliche Verfahren nicht durch umfassende Sachverhaltsermittlung zu einem ordnungsgemäßen Abschluss gebracht werden könnte.

Vgl. allgemein Urban, in: Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017, § 38 Rn. 23.

Aber durch den Verbleib der Antragsgegnerin im Dienst würde der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigt.

Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes kann angenommen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass durch die Anwesenheit der Antragsgegnerin und die von ihr hervorgerufenen disziplinarrechtlich erheblichen Umstände eine sachgerechte Erfüllung der dienstlichen Aufgaben in ihrer Dienststelle wahrscheinlich gefährdet würde.

Vgl. allgemein Urban, in: Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017, § 38 Rn. 22.

Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebs (§ 38 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 LDG NRW) ist vor allem dann zu besorgen, wenn auf Grund von Umständen, die mit dem mutmaßlich begangenen Dienstvergehen in Zusammenhang stehen, eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit dem Beamten gefährdet ist und hierunter die Aufgabenerledigung ernsthaft leiden kann. Anhaltspunkte hierfür können sich aus den bereits eingetretenen Folgen des mutmaßlichen Dienstvergehens ergeben. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb sind weiterhin zu befürchten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen ist.

Vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25. März 2013 – 19 ZD 4/13 -, juris, Rn. 8; Bayerischer VGH, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 16a DS 13.706 -, juris, Rn. 87.

Ist es wie vorliegend offen, ob eine Dienstentfernung im Disziplinarverfahren in Betracht kommen kann, so bedarf es zudem eines besonderen rechtfertigenden Grundes dafür, dass eine Richterin in der Zeit von der Einleitung des Disziplinarverfahrens an bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss ihren sich aus dem bestehenden Dienstverhältnis ergebenden Anspruch auf Ausübung ihres Amtes vorübergehend verliert. Eine pauschale Begründung reicht dabei nicht aus. Erforderlich ist die Darlegung, in welchen besonderen Umständen im Falle der Weiterbeschäftigung der Richterin die Gefährdung oder Störung der dienstlichen Belange liegen könnte. Zur Feststellung einer wesentlichen Beeinträchtigung bedarf es einer Abwägung zwischen dem Ausmaß der unmittelbaren Gefährdung oder Störung des Dienstbetriebes und den nachteiligen Auswirkungen und Belastungen für den Betroffenen.

Vgl. zum Beamtenrecht: BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 – 2 BvR 80/77 -, juris, Rn. 40; BVerwG, Beschluss vom 1. September 2000 – 1 DB 16/00 -, juris, Rn. 11; Beschluss vom 16. Mai 1994 – 1 DB 7/94 -, juris, Rn. 13 (zu § 91 BDO); OVG NRW, Beschluss vom 17. November 2016 – 3d B 547/16.O -, juris, Rn. 56.

Eine diesen Anforderungen genügende Darlegung einer wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebes bei einer Amtsausübung der Antragsgegnerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens ist dem Antrag und der Disziplinarakte hinreichend deutlich zu entnehmen.

Danach ist es in der Vergangenheit – ohne dass es auf die Frage der Vorwerfbarkeit und des Verschuldens der Antragsgegnerin ankommt – in über 50 Straf- und Familiensachen zu irregulären Verfahrensabläufen gekommen.

Die Antragsgegnerin hat derzeit einen Teil der erhobenen Vorwürfe als unstreitig eingeräumt. Danach habe sie elf konkret benannte Verfahren nicht nach Durchführung der Hauptverhandlung ordnungsgemäß zu Ende bearbeitet, sodass ein schriftlich abgefasstes Urteil abgesetzt und zur Akte gebracht worden wäre (Bl. 33 GA). In 13 Verfahren habe sie die unter dem Urteil befindliche Verfügung zurückdatiert (Bl. 34 GA). In weiteren 41 Verfahren hat die Antragsgegnerin eingeräumt, die Verfahren nicht betrieben zu haben (Bl. 34 GA).

Die Antragsgegnerin trägt vor, sie leide unter einer diagnostizierten Störung der Impulskontrolle und einem Verlust der Steuerungsfähigkeit. Sie bedürfe daher eines Mentorings und einer Begleitung (Bl. 44 GA).

Der Antrag verweist im Ergebnis unstreitig und zur derzeitigen Überzeugung des Gerichts zum einen auf die zahlreichen der Antraggegnerin zur Last gelegten Dienstvergehen und zum anderen auf die besondere Vertrauensstellung als Richterin am Amtsgericht, die strukturell in keinen Spruchkörper von anderen Berufsrichter:innen eingebunden ist und die ihr Richteramt auch weisungsungebunden ausüben muss. Damit ist etwa jedes Mentoring, das die Art und Weise richterlicher Dienstausübung gestaltet problematisch.

Darüber hinaus ist aber aktuell – unabhängig von der Frage eines Verschuldens oder einer Vorwerfbarkeit des Fehlverhaltens der Antragsgegnerin – aus therapeutischer Sicht wie auch aus Sicht der Antragsgegnerin selbst damit zu rechnen, dass es zu weiteren Verstößen insbesondere gegen gesetzliche Absetzungsfristen kommen wird.

Der Dienstbetrieb des Amtsgerichts, der auf zeitnahe gerichtliche Entscheidungen ausgerichtet ist und der der Realisierung des Justizgewährleistungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG dient, wäre hierdurch erheblich gestört. Nicht durch die Antragsgegnerin abgeschlossene Verfahren müssten entweder von anderen Richter:innen im Wege der Geschäftsverteilung übernommen und ggf. unter Wiederholung von Beweiserhebungen, mündlichen Verhandlungen und Hauptverhandlungen erneut behandelt und sodann entschieden werden oder derartige Verfahren würden ohne Schlussentscheidung Gegenstand von Verzögerungsrügen, Beschleunigungsrügen oder Rechtsmitteln. Der Dienstbetrieb des Amtsgerichts wäre erheblich eingeschränkt seine gesetzlich zugewiesene Aufgabe wahrzunehmen.

Die vorläufige Dienstenthebung dient damit auch der Sicherstellung der Rechtspflege. Würde dem Antrag nicht entsprochen, könnte die Antragsgegnerin jederzeit aus der Dienstunfähigkeit in den Dienst zurückkehren. Ihr stünde sodann unmittelbar eine amtsangemessene und inhaltlich unabhängig auszuübende, rechtsprechende Beschäftigung zu.

Da die Antragsgegnerin selbst dargelegt hat, dass sie die Nichtförderung von Verfahren oder Nichtabsetzung von Entscheidungen nicht steuern oder vorhersehen konnte, erscheint es nach derzeitigem Kenntnisstand ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin einen – wie auch immer gestalteten – Anteil an der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts eigenständig wahrnimmt. Sie bedürfte derzeit einer organisatorischen Kontrolle, die weder durch eine Serviceeinheit, noch durch Richterkolleginnen und -kollegen oder gar die Gerichtsleitung wahrgenommen werden könnte. Denn jede kontinuierliche inhaltliche Kontrolle nach der Reihenfolge der Bearbeitung der Verfahren oder nach der Absetzung von Entscheidungen, würde eine unzulässige Ausübung von Dienstaufsicht darstellen. Weder kann die Antragsgegnerin auf ihre richterliche Unabhängigkeit verzichten, noch darf den Rechtsuchenden entgegen Art. 97 Abs. 1 GG die Rechtsprechung durch eine derart kontrollierte Richterin „angeboten“ werden.

Würde die Antragsgegnerin nicht vorläufig des Dienstes enthoben und würde sie sich wieder zum Dienst zurückmelden, bestünde die greifbare Gefahr, dass sie erneut Verfahren nicht oder nicht ordnungsgemäß betreiben und abschließen würde. Dies führt zu einer Mehrbelastung der Rechtsmittelinstanzen, in Fällen der Rückverweisung auch zu einer Mehrbelastung von Richter:innen des Amtsgerichts, vor allem aber wird der Anspruch der Parteien der Verfahren auf ein zügiges Verfahren vereitelt. Die Vielzahl der bislang dokumentierten und unstreitig eingeräumten Fälle hat auch die Schwelle einer hinnehmbaren Schlechtleistung im Einzelfall überschritten.

Weder dem Dienstherrn, noch den rechtsuchenden Parteien oder der Strafverfolgung ist dies zumutbar.

Es gehört im beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren zum notwendigen Inhalt eines Bescheides über eine vorläufige Dienstenthebung, dass die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, dargestellt werden und der dem Beamten zur Last gelegte Sachverhalt möglichst nach Datum, Zeit, Ort und Geschehensablauf konkret bezeichnet wird. Es muss klar erkennbar sein, aus welchen Tatsachen dem Beamten Vorwürfe gemacht werden. Hierzu gehört eine so hinreichende Substantiierung, dass dem Beamten eine sachgerechte Verteidigung möglich ist und das Disziplinargericht in die Lage versetzt wird, den in bestimmter Hinsicht erhobenen und dem Umfang nach klar abgegrenzten Vorwürfen nachzugehen.

Vgl. hierzu VG Magdeburg, Beschluss vom 24. September 2018 – 15 B 23/18 -, juris, Rn. 10; VG Düsseldorf, Beschluss vom 03. April 2019 – 35 L 148/19.O –, Rn. 16 – 17, juris.

Diese Anforderungen sind auch im dienstgerichtlichen Verfahren an die Antragsschrift und ihre Begründung zu stellen.

Die Antragsschrift und die Disziplinarakte werden diesen Anforderungen gerecht, ohne dass es einer Beiziehung aller streitgegenständlichen Verfahrensakten der Familien- und Strafsachen bedurfte. Die Antragsgegnerin hat die verzögerten und manipulierten Verfahren auch unter Angabe der Aktenzeichen unstreitig gestellt.

2. Die derzeit noch andauernde Dienstunfähigkeit der Antragsgegnerin steht der vorläufigen Dienstenthebung nicht entgegen. Anders als im Verfahren DG-3/2019 ist nämlich derzeit eine Versetzung in den Ruhestand (noch) nicht zu erwarten.“

Der Dienstgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 05.01.2022 (Az. 1 DGH 1/2021) über die Beschwerde der Antragsgegnerin ergänzend ausgeführt:

„Schließlich war zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin aufgrund der auch hier verfahrensgegenständlichen Vorwürfe zwischenzeitlich durch das Urteil des Landgerichts Hagen vom 18.11.2021, 46 KLs 32 Js 264/20 – 8/21, wegen Rechtsbeugung in 10 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 6 Fällen in Tateinheit mit Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden ist. Zwar hat die Antragsgegnerin gegen dieses Urteil Revision eingelegt und streitet – was der Senat nicht verkennt – zu ihren Gunsten bis zum Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung. Jedoch trägt allein die Tatsache, dass gegen die Antragsgegnerin ein Straverfahren anhängig ist, welches zu einer erstinstanzlichen Verurteilung mit einer derart empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe geführt hat, maßgeblich dazu bei, dass durch den Verbleib der Antragsgegnerin im Dienst der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigt würde. Die Verurteilung der Antragsgegnerin ist in einem rechtsstaatlichen Regelungen unterworfenen Strafverfahren erfolgt, wobei die Antragsgegnerin jedenfalls einzelne – durchaus schwerwiegende – Tatvorwürfe dem Grunde nach eingeräumt hat.

[…] Die vorläufige Dienstenthebung steht auch nicht etwa außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme. Gerade angesichts des überaus schwerwiegenden Tatvorwurfs der Rechtsbeugung in einer Vielzahl von Fällen, tateinheitlich begangen mit Verwahrungsbruch und verschiedenen Urkundsdelikten, ist die Verhältnismäßigkeit gewahrt, zumal die von der Antragsgegnerin eingeräumten Taten das Vertrauen der Rechtssuchenden in eine integre und funktionierende innerstaatliche Rechtspflege in ganz erheblichem Maße gefährden.“

Danach ist auch im hiesigen Verfahren die Entfernung aus dem Dienst nach der im Antragsverfahren gebotenen summarischen Prüfung wahrscheinlicher als eine geringere Maßnahme.

Würde die erstinstanzliche Verurteilung im Strafverfahren rechtskräftig, ergäbe sich ein sogenannter „Verlust der Beamtenrechte“ gem. § 71 DRiG i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG, § 29 LBG NRW von Gesetzes wegen. Begrifflich stellt dieser Verlust der Beamtenrechte keine „Entfernung aus dem Beamtenverhältnis“ im Sinne des § 38 Abs. 2 LDG NRW dar. Der Landesgesetzgeber hat aber etwa in den Vorschriften des § 30 Abs. 3 und § 33 Abs. 2 Nr. 2 LDG NRW zunächst zu erkennen gegeben, dass der Verlust der Beamtenrechte qualitativ einer Entfernung gleichzustellen sei. Darüber hinaus – und damit auch diese Entscheidung isoliert tragend – sind gem. § 23 Abs. 1 LDG NRW „die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Straf- oder Bußgeldverfahren, auf denen das Urteil beruht, […] im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend.“ Von den tatsächlichen Feststellungen wären sowohl die von der Antragsgegnerin eingeräumten Tatvorwürfe, die als erwiesen betrachteten weiteren Vorwürfe wie auch die Feststellungen zu Vorsatz und Vorwerfbarkeit erfasst.

Schließlich hätte das strafrechtliche Strafmaß und sein Verhältnis zum vom Gesetzgeber vorgegebenen Strafrahmen auch indizielle Wirkung für die Gewichtung der Taten, die auch im Disziplinarverfahren nicht unberücksichtigt bleiben könnten.

Danach ist prognostisch mit der Entfernung aus dem Dienst zu rechnen. Dies begründet den gestellten Antrag dem Grunde nach.

3. Soweit die Antragsgegnerin vorgetragen hat, der Antrag sei der Höhe nach unbegründet, sind nach Auffassung des Dienstgerichts die im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Verteidigungskosten in Höhe von insgesamt 450,- € monatlich für das Straf- und Disziplinarverfahren, sowie die Tilgungsraten des Pkw in Höhe von 425,- € monatlich zu berücksichtigen gewesen.

Die Kreditverpflichtung für den privaten Pkw ist die Antragsgegnerin vor dem hier anhängigen Verfahren eingegangen. Eine Pflicht zur Veräußerung des Pkw besteht nicht. Zu Recht hat der Antragsteller aber angenommen, dass etwaige Fahrtkosten zur Dienststelle für die Dauer der vorläufigen Dienstenthebung nicht entstehen (können) und insofern auch nicht zu berücksichtigen waren.

Das Gebot der sogenannten „Waffengleichheit“ gebietet es, der Antragsgegnerin die freie Wahl der Verteidigung im Straf- wie auch im Disziplinarverfahren zu belassen. Hier überrascht zwar, dass die Kosten für das in der Hauptsache ruhende Disziplinarverfahren höher angesetzt wurden als die Kosten des laufenden Strafverfahrens, gleichwohl entspricht eine monatliche Belastung von 450,- € nach Auffassung des Dienstgerichts einer noch üblichen und angemessenen Belastung.

Weitere Ausgaben und Verpflichtungen waren nicht zu berücksichtigen.

Nach Kürzung der Bezüge um 30% verbleibt der Antragsgegnerin ein amts- und statusangemessenes Einkommen.

Dass die in dieser Höhe begründete und vom Gesetzgeber grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Kürzung der Dienstbezüge allein weiteren sanktionsähnlichen Charakter habe, wie von der Antragsgegnerin ebenfalls vorgetragen, ist nicht ersichtlich.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 77 Abs. 1 LRiStaG NRW, § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Für eine Kostenentscheidung in besonderen Fällen (§ 95 LRiStaG NRW, § 155 VwGO) sind die Voraussetzungen nicht gegeben.

Der Festsetzung eines Gegenstandswerts bedarf es weder im Hinblick auf Gerichtskosten, noch im Hinblick auf die Rechtsanwaltsvergütung.

Bei veränderten Umständen kann die Antragsgegnerin gem. § 81 Abs. 4 LRiStaG NRW die Aufhebung der Kürzung der Bezüge beantragen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da Beschwerde zum Dienstgerichtshof erhoben wurde. (Stand: 13.04.2022)

Auf der Suche nach der Bundesdisziplinarkammer: Das ver­schwun­dene Gericht, lto.de v. 26.02.2022

Interview von Tanja Podolski

Die Bundesdisziplinarkammer X war ein Bundesgericht in Düsseldorf. Und es ist verschwunden. Im Interview erklärt Anwalt Robert Hotstegs, wie und warum er dieses Gericht sucht. Fest steht: Eine bekannte Entscheidung des Gerichts irritiert.

LTO: Herr Hotstegs, Sie suchen ein verschwundenes Gericht, was hat es damit auf sich?

Robert Hotstegs: Ich suche die Bundesdisziplinarkammer X (römisch 10). Das war ab 1953 für etwa 14 Jahre ein Bundesgericht in Düsseldorf. Heute kann sich offenbar niemand daran erinnern und es sieht so aus, als ob dieses Gericht kaum Spuren hinterlassen habe. Dabei war es als Disziplinargericht für Bundesbeamte zuständig und hat als solches nicht nur frische, sondern auch ältere Fälle aus den 30er und 40er Jahren, sprich der NS-Zeit, der Nachkriegs- und der Besatzungszeit entschieden. Es wundert mich, dass man darüber kaum Informationen findet und deshalb will ich die Spuren suchen – und finden.

Wie sind sie auf das Thema gestoßen?

Zufällig. Wir verteidigen seit Jahren Beamtinnen und Beamte, wenn sie beschuldigt werden, gegen Dienstpflichten verstoßen zu haben und auch Soldatinnen und Soldaten in ihren ähnlich gelagerten Disziplinarfällen vor deren Spezialgerichten. Bei diesen Truppendienstgerichten oder im Wehrsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sieht es allerdings etwas anders aus als bei sonstigen Gerichtsverfahren: Da steht vorne eine Truppendienstfahne neben der Richterbank und zwei der fünf Richterinnen bzw. Richter haben eine Uniform an.

Ich bin der Frage nachgegangen, wo und wie diese Gerichte normiert sind und stellte fest: Es gibt eine Anordnung für diese Truppendienstgerichte und eine nahezu identische Anordnung für alte Bundesdisziplinargerichte. Diese Gerichte gibt es nicht mehr, aber die alte Anordnung des Bundespräsidenten, die existiert noch. Der hat angeordnet, wie die Richter:innen und Bundesdisziplinaranwält:innen sich zu kleiden haben.

Die Vorsitzenden der Bundesdisziplinarkammern trugen danach nicht nur eine normale Robe, sondern auch ein Barett mit einer Schnur in Silber. Das habe ich noch nie gesehen, würde es aber gerne mal. So kamen in mir die Fragen auf: Was haben die für Fälle entschieden, wer hat an diesen Gerichten gearbeitet, wie haben die Richter – vermutlich waren es damals nur Männer – dort gearbeitet, und wo kamen die Richter im Jahr 1953 her? Diese Juristen müssen ja in der NS-Zeit oder kurz davor ihren Abschluss gemacht haben.

Was ich schon beobachtet habe ist, dass es im heutigen Disziplinarrecht Spuren gibt, die 100 Jahre und älter sind, einige Vorschriften hatten damals einen ähnlichen Wortlaut wie heute und wurden von Juristen auf ähnliche Sachverhalte angewendet. Vielleicht erklärt sich aus der Historie, wie sich manche Auslegungen entwickelt haben und woher gewisse rechtliche Konstruktionen kommen. Vielleicht erklärt sich sogar einiges aus dem anwaltlichen Berufsrecht, denn einige Formulierungen zu den Berufspflichten waren früher 1:1 mit Vokabeln belegt, die aus dem Disziplinarrecht stammen – der Staat hat also selbstständige Anwält:innen einem ähnlichen Konstrukt unterworfen, wie abhängige Beamte.

[…]

Rechtsanwalt Robert Hotstegs informiert über den Stand seiner Nachforschungen in unregelmäßigen Abständen auf einer Themenseite des Düsseldorfer Instituts für Dienstrecht unter www.difdi.eu.

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Bäderfrage in Niederkrüchten: Sondersitzung für Bürgerbegehren, Rheinische Post v. 10.02.2022

Niederkrüchten. Am Dienstag hat der Rat den Punkt Bürgerbegehren von der Tagesordnung genommen. Das Thema soll am 22. Februar in einer Sondersitzung behandelt werden. Der Grund ist eine zweite juristische Stellungnahme. Was diese enthält. Vorgeschlagen war, das erste Bürgerbegehren für die Sanierung des Freibades als „unzulässig“ abzulehnen. Doch dazu kam es erst gar nicht.

Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos) erklärte gleich zu Beginn des Tagesordnungspunktes, die Gemeinde habe um 17.26 Uhr ein zweites Gutachten von den Initiatoren des Bürgerbegehrens erhalten. Damit die Mitglieder des Rates Zeit hätten, die Argumentation der Rechtsanwälte nachzuvollziehen, schlug die Verwaltung vor, das Thema nicht am Dienstag, sondern in einer Sondersitzung am 22. Februar zu behandeln. Die Verschiebung beschloss der Rat einstimmig.

Die Düsseldorfer Rechtsanwälte von Hotstegs hatten das von der Gemeinde in Auftrag gegebene Gutachten der Kölner Kanzlei Lenz & Johlen vom 4. Februar durchgesehen und dazu ein eigenes Gutachten erstellt: Mit Blick auf die Ratssitzung am 8. Februar heben die Anwälte der Initiatoren des Bürgerbegehrens drei Punkte hervor: Die Information der Ratsmitglieder sei verspätet und unvollständig erfolgt. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens seien nicht zur Ratssitzung als Vertretungsberechtigte des Begehrens eingeladen geworden, sodass sie in ihrem Rederecht verletzt worden seien. Der dritte Punkt zeigt ein Dissens unter den Juristen auf: „Die Ausführungen des Gutachtens zur angeblich unvollständigen Begründung des Bürgerbegehrens einerseits und zur angeblich fehlerhaften Bewertung der Kostenschätzung der Verwaltung andererseits berücksichtigen vor allem die Rechtsentwicklung der Gemeindeordnung seit 2011 nicht. Berücksichtigt man diese aber, erweist sich Ihr Begehren als ordnungsgemäß begründet und Ihre Bewertung der Kostenschätzung der Verwaltung als unschädlich.“

Die beiden maßgeblichen Aspekte, wonach die Initiatoren des Bürgerbegehrens gehalten gewesen wären, auch auf den Beschluss des Rates vom 9. November ausdrücklich Bezug zu nehmen, überzeugten die Juristen nicht. Außerdem ziele der gesetzgeberische Wille eher darauf ab, der bürgerschaftlichen Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeit keine allzu hohen bürokratischen Hürden entgegen zu stellen. Hinzukommt: Der Ratsbeschluss vom 9. November, auf die Sanierung des Freibades zu verzichten, sei erst nach Beginn des Bürgerbegehrens gefasst worden. „Er existierte noch nicht, war weder diskutiert, noch beschlossen, sodass es verfehlt ist, ihn zum zwingenden Bestandteil der Begründung des Bürgerbegehrens zu erheben. Das Begehren wurde vor der Beschlussfassung des Rates gestartet. Mit Beginn der Unterschriftensammlung vor dem 9. November wurde das Begehren sozusagen konserviert“, heißt es im Gutachten.

CDU-Fraktionsvorsitzender Johannes Wahlenberg meldete sich als erster. Das zweite Gutachten habe er erst vor ein paar Stunden erhalten und nur querlesen können. Die Zeit wäre zu knapp, um es vernünftig bewerten zu können. Für die CDU beantragte Wahlenberg, die Kommunalaufsicht des Kreises einzuschalten, um zu einer unabhängigen Bewertung zu kommen. So befürchte er einen weiteren Schlagabtausch der Juristen. Hermann-Josef Schippers, zweiter Mann an der Rathausspitze, nannte diesen Antrag „nicht zielführend“. Wenn es zu unterschiedlichen juristischen Meinungen käme, sei nicht mehr der Rat zuständig, dann müsse ein Rechtsstreit vor Gericht geführt werden. SPD-Fraktionsvorsitzender Wilhelm Mankau begrüßte die Verschiebung auf den 22. Februar, „um keine Verfahrensfehler zu machen“. Und für die Grünen erklärte Vorsitzende Anja Degenhardt, die Grünen hätten sonst eh einen Antrag auf Vertagung gestellt.

Bürgermeister Wassong ging auf das zweite Gutachten ein. In den ersten beiden Punkten sei es komplett zu widerlegen, im dritten Punkt kämen die Juristen aus Köln zu einer anderen Bewertung. Johannes Wahlenberg erneuerte den CDU-Antrag, die Kommunalaufsicht als neutrale Stelle miteinzubeziehen. Bei acht Stimmen der CDU und sieben Enthaltungen aus den Reihen der Grünen lehnte die Ratsmehrheit dies ab. Auch die fünf Mitglieder der Niederkrüchtener Wählergemeinschaft, die im Januar aus der CDU ausgetreten waren, stimmten gegen ihre frühere Fraktion.

Die 34 Ratssitze sind nach der Gründung der neuen Fraktion (fünf Sitze) neu berechnet und verteilt worden: Die Grünen haben neun Sitze, die CDU hat acht, die SPD hat sechs, die FDP drei, die CKW zwei und „Die Linke“ einen Sitz.

Dienstanweisung zu sozialen Medien: WDR will pri­vate Acco­unts regu­lieren, lto.de v. 08.02.2022

von Tanja Podolski

Der WDR will seine Beschäftigten zur Neutralität anhalten – auch auf deren privaten Social-Media-Accounts. Journalisten befürchten die Verletzung ihrer Meinungsfreiheit, Juristen verweisen auf Neutralitätspflicht und Direktionsrecht.

Beim WDR sorgt der Entwurf einer „Dienstanweisung zum Umgang mit sozialen Medien“ für Aufruhr. Die Anstalt des öffentlichen Rechts möchte ihren Beschäftigten vorgeben, wie sie die sozialen Medien zu nutzen haben. Die Regelungen in dem Entwurf zur Dienstanweisung beziehen sich allerdings nicht nur auf die Firmen-Accounts des WDR selbst. Sie schließen, das ist in § 1 der Dienstanweisung vorgegeben, ausdrücklich „Inhalte in privaten Accounts, soweit der WDR von diesen mittelbar oder unmittelbar betroffen ist“, ein.

Konkrete Regelungen zu den privaten Accounts folgen in § 5 der Anweisung. Dort heißt es, den Mitarbeitenden stehe „als Staatsbürger:innen das Recht der freien Meinungsäußerung zu“. Es folgen Absätze zu – in Beschäftigungsverhältnissen üblichen – Loyalitätspflichten gegenüber dem WDR. Und dann: „Wenn durch private Äußerungen in sozialen Medien insbesondere von redaktionell Mitarbeitenden in der Öffentlichkeit der Eindruck der Voreingenommenheit oder Parteilichkeit entsteht und dies Themenbereiche tangiert, in denen die oder der Mitarbeitende dienstlich tätig ist, behält sich der WDR vor, ihnen im Rahmen seines Weisungsrechts andere Aufgaben zuzuweisen.“ Laut einer Stellungnahme des WDR handelt es sich bei diesem Entwurf, die zuerst auf netzpolitik.org veröffentlicht wurde, um eine veraltete Fassung. Nach LTO-Informationen ist dieser Passus der Aktuelle, über den verhandelt wird.

WDR-Mitarbeitende sehen darin eine eklatante Verletzung der Meinungsfreiheit, die verfassungswidrig sei, wie es in der Stellungnahme eines Redakteurs heißt. Kann das stimmen?

[…]

Entscheidend wird deshalb wohl sein, wie exzessiv der WDR sein Direktionsrecht ausübt: „Unterbunden werden können nur solche Meinungsbeiträge, die bei objektivierender Betrachtung tatsächlich geeignet sind, die gesetzliche Aufgabenerfüllung des WDR zu beeinträchtigen“, sagt Gärditz“. „Unzulässig wäre es etwa, lediglich unliebsame Meinungsäußerungen zu sanktionieren, weil sie von der Linie des WDR abweichen oder Kritik an bestimmten Inhalten äußern. Insoweit ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der WDR selbst binnenpluralistisch sein muss und Meinungsvielfalt gerade zum gesetzlichen Auftrag gehört, deren Sichtbarkeit diesen also nicht gefährden kann.“

Rechtsanwalt Robert Hotstegs aus Düsseldorf hat dazu gleich einen Vorschlag: „Ich hielte es für geboten, vor allem der Dienstanweisung voranzustellen, dass Meinungsvielfalt und aktive Nutzung der sozialen Medien gern gesehen sind und dass Mitarbeiter:innen grundsätzlich für WDR-nahe Tätigkeiten auch jederzeit den Schutz des Unternehmens erhalten können“. Das sei in § 6 der Dienstanweisung ganz hinten versteckt und gehört als Programmsatz seines Erachtens geradezu vorangestellt.

Schlussendlich geht es wie bei jeder Gemeinschaft um die Verständigung auf gemeinsame Prinzipien für einen Auftrag gegenüber der Gesellschaft. Möglich sei so eine Dienstanweisung, sagt Hotstegs, „aber die Frage ist doch, ob sie inhaltlich dem WDR gut zu Gesicht steht“.

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Sondersitzung des Lüner Rates: Stadt steht ohne gültigen Haushalt da, Ruhr Nachrichten v. 01.02.2022

Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns hat den Stadtrat zu einer Sondersitzung am Freitag (4.2.) eingeladen. Es geht um den Haushalt 2022, der laut Bürgermeister unrechtmäßig zustande kam.

von Torsten Storks

Der Lüner Stadtrat trifft sich am kommenden Freitag (4. Februar) zu einer von Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns einberufenen Dringlichkeitssitzung im Erlebnisreich-Campus an der Hüttenallee – aus gewichtigem Grund:

[…]

zum Bericht der Ruhr Nachrichten im Volltext

Nach AfD-Mandat zurück in die sächsische Justiz: Wird Jens Maier wir­k­lich wieder Richter?, lto.de v. 20.01.2022

von Annelie Kaufmann

Seit bekannt ist, dass der ehemalige AfD-Abgeordnete Jens Maier wieder Richter werden will, wird darüber diskutiert, ob das Justizministerium ihn stoppen kann. Wenn nicht – dann vielleicht der Landtag oder sein künftiger Dienstvorgesetzter?

Kann das sein? Da sitzt jemand vier Jahre lang für die AfD im Bundestag, sympathisiert mit dem völkischen Flügel um Björn Höcke, wird vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und soll dann, nachdem er sein Mandat verloren hat, wieder Richter werden? 

Wenn Maier sich heute auf eine Richterstelle bewerben würde – er hätte keine Chance. Aber: Maier bewirbt sich nicht, er ist schon 1992 in die sächsische Justiz eingetreten. Und eine Entfernung aus dem Dienst ist ungleich schwieriger. 

Maier wird demnächst sechzig und will zurück in die gesicherten Verhältnisse des öffentlichen Dienstes, zurück auf einen Richterposten. Einen entsprechenden Antrag hat er beim sächsischen Justizministerium gestellt, seitdem erhält er wieder Bezüge; dass er freiwillig verzichtet, gilt als nicht wahrscheinlich. In der sächsischen Justiz führt das zu Kopfschütteln, Unmut, Wut – und Ohnmacht. Kann man jemanden wie Maier wirklich nicht verhindern?

[…]

Kann man Maier sein Verhalten als Abgeordneter vorwerfen?

Sollte man sich dort zu einem Disziplinarverfahren entschließen, wäre es nicht das erste. Bereits 2017 – vor seiner Zeit als Abgeordneter – erging eine Disziplinarverfügung gegen Maier. Dabei ging es um zwei Facebook-Einträge und um eine Rede, die Maier bei einer Veranstaltung im Ballhaus Watzke in Dresden gehalten hatte, er warnte damals vor der „Herstellung von Mischvölkern“ und wollte den deutschen „Schuldkult“ für „beendet“ erklären. Der Präsident des Landgerichts (LG) Dresden sprach einen Verweis aus. Das bedeutet allerdings auch, dass die damaligen Äußerungen Maier nicht erneut vorgehalten werden können. Sie sind damit abgegolten, der Verweis wurde mittlerweile aus der Personalakte entfernt. 

Damit stellt sich die Frage, ob man Maier Äußerungen und Auftreten während seiner Zeit als Abgeordneter in einem Disziplinarverfahren vorhalten kann. Philipp Austermann, Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, geht von einer klaren Gesetzeslage aus: „Äußerungen, die in die Zeit als Abgeordneter fallen, können für etwaige Disziplinarverfahren keine Rolle spielen. Während der Zeit als Abgeordneter gilt das Mäßigungsgebot nicht. Das sieht § 5 Abgeordnetengesetz ausdrücklich so vor und das hat der Gesetzgeber auch 1976 in der Begründung des Gesetzes betont.“ Dort heißt es: „So ruhen besonders die Pflicht zur Unparteilichkeit und die politische Treuepflicht“ sowie die „Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Tätigkeit“. 

Austermann sieht den Gesetzgeber am Zug: „Es wäre sinnvoll, wenn man für Angehörige des öffentlichen Dienstes klarstellen würde, dass sie auch während ihrer Zeit als Abgeordneter zumindest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen müssen. Ansonsten stehen wir vor einem Problem, wenn Abgeordnete aus dem Bundestag in den öffentlichen Dienst zurückkehren möchten, aber gleichzeitig Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen.“

Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und ständiger Beisitzer des Dienstgerichts für Richter beim LG Düsseldorf, hält die Rechtslage für weniger eindeutig: „Auch wenn § 5 Abgeordnetengesetz grundsätzlich vorsieht, dass die Dienstpflichten während der Zeit als Abgeordneter ruhen, kann man argumentieren, dass damit nicht alle Pflichten vollständig ruhen“, so Hotstegs. „Dafür spricht etwa, dass auch von beurlaubten Beamten verlangt wird, sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu betätigen – dann kann man erst recht von Richtern, die in den Staatsdienst zurückkehren, eine gewisse Verfassungstreue erwarten.“

[…]

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Standpunkt: Auf der Suche nach Rechts-Schutz, NJW-aktuell 4/2022, S. 15

Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Amtsträgerinnen und Amtsträger repräsentieren den Staat, sie verwalten ihn, sie sprechen Recht für ihn und sie gestalten ihn. Gleichwohl ist ihr individuelles Verhältnis zum Staat gelegentlich ambivalent. Seitdem aktuelle Fälle nicht nur wünschenswert kritische und mitdenkende Geister, sondern feindlich, auch kämpferisch auftretende Personen aufgezeigt haben, ist der Wunsch nach Schutz vor Verfassungsfeinden größer geworden. Eine Regelanfrage bei der Einstellung wäre gleichwohl nur eine Momentaufnahme, keine Lösung.

Sowohl das Beamten- wie auch das Richterdienstverhältnis machen seit jeher von Verfassungs und Gesetzes wegen zur Voraussetzung einer Ernennung, dass der oder die Kandidatin „jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ (§ 7 BeamtStG, § 9 DRiG) eintritt. Anders gelagert sind die Anforderungen des § 7 Nr. 6 BRAO, an die sich auch etwa § 8 III 2 Nr. 3 SächsJAG für den juristischen Vorbereitungsdienst anlehnt. Danach sind die Zulassung zur Anwaltschaft oder zum Vorbereitungsdienst zu versagen „wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft“.

[…]

Der vollständige Beitrag ist im Heft NJW 4/2022 erschienen.

VG Düsseldorf gegen Land NRW: Mit Rügen und Anträgen „über­zogen“, lto.de v. 15.12.2021

von Tanja Podolski

Das Land NRW hat in Verfahren wegen Corona-Soforthilfe sehr früh Anwälte mandatiert. Diese Kosten sollte das Land selbst tragen, entschied das VG Düsseldorf. Die zahlreichen darauf folgenden Befangenheitsanträge wies es nun allesamt ab.

[…]

„Die Kostenentscheidung zu Lasten des Landes ist wirklich ungewöhnlich, nämlich die im Gesetz vorgesehene Ausnahme“, erklärt Rechtsanwalt Robert Hotstegs aus Düsseldorf. Sie komme äußerst selten zum Tragen. Allerdings gebe es auch im Kostenrecht Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben. „Wenn ich also – als Bezirksregierung – durch den richterlichen Hinweis sehe, dass die Klagen unzulässig sein dürften und voraussichtlich zurückgenommen werden, darf ich die Kosten der Kläger:innen nicht dadurch erhöhen, dass ich sozusagen ’noch auf die Schnelle‘ eigene Bevollmächtigte beauftrage. Hier hätte die Bezirksregierung also durchaus die Reaktion der Kläger:innen abwarten sollen“, so Hotstegs.

Im Übrigen seien die Kostenentscheidungen wohl auch ausgewogen, weil laut Pressemitteilung das Gericht der Bezirksregierung nur die Kosten der eigenen Anwälte auferlegt habe. „Die Kläger zahlen dann ihre eigenen Anwälte, die Gerichtskosten und – hier kommt es auf den genauen Wortlaut der Kostenentscheidung an – evtl. auch die Kosten der Bezirksregierung selbst. Damit könnte das Land immerhin noch die Kostenerstattung für Post- und Telekommunikationskosten und Fotokopien prüfen und beantragen“, so Hotstegs.

Aus Bürger:innensicht sei die Kostenregelung sehr zu begrüßen, um Behörden die kurzfristige Kostensteigerung zu Lasten der Kläger:innen zu verwehren. „Die Behörden sind hierdurch ja gerade nicht gehindert, eigene Anwälte zu nutzen und in den weiter anhängigen, streitigen Verfahren auch die Kostenerstattung im Erfolgsfall zu nutzen“, sagt der Anwalt.

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