nur 250km bis zum Vertrauensarzt?, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 08.11.2016, Az. 0136/B17-2016

Unmittelbar nachdem hier der aktuelle Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen zur Zuständigkeit des Amtsarztes am Wohnort des Beamten bei Untersuchungen zur Dienstfähigkeit erstritten wurde, ist nun ein schon etwas älterer Beschluss der Verwaltungskammer beim Kirchengericht der Ev. Kirche in Deutschland bekannt geworden. Er verhält sich hierzu geradezu widersprüchlich.

Nach unserer rechtlichen Bewertung ergibt nämlich die Normenkette, dass auch im Kirchenbeamtenrecht der Ev. Kirche im Rheinland das staatliche nordrhein-westfälische Landesrecht Anwendung findet. Das Verfahren zur Untersuchung der Dienstfähigkeit bestimmt sich nach dem Kirchenbeamtengesetz (KBG.EKD), sowie nach landeskirchlichem Recht. Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 AG.KBG.EKD gilt:

„Ergänzend zu den Bestimmungen des Kirchenbeamtengesetzes der EKD und dieses Kirchengesetzes ist das für die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen jeweils geltende Recht sinngemäß anzuwenden, soweit das kirchliche Recht nichts anderes bestimmt.“

Das nordrhein-westfälische Beamtenrecht bestimmt in § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW:

„Für die amtlichen Untersuchungen zur Ausstellung von gutachterlichen Stellungnahmen in beamtenrechtlichen Verfahren nach dem Landesbeamtengesetz NRW ist die untere Gesundheitsbehörde am Wohnort der zu begutachtenden Person zuständig. Abweichend davon kann die Behörde oder Einrichtung, die das beamtenrechtliche Verfahren durchführt, die untere Gesundheitsbehörde am Dienstort der zu begutachtenden Person beauftragen.“

Dann gilt aber auch der oben erwähnte Grundsatz, den das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt hat, dass für die Untersuchung der Dienstfähigkeit des Kirchenbeamten ausschließlich der Amtsarzt am Wohnort des Kirchenbeamten zuständig wäre.

Die Ev. Kirche im Rheinland vertritt hierzu eine abweichende Rechtsposition und ist der Auffassung, dass der nachfolgende Beschluss der Verwaltungskammer ihre Praxis stützt. Denn dort hat die Verwaltungskammer die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aufforderung zur Untersuchung bei einem 250km (!) entfernten Vertrauensarzt nicht wiederhergestellt. Die Verwaltungskammer hat insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein „Fahrservice“ des Dienstherrn angeboten wurde, die An- und Abreise nicht für unzumutbar gehalten.

Aus unserer anwaltlichen Sicht ist eine derartige Prüfung der Zumutbarkeit (der Verhältnismäßigkeit) schon systematisch nicht notwendig, weil eben das landeskirchliche Recht sich ganz auf den staatlichen Gesetzgeber in NRW fokussiert hat. Dieser kennt die Untersuchung bei einem entfernten Vertrauensarzt nicht, sondern ausschließlich die Untersuchung beim Amtsarzt vor Ort. Es bleibt also abzuwarten, ob die Verwaltungskammer auch in zukünftigen Verfahren ihre Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 aufrecht erhalten wird.

Der Beschluss lautet im Volltext: „nur 250km bis zum Vertrauensarzt?, Verwaltungskammer bei dem Kirchengericht der EKD, Beschluss v. 08.11.2016, Az. 0136/B17-2016“ weiterlesen

Amtsärztlich untersucht wird am Wohnort, nicht am Dienstort, Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss v. 11.01.2018, Az. 1 L 1985/17

Für amtsärztliche Untersuchungen – etwa im Rahmen einer Überprüfung der Dienstfähigkeit – ist das Gesundheitsamt am Wohnort des Beamten zuständig.

Das Verwaltungsgericht Aachen bestätigt in seinem Beschluss, dass der Dienstherr auch dann nicht das Gesundheitsamt am Dienstort als zuständig auswählen darf, wenn er Zweifel an der Arbeit des Gesundheitsamtes am Wohnort des Beamten hat. Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Arztes, an der unparteiischen Amtsausübung oder an der Tatsachengrundlage sind keine Erwägungen, die den Dienstherrn zu der Annahme einer Ausnahmesituation im Sinne des § 19 Abs. 2 ÖGDG NRW berechtigen.

Das Verwaltungsgericht führt in der Begründung seines Beschlusses dazu wörtlich aus: „Amtsärztlich untersucht wird am Wohnort, nicht am Dienstort, Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss v. 11.01.2018, Az. 1 L 1985/17“ weiterlesen

EuGH zur Mindestkörpergröße von Polizisten in Griechenland: 1,70 für alle ist auch unge­recht, lto.de v. 18.10.2017

Wenn Polizisten mindestens 1,70 m groß sein müssen, werden Frauen diskriminiert, so der EuGH. Unterschiedliche Mindestgrößen sind aber auch nicht fair, so das OVG Münster. Sarah Nußbaum erklärt, warum das kein Widerspruch ist.

Wer in Griechenland Polizist werden will, muss mindestens 1,70 m messen. Das gilt für Männer wie Frauen gleichermaßen. Darin kann allerdings eine unerlaubte Diskriminierung liegen, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Urt. v. 18.10.2017, Az. C-409/16).

Geklagt hatte eine Griechin, deren Bewerbung für die Polizei abgelehnt wurde, weil sie kleiner als 170 cm ist. In der griechischen Verfassung ist der Gleichheitsgrundsatz zwischen Männern und Frauen ebenso verankert, wie in Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz. Da Frauen im Durchschnitt kleiner als Männer sind, trug die Klägerin vor, die Regelung diskriminiere Frauen aufgrund ihres Geschlechts mittelbar, denn eine höhere Anzahl von Frauen würde an der einheitlichen Mindestkörpergröße scheitern.

Dem EuGH wurde die Frage nach einer mittelbaren Diskriminierung im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgelegt, nachdem die Klägerin in der ersten Instanz bereits Erfolg hatte. Die Luxemburger Richter stellten in ihrem Urteil eine mittelbare Diskriminierung von Frauen fest. Zugleich eröffneten sie aber auch eine mögliche Erlaubnis für diese Ungleichbehandlung und gaben die Frage wieder zurück an die nationalen Gerichte und den Gesetzgeber.

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OVG zur Mindestkörpergröße für Polizisten in NRW: Ein „zu klein“ gibt es vor­erst nicht, lto.de v. 22.09.2017

Das OVG NRW hat im Streit um die Mindestkörpergröße als Einstellungskriterium für Polizisten entschieden. Es fordert ein Gesetz, das die unterschiedlichen Mindestkörpergrößen für Männer und Frauen bestimmt. Zu Recht, meint Sarah Nußbaum.

Wer in Nordrhein-Westfalen (NRW) Polizist werden wollte, musste bisher eine bestimmte Körpergröße erreichen. Für männliche Bewerber galt dabei eine Mindestkörpergröße von 168 Zentimetern. Das ist rechtswidrig, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster mit Urteil vom Donnerstag (Urt. v. 21.09.2017, Az. 6 A 916/16).

Geklagt hatte ein Mann aus Essen, der mit 166 Zentimetern zunächst von der Polizei als zu klein abgelehnt wurde. Erfolgreich klagte er vor dem Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen (Az. 1 K 3788/14), doch das Land wollte die Entscheidung nicht hinnehmen und ging in die zweite Instanz. Am Donnerstag konnte das Land auch dort nicht überzeugen. Die Richter fordern für die unterschiedlichen Anforderungen, die an die Körpergröße von Männern und Frauen im Auswahlverfahren gestellt wird, eine gesetzliche Grundlage.

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Investitionskosten durften 2013-2016 nicht aus Beihilfenverordnung gestrichen werden, Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 07.09.2017, Az. 1 A 2241/15

Wie bereits in einer Pressemitteilung mitgeteilt, hat das Oberverwaltungsgericht jüngst entschieden, dass pflegebedürftige Beamte und Versorgungsempfänger in Nordrhein-Westfalen nicht auf das Pflegewohngeld als Sozialhilfe verwiesen werden durften, sondern dass auch für Investitionskosten in Pflegeheimen eine entsprechende Beihilfe zu gewähren war.

Die Zuschüsse für gerade diese Investitionskosten hatte das Finanzministerium NRW für die Jahre 2013 bis 2016 aus dem Katalog der Beihilfenverordnung herausgenommen. Dies war rechtswidrig, erklärte nun das Oberverwaltungsgericht.

Das Verfahren hat Strahlkraft: Durchgängige Zuschüsse können nun Versorgungsempfänger des Landes, sowie aller Gemeinden beanspruchen. Rechtsstreitigkeiten über Verjährung und Verwirkung sind aber abzusehen.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Land Nordrhein-Westfalen kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen.

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) vom … Juli 2013 wird insoweit aufgehoben, als dieser die in dem Grundbescheid des LBV vom … Mai 2013 enthaltene Feststellung zurücknimmt, dass bei der Berechnung der Beihilfe zu den Heimkosten der Rechtsvorgängerin der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen auch die Investitionskosten berücksichtigt werden.

[…]

Die Revision wird nicht zugelassen. „Investitionskosten durften 2013-2016 nicht aus Beihilfenverordnung gestrichen werden, Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 07.09.2017, Az. 1 A 2241/15“ weiterlesen

„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“ | difdi | Pressemitteilung 2017-02

Düsseldorfer Institut für Dienstrecht
Düsseldorf, den 12.09.2017

::: Pressemitteilung 2/2017 :::

„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“
Tagung informiert ein Jahr nach der Dienstrechtsmodernisierung NRW 2016

Düsseldorf. Prof. Dr. Michael Koop (Kommunale Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen) und Rechtsanwalt Dr. Eberhard Baden referieren am 19.10.2017 über „Gesundheitsmanagement & Dienstunfähigkeit in Behörden“ vor Behördenvertretern, Personalräten und Rechtsanwälten. Es verspricht spannend zu werden, meint Tagungsleiterin Sarah Nußbaum. „„Gesundheitsmanagement kennen viele Behörden nicht“ | difdi | Pressemitteilung 2017-02“ weiterlesen

Übernahme in das Beamtenverhältnis – hoher BMI muss kein Knock-Out-Kriterium sein, Verwaltungsgericht Köln, Urteil v. 07.11.2016, Az. 3 K 3023/15

Den meisten Kandidaten für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis bangt es vor einem bestimmtem Termin: Der amtsärztlichen Untersuchung. Die Sorgen sind meistens unbegründet, weil die Untersuchung in der Regel schnell und unspektakulär über die Bühne geht, aber erstens hört man immer wieder Horrorgeschichten von älteren Kollegen und außerdem weiß man ja nie, was der eigene Körper gegebenenfalls für Überraschungen bereit hält….

Insbesondere eine Gruppe hat – in diesem Fall auch nicht ganz unbegründete – Sorgen, nämlich diejenigen, die nach den Maßstäben des sogenannten Body-Mass-Index (BMI) als übergewichtig gelten. Zwar dürfte es in den meisten Bundesländern mittlerweile als geklärt anzusehen sein, dass zumindest bei einer geringgradigeren Adipositas die Höhe des BMI alleine nicht ausreicht, um festzustellen, dass eine gesundheitliche Eignung nicht gegeben ist. Ab einem BMI von 35 war jedoch in der Regel dennoch Schluss.

Das Verwaltungsgericht Köln stellt diese Sichtweise in einer aktuellen rechtskräftigen Entscheidung (Urteil vom 07.11.2016, Az. 3 K 3023/15) jedoch überzeugend in Frage und betont hingegen die Bedeutung einer Einzelfallbetrachtung: „Übernahme in das Beamtenverhältnis – hoher BMI muss kein Knock-Out-Kriterium sein, Verwaltungsgericht Köln, Urteil v. 07.11.2016, Az. 3 K 3023/15“ weiterlesen

Dienstunfähig? Kein Rechtsschutzbedürfnis für amtsangemessene Beschäftigung!, Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil v. 23.09.2016, Az. 5 K 290/16.KO

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage eines Beamten abgewiesen, der sich gegen seine Umsetzung wendete und im Kern eine nicht amtsangemessene Beschäftigung geltend machen wollte. Die Klage sei bereits im Verfahren unzulässig geworden, weil der Beamte dienstunfähig erkrankt sei und auch seine Versetzung in den Ruhestand anstehe. Die inhaltlichen Fragen seien daher allein theoretischer Natur und für ihre Klärung bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis. Entsprechend kurz fiel die Urteilsbegründung aus: „Dienstunfähig? Kein Rechtsschutzbedürfnis für amtsangemessene Beschäftigung!, Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil v. 23.09.2016, Az. 5 K 290/16.KO“ weiterlesen

keine Bezügekürzung bei missbräuchlicher Versetzung in den Ruhestand, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 06.05.2016, Az. 26 L 579/16

In einer heutigen Entscheidung macht das Verwaltungsgericht Düsseldorf deutlich, dass willkürliche Versetzungen in den Ruhestand keine sofortige Kürzung der Bezüge nach sich ziehen. Im konkreten Fall hatte sich das Land Nordrhein-Westfalen über ärztliche Prognosen hinweggesetzt, Stellungnahmen nicht abgewartet, Hinweise auf Teildienstfähigkeiten ignoriert und schließlich aus Sicht des Gerichts vor allen Dingen: spekuliert. Dies sei missbräuchlich, sodass ausnahmsweise die gesetzliche Folge der Kürzung der Bezüge auf Ruhestandsniveau nicht greifen dürfe. „keine Bezügekürzung bei missbräuchlicher Versetzung in den Ruhestand, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss v. 06.05.2016, Az. 26 L 579/16“ weiterlesen

keine pauschalen Vorwürfe im Disziplinarverfahren – Behörde oder Gericht müssen konkret ermitteln, Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 12.08.2015, Az. 2 BvR 2646/13

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal deutlich gemacht, dass das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch im Disziplinarverfahren gelten. Dies hatte vorliegend das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen missachtet. Das Gericht hatte im konkreten Fall die Verfehlungen des Beamten als gravierendes Dienstvergehen eingestuft, ohne dass die Würdigung der Erschwerungsgründe für das Bundesverfassungsgericht nachvollziehbar war. Nun muss sich der Senat in Münster erneut mit dem Verfahren befassen. „keine pauschalen Vorwürfe im Disziplinarverfahren – Behörde oder Gericht müssen konkret ermitteln, Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 12.08.2015, Az. 2 BvR 2646/13“ weiterlesen