Soldaten müssen sich gegen Covid-19 impfen lassen, Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse v. 07.07.2022, Az. 1 WB 2.22, 1 WB 5.22

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Anträge zweier Luftwaffenoffiziere gegen die Verpflichtung, die Covid-19-Impfung zu dulden, als unbegründet zurückgewiesen. Gegenstand dieser Anträge nach der Wehrbeschwerdeordnung ist eine Allgemeine Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 24. November 2021, mit der die Schutzimpfung gegen Covid-19 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen worden ist. Die beiden Antragsteller haben vorgetragen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.

Der 1. Wehrdienstsenat hat die Allgemeine Regelung zur Durchführung der Covid-19-Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme i.S. des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Disziplinarvorgesetzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsposition der betroffenen Soldaten hat. Er hat darum die Einwände gegen die Covid-19-Impfung an vier Verhandlungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei sind neben Sachverständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts angehört worden.

Im Ergebnis hat sich die Allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Regelung in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen und insbesondere die Soldatenvertretungen beteiligt. Es war im Rahmen der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Abs. 4 SG berechtigt, nach pflichtgemäßen Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen durch Verwaltungsvorschrift festzulegen. Denn das Soldatengesetz enthält in § 17a SG* eine ausdrückliche Regelung darüber, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden. Dies hat seinen Grund darin, dass der militärische Dienst seit jeher durch die Zusammenarbeit in engen Räumen (Fahrzeugen, Schiffen, Flugzeugen), durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefährdungslagen und durch das Gemeinschaftsleben in Kasernen das besondere Risiko der Verbreitung übertragbarer Krankheiten mit sich bringt. Das Gesetz erwartet, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatzfähigkeit und damit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 87a GG) insgesamt beiträgt. Die Erhaltung der eigenen Einsatzfähigkeit ist eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten (Art. 33 Abs. 4 GG)

Die gesetzliche Ausgestaltung der Duldungspflicht genügt auch dem rechtsstaatlichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Denn er hat die Reichweite des Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in allgemeiner Weise hinreichend klar bestimmt und auf zumutbare Eingriffe begrenzt. Die genaue Festlegung der im Einzelnen hinzunehmenden Impfungen und zu verwendenden Impfstoffe konnte er dem Dienstherrn überlassen, weil die Soldatinnen und Soldaten abhängig von ihrem Einsatzort im In- und Ausland unterschiedliche Impfungen benötigen. Außerdem erfordern etwa das Auftreten neuer Krankheitserreger oder das Bekanntwerden neuer Nebenwirkungen von Impfstoffen eine flexible und schnelle Entscheidungsfindung.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat bei der Einführung der Duldungspflicht im November 2021 das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Damals wies die Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus eine erhebliche Gefährlichkeit auf. Die vorhandenen Impfstoffe konnten zwar das Risiko einer Infektion und Übertragung nur verringern, aber die Gefahr schwerer Verläufe um 90 % reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Vorhandensein einer sich verschärfenden pandemischen Lage im Winter 2021 bestätigt und näher ausgeführt, dass nach damaliger überwiegender fachlicher Einschätzung von einer erheblichen Reduzierung der Infektions- und Transmissionsgefahr durch die Covid-19-Impfung ausgegangen wurde (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 157 ff., 173 f.).

Der 1. Wehrdienstsenat hat sich nach der von ihm durchgeführten Sachverständigen-anhörung auch der Bewertung angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion und Transmission bewirkt (BVerfG a.a.O. Rn. 184 f.). Außerdem reduziert sie vor allem nach einer Auffrischungsimpfung das Risiko eines schweren Verlaufs über längere Zeiträume, so dass der positive Effekt der Impfung das mit ihr verbundene Risiko weiter deutlich überwiegt. Dies gilt nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts auch für die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, die den überwiegenden Anteil des militärischen Personals ausmachen. Das Bundesministerium der Verteidigung war berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts zurückzugreifen, auch wenn diese Fachbehörde die Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen entgegen § 13 Abs. 5 IfSG bislang nicht erhalten hat. Durch die zahlreichen Einwendungen der Antragsteller wurde die Überzeugungskraft der amtlichen Auskünfte der beiden Fachbehörden nicht durchgreifend erschüttert.

Allerdings ist das Bundesministerium der Verteidigung verpflichtet, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssen stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Das Nachlassen der Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus und die Verringerung der Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung für die Anordnung weiterer Auffrischungsimpfungen angezeigt erscheinen lassen. Außerdem ist eine Evaluierung der Entscheidung dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss im Schlichtungsverfahren zugesagt worden.

Pressemitteilung v. 07.07.2022

Verwaltungsgericht: „Lehrer haben in den Ferien immer Urlaub“ | Dienstrecht | Pressemitteilung 2022-01

Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft
Düsseldorf, den 07.07.2022

::: Pressemitteilung 01/2022 :::

Verwaltungsgericht: „Lehrer haben in den Ferien immer Urlaub“
aktuelle Entscheidung aus Gelsenkirchen zeigt für Experten eklatante Mängel im Urlaubsrecht


Düsseldorf. Jede:r Arbeitnehmer:in hat einen Anspruch auf Erholungsurlaub, auch bei Lehrer:innen, unabhängig davon ob sie beim Land NRW angestellt sind oder in einem Beamtenverhältnis stehen. Wenn der Volksmund formuliert, Lehrer:innen hätten im Sommer sechs Wochen Urlaub und damit die unterrichtsfreie Zeit dem Urlaub gleichstellt, dann tut er nichts anderes als ein aktuelles Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Az. 1 K 4290/20). „Das ist ein Skandal. Denn das Gericht macht deutlich, dass Lehrer:innen nie vorab wissen, wann sie Urlaub und wann unterrichtsfrei haben.“, erläutert Fachanwalt Robert Hotstegs. Das Gegenteil sei aber erforderlich.

Im konkreten Fall war eine Lehrerin seit März 2017 dienstunfähig erkrankt. Im August 2019 musste sie daher auch in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. Vor Gericht machte sie nun geltend, dass sie den Urlaub der Jahre 2017 bis 2019 nicht in Anspruch nehmen konnte. „Tatsächlich spricht der Wortlaut der Rechtsgrundlagen dafür, dass die Urlaubstage aus der Krankheitszeit ausbezahlt werden müssen“, erklärt Hotstegs. Etwas anderes gelte nach einer Verordnung des Landes NRW nur, wenn die betroffene Lehrerin von der Bezirksregierung vorab konkret auf den Verfall alter Urlaubsansprüche hingewiesen worden wäre. Dies geschehe bei Lehrer:innen nie.

„Europarecht bricht Landesrecht“

„Das Gericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass Lehrer:innen-Urlaub automatisch in den Ferien stattfinde. Sozusagen unsichtbar.“ Was auf den ersten Blick selbstverständlich und logisch erscheine, unterlaufe aber den Gesundheits- und Arbeitsschutz. „Da Lehrer:innen in NRW keinen Urlaubsantrag stellen können, weiß etwa die Schulleitung oder das Kollegium nicht, wann jemand sich berechtigt erholt und wann jemand arbeitet. Die EU hält den Schutz der Einzelnen aber hoch. Sie sollen im Urlaub grundsätzlich Ruhe haben und sich erholen können. Nichts spricht dagegen, dies auch durch Urlaubsanträge für Ferienzeiten konkret zu organisieren.“ Dies würde, so Fachanwalt Robert Hotstegs, vielfach auch den Druck nehmen als Lehrer:in stets „allzeit bereit“ zu sein.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht NRW zugelassen. Hotstegs, der nicht an dem Verfahren beteiligt war, würde sich freuen, wenn das Verfahren weiterbetrieben würde. Es würde helfen wichtige Rechtsfragen zu klären.


::: Kontakt :::

Rechtsanwalt Robert Hotstegs
T: 0211 / 497657-16
E: hotstegs@hotstegs-recht.de
www.hotstegs-recht.de

::: die Kanzlei :::

Seit 1985 berät die Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft in Spezialgebieten. Der öffentliche Dienst für Beamt:innen und Angestellte, die Verteidigung in Disziplinarverfahren und daneben die Verfahren der Bürgerbeteiligung sind ihre Schwerpunkte. Die Kanzlei vertritt Mandant:innen bundesweit.

Haben Grundschullehrer:innen einen Anspruch auf gleiche Besoldung wie Studienrät:innen?, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Pressemitteilung v. 16.05.2022, Az. 26 K 9086/18 und 26 K 9087/18

Grundschullehrer:innen haben keinen Anspruch darauf, wie Studienrät:innen besoldet zu werden. Das hat die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf durch zwei Urteile vom 16.05.2022 entschieden und damit die Klagen zweier Grundschullehrerinnen abgewiesen.

Das Gericht hat aber erkannt, dass die Klagen grundsätzliche Bedeutung haben und die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen. Daher können beide Klägerinnen nun Berufung einlegen und ihren Anspruch auch in der zweiten Instanz weiterverfolgen.

Worum geht es genau?

Die Klägerinnen sind Grundschullehrerinnen und als Beamtinnen auf Lebenszeit in die Besoldungsgruppe A 12 eingestuft. Sie begehren die Einstufung in die mit einem höheren Grundgehalt ausgewiesene Besoldungsgruppe A 13 sowie die Gewährung einer Studienratszulage. Sie sind der Auffassung, dass sowohl ihre Ausbildungen wie auch ihre ausgeübten Tätigkeiten sich von denen der mit A 13 zuzüglich einer Studienratszulage besoldeten Studienräte mit der Befähigung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen nicht oder jedenfalls nicht mehr so wesentlich unterschieden, dass die ungleiche Besoldungshöhe im Eingangsamt berechtigt sei.

Hintergrund der Klageverfahren ist die Änderung der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen, die seit Inkrafttreten des Lehrerausbildungsgesetzes (LABG NRW) 2009 für alle Lehramtsbefähigungen den Abschluss eines Bachelor- und eines Masterstudiengangs sowie die erfolgreiche Absolvierung eines Vorbereitungsdienstes verlangt und in weiten Teilen angeglichen wurde. Eine der Klägerinnen absolvierte ihre Ausbildung nach den Regelungen des LABG 2009. Die andere Klägerin studierte im Rahmen des zuvor durchgeführten Modellversuchs „Gestufte Studiengänge in der Lehrerausbildung“, in dem die Angleichung noch nicht vollständig umgesetzt war.

Was sagt das Verwaltungsgericht Düsseldorf?

Die Kammer hat die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Besoldung sei nicht zu niedrig bemessen. Die Einstufungen der Lehrerinnen in die Besoldungsgruppe A 12 stehe mit dem Verfassungsrecht in Einklang. Die Verknüpfung der Funktion der Lehrer mit der Lehramtsbefähigung für Grund-, Haupt- und Realschulen mit einem (Einstiegs-)Amt der Besoldungsgruppe A 12 sei wegen des weiten Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber in diesem Bereich eröffnet sei, nicht zu beanstanden. Insbesondere sei der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, weil trotz durch das LABG 2009 weitgehend angeglichener Bildungsvoraussetzungen für die verschiedenen Lehrämter inhaltliche Unterschiede zwischen den Lehramtsbefähigungen bestünden. Zudem unterscheide sich der Berufsalltag von Lehrern mit der Lehramtsbefähigung für Grund-, Haupt- und Realschulen von dem der Studienräte mit der Befähigung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen in einem Maße, das die abweichende Einstufung in die Besoldungsgruppen A 12 und A 13 als sachgerecht rechtfertige und nicht willkürlich sei. Im Rahmen des Modellversuchs „Gestufte Studiengänge in der Lehrerausbildung“ habe es zudem maßgebliche Unterschiede in der Ausbildung gegeben.

Wie geht es weiter?

Wenn die Urteile den Klägerinnen schriftlich zugestellt wurden, kann hiergegen dann Berufung zum Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster eingelegt werden.

Die Fragen der gleichen Besoldung bei unterschiedlichen Schultypen sind auch in anderen Bundesländern bereits aufgekommen und teilweise von den Gerichten, teilweise auch durch den Gesetzgeber selbst beantwortet worden. Dass der Landtag die Besoldung auf A13 plus Zulage anheben kann, ist wohl unstreitig. Er hat es aber noch nicht getan.

Daher bleibt allen betroffenen Lehrer:innen nur die Möglichkeit ihre eigenen Ansprüche selbst aktiv geltend zu machen. Das Abwarten auf die Musterverfahren schützt nicht jede:n Einzelne:n, sondern kann dazu führen, dass Ansprüche auch verloren gehen – selbst wenn die Musterklägerinnen Erfolg haben. Im Beamtenrecht streitet grundsätzlich jede:r für sich allein.

Impfbefehl für Soldat:innen?, Bundesverwaltungsgericht, Az. 1 WB 2.22 und 1 WB 5.22

Der 1. Wehrdienstsenat verhandelte heute erst- und letztinstanzlich über zwei Anträge von Offizieren gegen die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vorgeschriebenen Basisimpfungen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat ab 24. November 2021 die allgemeinen Regelungen (AR) A1-840/8-4000 zur Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A 840/8 „Impf- und weitere Prophylaxemaßnahmen“ dahingehend geändert, dass neben der Tetanus-, Diphterie-, Pertussis-, Influenza-, Hepatitis- und FSME-Impfung nunmehr auch die Covid-19-Impfung verbindlich ist. Dementsprechend sind die Antragsteller angehalten worden, Impfangebote gegen das Coronavirus zu nutzen. Für diese Impfung bestehe nunmehr eine gesetzliche Duldungspflicht nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG.

Die Antragsteller bestritten die Rechtsmäßigkeit der Änderung dieses Erlasses. Die Covid-19-Impfung sei nicht zur Verhütung übertragbarer Krankheiten geeignet. Sie verhindere eine Infektion oder Erkrankung nicht. Es sei auch nicht belegt, dass die Impfstoffe die Gefahr einer schweren Covid-19-Erkrankung verminderten. Die Verwendung der neuartigen mRNA-Impfstoffe stelle keine Impfung im herkömmlichen Sinne dar, sondern die Verabreichung einer genbasierten, experimentellen Substanz. Der Einsatz dieser Gentechnik sei hinsichtlich der Nebenwirkungen und Langzeitfolgen unzureichend erforscht. Darum liege nur eine bedingte Arzneimittelzulassung vor. Die Erforschung der Impfnebenwirkungen und -komplikationen werde in einem großen Feldversuch bei der Anwendung in der Gesamtbevölkerung nachgeholt. Dabei würden die tatsächlich eingetretenen Impfnebenwirkungen und -komplikationen von den Behörden erheblich untererfasst. Es drohten erhebliche Impfschäden, weswegen die Anordnung der Impfung unverhältnismäßig und unzumutbar sei. Der Impfzwang verstoße insbesondere gegen die Grundrechte der Antragsteller aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes sowie gegen Europa- und Völkerrecht. Die Verwendung der Impfstoffe sei sogar nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3a AMG strafbar, weil dieses Arzneimittel durch die Abweichung von den allgemein anerkannten pharmazeutischen Regeln in seiner Qualität erheblich gemindert sei.

Das Bundesministerium der Verteidigung hielt den Antrag bereits für unzulässig, weil die Änderung der Verwaltungsvorschriften noch nicht in die Rechtssphäre des Soldaten eingreife. Im Übrigen sei die Aufnahme der Covid-19-Impfung in die Liste der generell durchzuführenden Basisimpfungen rechtmäßig. Das Grundrecht der Soldaten auf körperliche Unversehrtheit sei durch § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG wirksam eingeschränkt worden. Die Vorschrift erlaube die Anordnung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus Sars-Cov-2. Die Impfung diene der Verhütung einer übertragbaren Krankheit, auch wenn sie keinen vollständigen Schutz biete. Es genüge, dass sie die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und die Gefahr schwerer Verläufe reduziere. Dies sei auf Grund aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen und nach den Erhebungen des Robert-Koch-Instituts erwiesen. Mit der Schutzimpfung seien auch keine überproportional hohen Impfrisiken verbunden. Die Impfstoffanwendung werde laufend durch die zuständigen europäischen Stellen und das Paul-Ehrlich-Institut überwacht. Dieses komme in seinem Sicherheitsbericht zu dem Ergebnis, dass schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten auftreten und das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfung nicht ändern würden. Die Impfung verstoße auch nicht gegen nationale oder internationale Vorschriften.

Das Ergebnis der Beratungen wurde noch nicht bekannt.

NRW-Besoldung der Richter:innen und Beamt:innen in den Jahren 2013 und 2014 verfassungswidrig, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschlüsse v. 29.04.2022, Az. 26 K 2275/14, 26 K 6317/14, 26 K 258/15

Mit heute in öffentlicher Sitzung verkündeten Beschlüssen hat die 26. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Regelungen über die Besoldung der Richter und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen (konkret: Grundgehälter der Besoldungsgruppen R 1, R 2 und B 3) in den Jahren 2013 und 2014 mit dem sog. Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes vereinbar sind.

Die Kläger in drei Parallelverfahren sind zwei Richter (Besoldungsgruppen R 1 und R 2) sowie ein – inzwischen im Ruhestand befindlicher – Beamter (Besoldungsgruppe B 3) im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie machen mit ihren Klagen geltend, sie seien in den Jahren 2013 und 2014 nicht amtsangemessen besoldet worden.

Mit dem Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 erhöhte der Gesetzgeber die Grundgehälter der Beamten und Richter gestaffelt nach Besoldungsgruppen. Die Grundgehälter für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 wurden entsprechend dem Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst erhöht. Die Erhöhung für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 blieb hinter dem Tarifabschluss zurück. Für alle anderen Beamten sowie für die Richter und Staatsanwälte war keine Erhöhung vorgesehen. Mit Urteil vom 1. Juli 2014 – VerfGH 21/13 – entschied der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, dass diese Regelung verfassungswidrig war. Daraufhin erließ der Landtag ein Änderungsgesetz, das auch für die Besoldungsgruppen ab A 13 eine – allerdings gegenüber dem Tarifabschluss geringere – Erhöhung der Grundgehälter vorsieht. Nach der Überzeugung der Kammer ist diese Regelung, soweit sie die Besoldungsgruppen der Kläger betrifft, verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen materielle Anforderungen an die Besoldungsgesetzgebung herausgearbeitet. Außerdem ist eine besoldungsrechtliche Regelung bereits dann verfassungswidrig, wenn der Besoldungsgesetzgeber eine Besoldungsanpassung nur unzureichend begründet hat. Das ist hier der Fall. Die Gesetzgebungsmaterialien lassen nicht nachvollziehbar erkennen, anhand welcher Methode der Gesetzgeber die Besoldung fortgeschrieben hat und welche Tatsachen der Entscheidung zugrunde liegen. Ob das Gesetz auch gemessen an den materiellen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu beanstanden ist, hat die Kammer offen gelassen.

Da die Entscheidung über die Gültigkeit eines Gesetzes den Verfassungsgerichten vorbehalten ist, musste das Verwaltungsgericht die Verfahren aussetzen. Es hat das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit der besoldungsrechtlichen Regelung angerufen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht nur für die Kläger der vorliegenden Verfahren, sondern auch für zahlreiche Beamte, Richter und Staatsanwälte relevant, die gegen die Besoldung der Jahre 2013 und 2014 Widersprüche eingelegt haben, über die das zuständige Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen – mit Rücksicht auf anhängige Gerichtsverfahren – noch nicht entschieden hat. Beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen sind weitere Parallelverfahren anhängig.

Pressemitteilung v. 27.04.2022

Auf der Suche nach der Bundesdisziplinarkammer: Das ver­schwun­dene Gericht, lto.de v. 26.02.2022

Interview von Tanja Podolski

Die Bundesdisziplinarkammer X war ein Bundesgericht in Düsseldorf. Und es ist verschwunden. Im Interview erklärt Anwalt Robert Hotstegs, wie und warum er dieses Gericht sucht. Fest steht: Eine bekannte Entscheidung des Gerichts irritiert.

LTO: Herr Hotstegs, Sie suchen ein verschwundenes Gericht, was hat es damit auf sich?

Robert Hotstegs: Ich suche die Bundesdisziplinarkammer X (römisch 10). Das war ab 1953 für etwa 14 Jahre ein Bundesgericht in Düsseldorf. Heute kann sich offenbar niemand daran erinnern und es sieht so aus, als ob dieses Gericht kaum Spuren hinterlassen habe. Dabei war es als Disziplinargericht für Bundesbeamte zuständig und hat als solches nicht nur frische, sondern auch ältere Fälle aus den 30er und 40er Jahren, sprich der NS-Zeit, der Nachkriegs- und der Besatzungszeit entschieden. Es wundert mich, dass man darüber kaum Informationen findet und deshalb will ich die Spuren suchen – und finden.

Wie sind sie auf das Thema gestoßen?

Zufällig. Wir verteidigen seit Jahren Beamtinnen und Beamte, wenn sie beschuldigt werden, gegen Dienstpflichten verstoßen zu haben und auch Soldatinnen und Soldaten in ihren ähnlich gelagerten Disziplinarfällen vor deren Spezialgerichten. Bei diesen Truppendienstgerichten oder im Wehrsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sieht es allerdings etwas anders aus als bei sonstigen Gerichtsverfahren: Da steht vorne eine Truppendienstfahne neben der Richterbank und zwei der fünf Richterinnen bzw. Richter haben eine Uniform an.

Ich bin der Frage nachgegangen, wo und wie diese Gerichte normiert sind und stellte fest: Es gibt eine Anordnung für diese Truppendienstgerichte und eine nahezu identische Anordnung für alte Bundesdisziplinargerichte. Diese Gerichte gibt es nicht mehr, aber die alte Anordnung des Bundespräsidenten, die existiert noch. Der hat angeordnet, wie die Richter:innen und Bundesdisziplinaranwält:innen sich zu kleiden haben.

Die Vorsitzenden der Bundesdisziplinarkammern trugen danach nicht nur eine normale Robe, sondern auch ein Barett mit einer Schnur in Silber. Das habe ich noch nie gesehen, würde es aber gerne mal. So kamen in mir die Fragen auf: Was haben die für Fälle entschieden, wer hat an diesen Gerichten gearbeitet, wie haben die Richter – vermutlich waren es damals nur Männer – dort gearbeitet, und wo kamen die Richter im Jahr 1953 her? Diese Juristen müssen ja in der NS-Zeit oder kurz davor ihren Abschluss gemacht haben.

Was ich schon beobachtet habe ist, dass es im heutigen Disziplinarrecht Spuren gibt, die 100 Jahre und älter sind, einige Vorschriften hatten damals einen ähnlichen Wortlaut wie heute und wurden von Juristen auf ähnliche Sachverhalte angewendet. Vielleicht erklärt sich aus der Historie, wie sich manche Auslegungen entwickelt haben und woher gewisse rechtliche Konstruktionen kommen. Vielleicht erklärt sich sogar einiges aus dem anwaltlichen Berufsrecht, denn einige Formulierungen zu den Berufspflichten waren früher 1:1 mit Vokabeln belegt, die aus dem Disziplinarrecht stammen – der Staat hat also selbstständige Anwält:innen einem ähnlichen Konstrukt unterworfen, wie abhängige Beamte.

[…]

Rechtsanwalt Robert Hotstegs informiert über den Stand seiner Nachforschungen in unregelmäßigen Abständen auf einer Themenseite des Düsseldorfer Instituts für Dienstrecht unter www.difdi.eu.

Link zum vollständigen Artikel

Sondersitzung des Lüner Rates: Stadt steht ohne gültigen Haushalt da, Ruhr Nachrichten v. 01.02.2022

Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns hat den Stadtrat zu einer Sondersitzung am Freitag (4.2.) eingeladen. Es geht um den Haushalt 2022, der laut Bürgermeister unrechtmäßig zustande kam.

von Torsten Storks

Der Lüner Stadtrat trifft sich am kommenden Freitag (4. Februar) zu einer von Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns einberufenen Dringlichkeitssitzung im Erlebnisreich-Campus an der Hüttenallee – aus gewichtigem Grund:

[…]

zum Bericht der Ruhr Nachrichten im Volltext

Standpunkt: Auf der Suche nach Rechts-Schutz, NJW-aktuell 4/2022, S. 15

Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Amtsträgerinnen und Amtsträger repräsentieren den Staat, sie verwalten ihn, sie sprechen Recht für ihn und sie gestalten ihn. Gleichwohl ist ihr individuelles Verhältnis zum Staat gelegentlich ambivalent. Seitdem aktuelle Fälle nicht nur wünschenswert kritische und mitdenkende Geister, sondern feindlich, auch kämpferisch auftretende Personen aufgezeigt haben, ist der Wunsch nach Schutz vor Verfassungsfeinden größer geworden. Eine Regelanfrage bei der Einstellung wäre gleichwohl nur eine Momentaufnahme, keine Lösung.

Sowohl das Beamten- wie auch das Richterdienstverhältnis machen seit jeher von Verfassungs und Gesetzes wegen zur Voraussetzung einer Ernennung, dass der oder die Kandidatin „jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ (§ 7 BeamtStG, § 9 DRiG) eintritt. Anders gelagert sind die Anforderungen des § 7 Nr. 6 BRAO, an die sich auch etwa § 8 III 2 Nr. 3 SächsJAG für den juristischen Vorbereitungsdienst anlehnt. Danach sind die Zulassung zur Anwaltschaft oder zum Vorbereitungsdienst zu versagen „wenn die antragstellende Person die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft“.

[…]

Der vollständige Beitrag ist im Heft NJW 4/2022 erschienen.

Grundlegende Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen müssen in Rechtsnormen geregelt sein, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 07.07.2021, Az. 2 C 2.21

Kommentar zur Entscheidung:

Dienstliche Beurteilungen sind elementar für das gesamte Beamtenrecht. Sie sind ausschlaggebend für Ernennungen, Beförderungen, insbesondere für die Auswahl bei Konkurrentenstreitigkeiten. § 25 Abs. 1 Nr. 8 LBG RLP überlässt es aber trotz dieser großen Bedeutung der Landesregierung in der Laufbahnverordnung die Details zu dienstlichen Beurteilungen festzulegen. Der Gesetzgeber hat lediglich entschieden, dass diese Beurteilungen – wenn sie auf Grundlage einer dem Landtag ja noch unbekannten Laufbahnverordnung erlassen wurden – nicht aus der Personalakte entfernt werden dürfen.

Die Entscheidung hat Auswirkungen auf alle Beamtenverhältnisse in Rheinland-Pfalz und möglicherweise auch für die Bereinigung von Personalakten. Ob auch Beamtenverhältnisse anderer Bundesländer von der Rechtsprechung profitieren können, muss noch abgewartet werden bis der Volltext der Entscheidung veröffentlich ist.

„Grundlegende Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen müssen in Rechtsnormen geregelt sein, Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung v. 07.07.2021, Az. 2 C 2.21“ weiterlesen

StA sieht Verdacht auf Rechtsbeugung: Erneute Durch­su­chung beim Fami­li­en­richter des AG Weimar, lto.de v. 30.06.2021

von Tanja Podolski

Bei einem Familienrichter vom AG Weimar und weiteren acht Zeugen, darunter ein Richterkollege, wurde erneut an Dienst- und Privatanschriften durchsucht. Derweil hat das BVerwG entschieden, dass die FamG für § 1666 BGB zuständig sind.

„StA sieht Verdacht auf Rechtsbeugung: Erneute Durch­su­chung beim Fami­li­en­richter des AG Weimar, lto.de v. 30.06.2021“ weiterlesen