Disziplinarverfahren sollen keine Endlosgeschichte werden, insbesondere nach Ablauf der Tilgungs- und Verjährungsfristen dürfen auch nicht etwa alte Disziplinarvorwürfe genutzt werden, schikanöse beamtenrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Hieran scheiterten nun eine Versetzung und eine Teilabordnung eines Lehrers, die die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Rheinland-Pfalz erlassen hatte. Obwohl die schriftlichen Begründungen keinen Bezug auf die verjährte Disziplinarmaßnahme nahmen, stand ihnen auch zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts Trier der Sanktionierungswunsch der Behörde gleichsam auf die Stirn geschrieben. Ein seltener Fall, indem das Gericht die Behörde mit deutlichen Worten rügt, dass sie unlautere wahre Motive hatte und diese verschleiert hat.
„Keine Disziplinarmaßnahme durch Versetzung und Abordnung, Verwaltungsgericht Trier, Urteil v. 27.04.2021, Az. 7 K 6/21.TR“ weiterlesenJoggen, Pizza bestellen, Müll rausbringen: Das gilt ab heute Nacht wegen der Bundes-Notbremse, chip.de v. 24.04.2021
von Konstantinos Mitsis
Im Kampf gegen das Coronavirus setzt der Bund ab sofort auf einen bundeseinheitlichen Lockdown. Überall in Deutschland, wo die Zahl der Neuinfektionen hoch ist, gilt ab sofort eine sogenannte Bundes-Notbremse. Wir sagen, was Sie dürfen und wie Sie sich während einer Kontrolle richtig verhalten.
Die Bundes-Notbremse greift überall dort, wo die 7-Tages-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei über 100 liegt. Sinkt die Inzidenz auf unter 100, wird die Notbremse erst aufgehoben, wenn der Wert an fünf aufeinanderfolgenden Tagen stabil unter 100 bleibt.
Die Notbremse sieht Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, Testpflicht, Schulschließungen und Einschränkungen im öffentlichen Leben vor.
Ab einer Inzidenz von 100 greifen in den Landkreisen und Städten unter anderem zwischen 22 Uhr und 5 Uhr des Folgetages Ausgangssperren. Verbraucher sollten ab dieser Uhrzeit Zuhause bleiben und dürfen das Haus nicht ohne triftigen Grund verlassen oder sich im öffentlichen Raum aufhalten.
Wie verhalte ich mich bei einer Personenkontrolle?
Grundsätzlich gilt: Ordnungshüter müssen wegen der Ausgangssperren mehr Nachtschichten einlegen als ihnen vielleicht lieb ist. Gegenüber unserer Redaktion berichteten Polizisten immer wieder von den zunehmenden Beschimpfungen, die sie in Ihrem Alltag erleben. Insgesamt lässt sich sagen: Wirklich Lust auf die Kontrollen haben die meisten Polizeibeamten nicht.
Sind Sie unterwegs, obwohl die Ausgangssperre gilt: Setzen Sie eine Mundschutzmaske auf, halten Sie Abstand und bleiben Sie gelassen und auch ruhig. Liegt ein Verstoß vor, werden Sie in der Regel lediglich ermahnt und auf die Ausgangssperre hingewiesen. In vielen Fällen können die Polizeibeamten sogar helfen. Zum Beispiel wenn ein Notfall vorliegt.
Sie sollten zudem Polizeikontrollen nicht unnötig provozieren. Wer nachts alkoholisiert mit Weinflaschen in der Nacht erwischt wird und dann behauptet er sei joggen, obwohl er eigentlich zehn Kilometer weiter wohnt, könnte ein Bußgeld riskieren. Gleiches gilt, wenn jemand nach Mitternacht ohne einen Hund behauptet, er sei Gassi gewesen.
Einzelne Bundesländer, die in der Vergangenheit bereits Ausgangssperren verhängt hatten, haben Bußgelder für den „Aufenthalt außerhalb der Wohnung oder sonstigen Unterkunft entgegen einer bestehenden Ausgangsbeschränkung“ definiert. In der Regel und je nach Schwere des Verstoßes macht das zwischen 50 und 500 Euro.
Geben Sie keinesfalls falschen Personalien an. In der Regel liegt das Bußgeld in so einem Fall und je nach Schwere der Falschangabe bei 50 bis 250 Euro.
Übrigens eine Polizeikontrolle wird immer mit einer klassischen Einstiegsfrage gestartet. Das bestätigte ein Polizeibeamter aus München auf Anfrage.
Dann heißt es etwa: „Guten Abend. Eine allgemeine Personenkontrolle. Können Sie sich ausweisen?“ In einem weiteren Verlauf will die Polizei in Erfahrung bringen, ob ein Verstoß gegen die Ausgangssperre vorliegt. Daher könnten die Fragen folgen: „Woher kommen Sie?“ oder „Wo wollen Sie denn so spät noch hin?“
„Ich empfehle, auf die Befragung möglichst knapp und höflich zu antworten. Das wirkt deeskalierend und hilft, die unangenehme Situation möglichst schnell zu beenden“, sagt beispielsweise Rechtsanwalt Robert Hotstegs vom Deutsche Anwaltverein (DAV).
Ausgangssperre: Was darf ich nach 22 Uhr?
Arbeitnehmer
Wer beruflich unterwegs sein muss, der darf auch nachts raus. Dazu zählen beispielsweise Taxifahrer, Kurierdienste, Lieferdienste, Postangestellte, Bäcker (die vor 4 Uhr in der Backstube stehen müssen), Krankenpfleger und andere wichtige Berufsgruppen.
- Sie ist zwar nicht verpflichtend, aber ratsam. Lassen Sie sich unbedingt von Ihrem Arbeitgeber eine Arbeitgeberbestätigung mit Firmenstempel und Unterschrift ausstellen. So vermeiden Sie unnötigen Ärger und sparen auch Zeit.
Notfall
Bei einem medizinischen Notfall, wenn ein Familienmitglied dringend Hilfe braucht oder eine andere ernste Situation vorliegt, dann gilt die Ausgangssperre ebenfalls nicht. In gefährlichen und brenzlichen Situationen helfen die zuständige Polizeidienststelle im Ort und auch der Notruf.
- Beispiel: Sie haben abends sehr starke Zahnschmerzen und brauchen dringend Hilfe, weil sie die Schmerzen nicht mehr aushalten können, dadurch nicht schlafen oder sich auch unwohl fühlen. Sie dürfen sich in so einem Fall um Hilfe bitten und sich auf den Weg zum Notdienst einer Zahnklinik machen. Rufen Sie dort allerdings vorab an.
- Beispiel: Eine Person, die Sie pflegen, geht nachts nicht mehr ans Telefon. Auch die Nachbarn haben bereits bei der Person geklingelt, aber sie reagiert nicht. Sie machen sich nun ernsthafte Sorgen und wollen nach dem Rechten schauen. Obwohl eine Ausgangssperre in Ihrem Ort gilt, dürfen Sie die Pflegeperson besuchen. Im Falle einer Polizeikontrolle müssten Sie möglicherweise genau nachweisen, warum Sie diese Person nun besuchen müssen.
Jogger und Sportler
Wer abends raus will, um beispielsweise nach einem stressigen Tag auf andere Gedanken zu kommen, der darf auch nach 22 Uhr allein Spazieren oder Joggen gehen. Will der Partner oder der Mitbewohner mit, sollten getrennte Wege genutzt werden oder ausreichend Abstand eingehalten werden. Ab Mitternacht fällt diese Kulanzregelung weg.
- Lassen Sie Rucksäcke, Tragetüten oder andere Taschen, sofern Sie nach 22 Uhr rausgehen, zuhause. Das erspart Ihnen unnötige Fragen im Falle einer Personenkontrolle.
Gassi gehen
Hundebesitzer dürfen mit ihrem Hund Gassi gehen. Eine Beschränkung gibt es dafür nicht. Wenn Hunde raus müssen, dann ist das einfach so.
Pizza bestellen
Restaurants, Imbissbuden, Lieferdienste haben regulär geöffnet. Sie können sich also problemlos eine Pizza, Nudeln oder andere Gerichte bestellen und liefern lassen. Wichtig ist aber: Selbst abholen dürfen Sie die bestellten Speisen nach 22 Uhr allerdings nicht. Auch nicht in der Kulanzzeit zwischen 22 Uhr und Mitternacht.
Müll rausbringen
Wer nachts noch den Müll rausbringen will, der kann das tun. Auch die Mülltonne dürfen Sie für die Müllabfuhr nachts rausstellen. Vor allem dann, wenn Sie aus beruflichen Gründen spät nach Hause gekommen sind.
BVerwG zum Großeinsatz der Polizei: Wann ist Ruhezeit Arbeitszeit?, lto.de v. 14.04.2021
Das BVerwG hat angekündigt, in einer kommenden Entscheidung die Voraussetzungen dafür zu konkretisieren, wann beamtenrechtlich Arbeits- statt Ruhezeit vorliegt, es geht um den G7-Gipfel 2015 in Elmau. Sarah Nußbaum mit dem Ausblick.
Zu jeder Zeit an jedem Ort für jede Aufgabe einsatzfähig sein – diese Anforderungen an ihre Dienstfähigkeit kennen Polizeikräfte nur zu gut. Zu Recht erwartet auch die Bevölkerung etwa bei Großeinsätzen wie dem G7-Gipfel 2015 in Elmau, dass die Polizei rund um die Uhr einsatzfähig ist. Der Personalbedarf ist für solche Einsätze enorm, Hundertschaften wechseln sich in der Regel ab, um Ruhezeiten zu ermöglichen.
Diese wurden in der Vergangenheit jedoch nicht immer eingehalten, denn trotz der im Dienstplan ausgewiesenen Ruhezeit mussten sich viele Einsatzkräfte bei besagtem G7-Gipfel in Elmau trotzdem mit der Waffe bereithalten. Einen Ausgleich – ob nun in Geld oder Freizeit – für diese Stunden bekamen sie bisher nicht. Erst seit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) eine ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln im Februar 2020 aufhob, können sie auf einen Ausgleich hoffen (OVG NRW, Urteil v. 13.02.2020, Az. 1 A 1671/18).
Ob die Hoffnung sich erfüllt, wird sich am Donnerstag zeigen, denn die OVG-Entscheidung liegt aktuell dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vor. Dieses hat bei der Zulassung der Revision angekündigt, die Voraussetzungen für einen Ausgleich grundsätzlich zu klären (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2020, Az. 2 C 18.20). Ohne zu viel vorwegzunehmen: Eine völlig andere Entscheidung als die des OVG ist aus Leipzig nicht zu erwarten.
Einsatz-, Bereitschafts- oder Ruhezeit – die Unterschiede
Auf die Plätze, fertig, los: Beginnt die Tätigkeit, gibt es Lohn für die Einsatzzeit, keine Frage. Aber was ist, wenn es nur heißt: Auf die Plätze – aber bitte nur fertigmachen?
Verwaltungsrechtler zur Skateranlage in Korschenbroich: Jurist – Stadt muss Skateranlage nicht abbauen, Neuß-Grevenbroicher-Zeitung v. 10.04.2021
Interview | Korschenbroich. Der Verwaltungsrechtler Robert Hotstegs sieht Verhandlungsspielraum und mahnt: Stadt sollte nicht frühzeitig klein beigeben, sondern politisches Signal setzen.
Von Bärbel Broer
Sie ist illegal – die Skateranlage in Korschenbroich an der Albrecht-Dürer-Straße. Das steht nach dem Gutachten des Düsseldorfer Juristen Wilfried Bank fest. Auch eine nachträgliche Heilung – Juristen nutzen tatsächlich diesen medizinischen Begriff – der baurechtlich unzulässigen Anlage ist offenbar nicht möglich. Und dennoch lässt das Gutachten Spielraum. Davon ist Robert Hotstegs überzeugt. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und mit seiner gleichnamigen Rechtsanwaltsgesellschaft unter anderem auf Bürgerbeteiligung spezialisiert. Für unsere Redaktion hat er das Rechtsgutachten zur Skateranlage, das die Verwaltung in Auftrag gegeben hatte, überprüft.
„Verwaltungsrechtler zur Skateranlage in Korschenbroich: Jurist – Stadt muss Skateranlage nicht abbauen, Neuß-Grevenbroicher-Zeitung v. 10.04.2021“ weiterlesenLeserbrief: Gourdet/Heger, Alternative Beschlussformen… (NVwZ 2021, 360ff.), NVwZ 2021, Heft 7, X
Die Autoren lehnen es ab, die Öffentlichkeit von Sitzungen dadurch herzustellen, dass Bild und Ton in einen physischen Raum übertragen werden und dort also eingesehen werden können. Diese Regelungen aus Brandenburg und Baden-Württemberg erscheinen ihnen unsinnig. Ich teile die Kritik, soweit es darum geht, ausschließlich auf diesem Weg Öffentlichkeit zu ermöglichen. Allerdings gibt es diese Diskussion bereits in den Prozessordnungen zur Frage der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen. Dort folgt der Gesetzgeber bislang ausschließlich dem Prinzip der Saalöffentlichkeit mit der Folge, dass grundsätzlich auch der Spruchkörper im Saal physisch zu erscheinen hat. Das soll auch dazu dienen, technische Barrierefreiheit zu schaffen. Auch der/die Bürger:in ohne Internetzugang oder Computer soll in die Lage versetzt werden, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Warum dies bei Sitzungen in kommunalen Vertretungsorganen nicht gelten sollte, erschließt sich nicht. Im Gegenteil: Den Ausschluss von Bürger:innen bei allein online übertragenen Sitzungen halte ich derzeit noch für rechtfertigungsbedürftig.
Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Düsseldorf
Leserbrief: Zu Vetter, Maskenpflicht im Wahlraum… (NVwZ 2021, 187ff.), NVwZ 2021, Heft 5, X
Den Ausführungen der Kollegin Vetter ist beizupflichten. Allerdings sind sicherlich neben juristischen Auflagen und Einschränkungen, die mit dem Wahlrecht kompatibel sind, auch praktische Nachteile von teils erheblichem Ausmaß zu erwarten. Aus Sicht eines Wahlhelfers möchte ich daher zwei Aspekte ergänzen:
Bei Wahlen im Jahr 2020 soll es in einzelnen Wahllokalen zu langen Warteschlangen und -zeiten gekommen sein. Diese sind zwar bedauerlich, aber führen auch nach Ablauf der Wahlzeit (§ 47 I BWO) nicht zum Stimmverlust der Betroffenen. Die Wahlhandlung kann und darf ausdrücklich auch noch nach Ablauf der Wahlzeit vollzogen werden, wenn die Wähler:innen vor 18 Uhr erschienen sind (§ 60 BWO). Diesen Wähler:innen ist also ausreichend Zeit einzuräumen, ohne dass Hektik und ein Verstoß gegen die AHA-Regeln aus diesem Grund geboten wären.
Anders dürfte sich dies in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder Klöstern darstellen. Diese durften in der Vergangenheit darauf hoffen als Sonderwahlbezirk durch einen beweglichen Wahlvorstand (§60ff iVm § 8 BWO) aufgesucht zu werden. Angesichts des größeren organisatorischen Aufwandes und des Infektionsrisikos ist zu erwarten, dass hiervon nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht und stattdessen auf die Briefwahlmöglichkeit verwiesen wird. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch faktisch die Wähler:innen nicht abhält vom Stimmrecht Gebrauch zu machen.
Robert Hotstegs, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Düsseldorf
online-Verhandlungen
Die Corona-Pandemie hat auch in den von uns betreuten verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Fragen den Blick auf Vorschriften gelenkt, die wir bislang nicht beachtet haben: die online-Verhandlung.
Tatsächlich kennt das Prozessrecht die Verhandlung von verschiedenen Orten aus und bei gleichzeitiger Ton- und Bildübertragung schon seit einigen Jahren, ohne dass diese Verfahren aber in nennenswerter Weise stattgefunden haben.
Zur Vermeidung von derzeit unerwünschten Kontakten und von Anreisen für unsere Mandant:innen und uns selbst beantragen wir daher vermehrt gem. § 102a VwGO
„den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen [zu] gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen.“
§ 102a Abs. 1 S. 1 VwGO
Bislang haben wir diese Verhandlungen bei folgenden Gerichten beantragt:
Gericht | Antrag erfolgreich | Antrag abgelehnt | Anträge offen | Tendenz |
---|---|---|---|---|
Amtsgericht Kleve* | 1 | |||
Landgericht Düsseldorf* | 1 | |||
Verwaltungsgericht der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens | 1 | – | – | |
Verwaltungsgericht Arnsberg | 1 | |||
Verwaltungsgericht Düsseldorf | diverse | |||
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen | 1 | |||
Verwaltungsgericht Köln | 1 | 1 | ||
Verwaltungsgericht Minden | 1 | |||
Verwaltungsgericht Trier | 2 |
*bei den Zivilgerichten haben wir entsprechende Anträge nach §128a ZPO gestellt.